Camp 21. Rainer Wekwerth

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Camp 21 - Rainer Wekwerth

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nicht sofort kam, konnte sich Mike nicht erklären.

      Ricky hatte beide Arme auf den Tisch gelegt und sein Gesicht darin vergraben. Sie sprachen nur wenig miteinander und das wenige ließ Mike bewusst werden, dass sein Bruder mit der Situation nicht umgehen konnte.

      Das High des Joints war verflogen und hatte einer kindlichen Traurigkeit Platz gemacht. Ricky weinte nicht, aber er war wie betäubt. Mike war zweimal zu ihm hinübergegangen und hatte ihm tröstend den Arm um die Schultern gelegt, doch sein Bruder hatte nicht darauf reagiert, genauso wenig wie auf die Worte, die ihn beruhigen sollten. So hockte er nun auf seinem harten Stuhl und schloss die Welt aus.

      In Mike sah es ganz anders aus. Er war unruhig. Eine finstere Ahnung hatte sich in ihm breitgemacht. Die Vorgänge auf dem Polizeirevier machten deutlich, dass niemand diese Sache auf die leichte Schulter nahm.

      Noch immer war er der Meinung, dass nichts Schlimmes geschehen war. Sie hatten niemanden verletzt oder gefährdet und bis auf die Geschwindigkeitsüberschreitung keine Straftat begangen, aber hier wurde ein ganz anderes Bild vermittelt. Die Männer, die mit ihm sprachen, blickten durchweg ernst und ließen keinen Zweifel daran, dass Rickys Gegenwehr bei der Festnahme keine Lappalie war. Niemand ging auf Mikes Fragen ein. Er saß mit seinem verzweifelten Bruder in diesem Raum und grübelte, was mit ihnen geschehen würde.

       Wird man uns anklagen?

       Vor einen Jugendrichter stellen?

       Und dann? Was dann?

       Eine Strafe auf Bewährung? Ein Bußgeld? Sozialer Dienst? Oder Jugendgefängnis?

      Alles schien möglich. Und das beunruhigte ihn von Minute zu Minute mehr.

      Mike trommelte mit seinen Fingern auf der Tischplatte.

      »Lass das«, knurrte Ricky und hob den Kopf an, um ihn anzusehen.

      »Ich bin nervös.«

      »Ich auch. Trotzdem.«

      »Wo bleibt Dad nur?« Es war keine Frage, denn Ricky kannte auch keine Antwort darauf.

      »Ich bin nicht wild drauf, ihn zu sehen.«

      »Sie haben das Auto beschlagnahmt.«

      »Ich hab’s gehört.«

      Mike schaute in Rickys gerötete Augen. Er wusste nicht, ob er geweint hatte, aber es sah so aus. »Wie geht es dir?«

      »Ich bin okay.«

      »Wirklich?«

      »Ja. Ich will nur nach Hause. Denkst du, sie lassen uns bald gehen?«

      Mike zögerte. Was sollte er antworten? Er machte sich Sorgen, dass man sie über Nacht hierbehalten würde. In einer Zelle. Aber das konnte er Ricky nicht sagen.

      »Sie werden warten, bis Dad hier ist.«

      »Ob er einen Anwalt mitbringt?«

      »Nein, denke ich nicht«, meinte Mike. »So wild ist die Sache nun auch wieder nicht.«

      Eine Lüge. Das Ganze war sehr ernst.

      »Ich habe Hunger«, sagte Ricky.

      Mike sah ihn an. Hunger? Wie konnte Ricky in dieser Situation ans Essen denken? Sie hatten beide ein Dr Pepper bekommen, um ihren Durst zu löschen, aber mehr hatte es nicht gegeben.

      »Ich frag mal nach einem Sandwich, wenn sie zurückkommen.«

      »Das dauert alles ganz schön lang.«

      »Ja, Ricky. So ist das nun mal.«

      Danach verfiel sein Bruder wieder in Schweigen.

      Ungefähr dreißig Minuten später öffnete sich die Tür zum Vernehmungsraum und ihr Vater trat ein. Man hatte ihnen die Handys abgenommen, daher wusste Mike nicht, wie weit der Tag vorangeschritten war, aber er vermutete, dass es früher Abend war.

      Der Anzug seines Vaters war verknittert und sah aus, als habe er darin geschlafen. Die Krawatte hing schief, sein Gesicht war so grau wie die schütteren Haare an den Schläfen. Um die Mundwinkel lag ein harter Zug. Frustration sprach aus jeder seiner Bewegungen, als er mit einem Polizisten hereinkam, der den Raum aber gleich wieder verließ. Dann waren sie allein.

      Mike und Ricky standen auf.

      »Dad …«, setzte Mike an, aber sein Vater gebot ihm zu schweigen.

      »Geht es dir gut?«, fragte er. Seine Stimme klang beherrscht und ernst.

      »Ja, Dad.«

      »Was ist mit dir, Ricky?«

      »Alles okay.«

      »Ich muss euch nicht sagen, dass ihr in Schwierigkeiten steckt.«

      Beide schüttelten stumm den Kopf.

      »Setzt euch.«

      Er selbst blieb stehen.

      »Können wir gehen, Dad?«, wollte Ricky wissen.

      »Nein.«

      Ein Wort. Nur wenige Buchstaben, aber es hallte wie Donner durch Mikes Bewusstsein.

      »Wie lange müssen wir noch hierbleiben?«, fragte er und fürchtete die Antwort.

      »Ihr kommt nicht nach Hause.«

      »Was meinst du damit?«

      »In Rickys Urin wurde THC nachgewiesen. Man hat mir gesagt, das ist der Wirkstoff von Marihuana.«

      »Dad«, mischte sich Ricky ein. »Es war nur ein wenig Gras. Ich …«

      »Das ist in diesem Bundesstaat verboten. Sie können dich deswegen anklagen, aber ich habe mit dem Staatsanwalt gesprochen, darum komme ich auch so spät. Ich musste zwei Stunden in seinem Büro warten, bis er fünf Minuten Zeit für mich hatte.«

      Mike spürte wieder dieses seltsame Gefühl im Magen. Es war, als würden zwei Kugeln hin und her rollen und immer wieder aneinanderstoßen. Er schaute zu Ricky hinüber, aber der hatte den Kopf gesenkt und starrte auf den Fußboden.

      »In dieser Sache hängt ihr beide drin. Ricky wegen Drogen, du wegen Verkehrsgefährdung. Dazu der Widerstand, als man euch angehalten hat.«

      Mike wollte etwas einwenden, aber sein Dad hob die Hand.

      »Es gab zwei Möglichkeiten für euch«, fuhr er fort. »Entweder eine Anklage und eine Verhandlung vor einem Jugendrichter oder die freiwillige Teilnahme an einem Erziehungsprogramm. Staatsanwalt McCormick hat mit dem zuständigen Richter telefoniert, der sein Einverständnis gegeben hat. Ihr werdet an einem Erziehungsprogramm teilnehmen.«

      Mike atmete tief aus. Alles würde gut werden. Ein Erziehungsprogramm? Kein Problem, sie würden ein paar Wochen lang irgendeinen Kurs besuchen, über ihre Fehler sprechen, Rollenspiele und Übungen

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