Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung. Sandy Palmer
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Читать онлайн книгу Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung - Sandy Palmer страница 58
Von unten klopfte jemand empört an die Decke. Kein Wunder, es war schon nach 23 Uhr. Jetzt erst kam Heidi wieder zu sich. Ihr war, als sei sie geschlagen worden. Eben noch schockiert, erfüllte sie jetzt ein Zorn, der sie antrieb, die Wohnung zu verlassen. Sie ging nach draußen, wollte in ihr kleines Zimmer, wo sie an ihren Entwürfen arbeitete. Aber im Halbdunkel des Flurs stand er, versperrte ihr den Weg in dieses kleine Reich, das sie sich geschaffen hatte. Er stand breitbeinig vor der Tür, stemmte sich in die Türfüllung, als wollte er den Rahmen sprengen. Wirr hing ihm das blonde Haar in die Stirn. Aus rot unterlaufenen Augen starrte er sie an, und nichts erinnerte mehr an den netten, fröhlichen Jungen, der er einmal gewesen war. „Weg willst du! Jawohl, pack dein Zeug und verschwinde! Hau ab! Wälze dich in den Betten von anderen herum! Mach, dass du fortkommst! Aber lass dir ja nicht einfallen, jemals wieder zurückzukommen, nicht mehr hierher, nicht mehr zu mir! Scher dich zum Teufel!“ Er ging jetzt beiseite, trat die Tür auf, dass sie bis hinten anschlug und schrie: „Da, hol deinen Plunder und mach, dass du wegkommst! Zur Hölle mit dir! Ich habe eine Dirne zur Frau!“ Sie ging an ihm vorbei, ohne ein Wort zu sagen, nahm ihre Entwürfe, die auf dem Tisch lagen, sah sich um, ergriff ihre Handtasche, dann verließ sie das Zimmer, und noch immer stand er neben der Tür, starrte sie wütend an, und sein Atem ging hörbar laut.
Im Schlafzimmer stand ihr Koffer. Sie holte ihn, obgleich sie erst morgen hatte fahren wollen, nahm ihren Mantel und ging auf die Wohnungstür zu.
„Ja, hau nur ab! Geh zu deinen Freunden. Oder vielleicht willst du ein Freudenhaus eröffnen, ein Freudenhaus in Zürich!“ Er begann wieder schallend zu lachen. Sie drehte sich kurz um, maß ihn von oben bis unten und sagte dann leise: „O Dieter, dass es einmal so furchtbar enden würde, das hätte ich nie gedacht.“ Es würgte ihr in der Kehle. Sie konnte nicht weitersprechen, sie wandte sich ab, ging hinaus, aber weil der Lift nicht da war und sie nicht auf ihn warten wollte, benutzte sie die Treppe. Hoffentlich begegnet mir niemand, dachte sie, und hoffentlich schreit er nicht noch im Treppenhaus herum.
Aber genau das tat er. „Der Teufel soll dich holen!“, brüllte er von oben herunter. Dann begann er zu singen. Eine Tür klappte, und sie meinte schon, er wäre wieder zurück in die Wohnung gegangen, da hörte sie Wilfried Mauermanns Stimme, aber sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Doch dann antwortete Dieter. „Der Teufel wird sie holen. Sie treibt sich mit anderen Männern herum. Was habe ich nur für eine Frau?“
Wieder antwortete Mauermann etwas, dann klappte eine Tür. Mit einem Mal war es still. Heidi hörte nur noch ihre eigenen Schritte auf der Treppe. Dann endlich war sie unten, und sie atmete auf, niemand begegnet zu sein. Sie öffnete die Haustür, trat hinaus, und ein kühler Windstoß empfing sie. Auf der Straße war alles wie tot. Die parkenden Autos, die Laternen vor den Wohnblocks, die Lichterketten der erleuchteten Fenster. Drüben das Werk mit einer Lichtflut, die den Himmel erhellte.
Ich muss zur Telefonzelle, dachte sie. Ich werde ein Taxi anrufen und zum Bahnhof fahren, oder, was noch besser wäre, zu Veronika. Ihr Mann ist ja in Köln geblieben. Sie tat, was sie vorhatte, rief ein Taxi und hatte Glück. Zehn Minuten später kam es, fuhr an der Telefonzelle vor, und sie stieg ein. Kurze Zeit später war sie bei Veronika.
Sie atmete auf, als sie noch Licht am Haus sah. Und Veronika ließ sie auch sofort ein. Sie trug ein helles, mit Blumen bedrucktes Kleid, strahlte Heidi an, als hätte sie auf sie gewartet. Als sie aber die Koffer, den Mantel und die einfach unter den Arm gepressten Rollen mit den Entwürfen sah, fragte sie: „Ist bei euch eine Bombe geplatzt?“
„So kann man es sagen“, erwiderte Heidi, die sich schon wieder etwas beruhigt hatte. Wenig später saßen sie sich im behaglichen großen Wohnraum der Gstaads gegenüber.
