Lese-Paket 1 für den Strand: Romane und Erzählungen zur Unterhaltung: 1000 Seiten Liebe, Schicksal, Humor, Spannung. Sandy Palmer
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„Dazu war er schon wieder zu groß“, behauptete Hans ganz einfach. Er hatte das mit Dr. Timmel abgesprochen. Diese Ausrede, von der sie beide wussten, dass es eine fromme Lüge war.
Sie lag in ihrem Bett wie Schneewittchen, von der sie sich nur durch ihr kupferrotes Haar unterschied. Aber sie war so schön und auch so blass wie die Heldin jenes alten Märchens.
Es ist mir unvorstellbar, dass sie sterben muss. Bei so vielen habe ich das schon gedacht. Aber es ist mir nie bis ins Herz gegangen. Keiner meiner Patienten, jung oder alt, von dem ich wusste, dass er bald sterben müsste, war mir so nahe wie Ingrid.
Sie ist mir so nahe nicht, dachte er. Im Grunde trennen uns Welten. Aber sie ist meine Frau. Sie ist meine Frau, bis dass der Tod uns scheidet. Er wird uns bald scheiden, dachte er. Aber ich darf es mir nicht anmerken lassen.
„Wann kann ich hier wieder raus?“, fragte Ingrid. Noch klang ihre Stimme fest. Trotz der Blässe wirkte sie kräftig. Aber er wusste ja, wie es weiterging. Noch war sie schlank, sah sie gut aus, hatte sie volles, lockiges Haar.
Er hätte aufstehen und weglaufen können, als er daran dachte, wie sich das alles bald ändern würde. Von den Kobaltstrahlen würde sie aufgedunsen wirken. Infolge der Chemotherapie kam es zu Haarausfall, zu Schleimhautschädigungen und vielen anderen Nebenerscheinungen wie Appetitlosigkeit und Durchfall. Trotzdem musste man alles versuchen, wollte man kein Mittel scheuen, um ihr Leben zu verlängern.
Er war noch nie ein guter Schauspieler gewesen, zumal Ingrid trotz aller Unterschiede, die sie beide trennten, ihn doch lange genug und gut genug kannte, um zu wissen, dass die Fröhlichkeit, die er ihr vorzeigte, gespielt war. Er ging auf das Fenster zu und sagte: „Ich nehme an, dass du in drei Wochen hier herauskannst, vielleicht sogar früher.“
„So lange?“, fragte sie zweifelnd.
„Nun ja, ich sage ja, es kann auch früher sein. Ich bin kein Gynäkologe. Das macht ja alles Timmel. Ich kann ihm nicht reinreden. Jedenfalls habe ich mich fest entschlossen, mit dir in Urlaub zu fahren. Ende September ist es besonders in Norditalien schön. Wir können auch nach Portugal fliegen. Was hältst du davon?“
„Oh, ich hätte daran schon Spaß“, meinte sie fröhlich. Aber dann, als er sich umdrehte und zum Fenster hinaus sah, wurde auch sie sehr ernst. Misstrauisch beobachtete sie ihn. Sie hatte längst Verdacht geschöpft. Aber sie ging auf das Spiel, das er ihr vormachte, ein, tat so, als ahne sie nichts. Und so spielten sie beide ihre Rolle, setzten, wenn sie sich anblickten, ihre Masken auf, und jeder machte dem anderen etwas vor. Doch als er ging, als er sich mit einem zärtlichen Kuss auf die Stirn von ihr verabschiedete wie von einem Kind, da blickte sie ihm nach, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie weinte nicht um sich. Sie weinte um die verlorene Zeit, um die Jahre an seiner Seite, da sie nie den Versuch gemacht hatte, ihn zu verstehen, aber auch darum, dass er ihr nie nähergekommen war. Im Grunde, dachte sie, als er die Tür hinter sich schloss, sind wir uns fremd geblieben all die Jahre. Wir haben nebeneinanderher gelebt. So richtig verstehen werde ich ihn wohl nicht mehr. Aber ich möchte ihm näherkommen. Ich hätte mich viel mehr für ihn interessieren müssen. Irgendetwas hat uns immer getrennt. Ich war viel zu oberflächlich. Vielleicht kommt es daher. Er macht mir etwas vor. Er belügt mich. Er heuchelt Fröhlichkeit, und es hängt mit meiner Krankheit zusammen. Es ist niemals im Leben ein harmloser Polyp gewesen. Sie bestrahlen mich. Und er denkt, ich bin so naiv, dass ich nicht