„Jens war vorhin bei mir“, erklärte Veronika. „Mein Mann ist ja in Köln. Er ist jetzt alleine hingefahren. Dein Mann und sein Kollege Mauermann werden ja erst morgen Nachmittag dort erwartet.“
„Dieter war auch heute schon dort“, erklärte Heidi, und ihr war, als spräche sie von einem völlig Fremden. Veronika sah auf, blickte Heidi forschend an und fragte dann: „Du weißt also nichts. Ich habe gedacht, das wäre der Grund gewesen.“
„Was soll ich wissen? Wofür einen Grund?“
„Du bist doch hergekommen, weil du Krach hattest mit ihm, nicht wahr?"
„Ja, er kam vorhin nach Hause, angetrunken. Er ist in Köln gewesen. Und dann hat er mit einem Mal einen Knall bekommen, als er sah, dass ich wegfahren will. Ich sagte ihm, ich möchte nach Zürich. Da ist er verrückt geworden, hat mich angeschrien, da rumgegrölt; jedenfalls bin ich dann weg. Er hat gesagt, ich soll zum Teufel gehen. Und er hat gesagt, ich wäre eine Dirne. Und er wollte wissen, ob ich ein Freudenhaus eröffnen wolle. Mein Gott, ich schäme mich so. Er hat es im Haus herumgebrüllt. Um die Zeit, wo alles still ist, hat das doch jeder gehört. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder in dieses Haus gehen kann. Es war furchtbar.“ Heidi stützte den Kopf in die Hände, starrte auf die Tischplatte.
Veronika lehnte sich im Sessel zurück, schlug die Beine übereinander und fragte: „Könntest du dir vorstellen, dass dein verehrter Dieter ein Filou ist? Und er ist ein Filou. Er war nicht in Köln. Ich hatte gedacht, es ist der Grund, warum ihr euch zankt, der Grund, dass du dahintergekommen bist, was er eigentlich getrieben hat.“ Sie beugte sich vor und sagte eindringlich: „Heidi, warum bist du nicht heute gefahren, wie ich es dir gesagt hatte?“
Heidi blickte auf. „Warum sollte ich heute fahren? Wo liegt der Unterschied?“
„Es wäre nicht zu dieser Szene gekommen. Ich muss dir etwas sagen. Ich muss es dir sagen, jetzt, nach diesem Zwischenfall.“
„Nun rede doch endlich! Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Was ist passiert? Was war denn?“
Veronika zündete sich eine Zigarette an. Und erst als sie den Rauch ausblies, sagte sie: „Dein schöner Dieter hat eine kleine Freundin, ein kleines Liebchen. Meiner Schätzung nach ist sie zwanzig, einundzwanzig. Nicht unbedingt eine Schönheit, eher eine Mischung aus Baby Doll und Dummchen. Auf alle Fälle etwas, was manche Männer sehr mögen. Das geht schon eine ganze Weile. Ich weiß nicht, wie sie heißt, ich weiß nur, dass er schon eine ganze Weile mit ihr herumzieht. Sie trägt mit Vorliebe Jeans oder Miniröcke, obgleich die doch schon eine ganze Weile aus der Mode sind. Wie dem auch sei. Sie sind mir schon mehrmals begegnet. Das erste Mal rein zufällig auf dem Feldberg. Ich bin da mit Jens gewesen. Aber ich habe sie auch heute gesehen. Er hat offensichtlich keine Hemmungen, sich offen mit ihr zu zeigen. Sie waren auf dem HenningerTurm. Und dort oben habe ich sie abermals rein zufällig getroffen. Dann allerdings bin ich dir zuliebe auf ihrer Spur geblieben. Es gibt nichts Atemberaubendes von ihnen zu berichten. Sie sind zu zweit vor ein Stundenhotel gefahren, und dort gingen sie auch hinein, kamen dann nach etwa zwei Stunden wieder heraus, dann brachte er sie heim.“
„Wann? Heute?“, fragte Heidi verwirrt.
„Heute.“ Veronika lachte. „Das sind die Hüter der Moral. Die haben selbst den meisten Dreck am Stecken. Er hat sie also nach Hause gefahren, wie ich sagte. Sie wohnt in der Staufenstraße, in der Nähe vom Rothschildpark. Vielleicht kennst du sie sogar.“
„Jetzt, wo du sagst, wo sie wohnt, weiß ich, wer sie ist“, erwiderte Heidi. „Sie heißt Renate Friedländer. Sie arbeitet als Laborantin in derselben Abteilung wie mein Mann. Das ist das Mädchen, von der er mir gebeichtet hat, sie auf der Fete neulich geküsst zu haben. Und das hat mich ermutigt, auch ihm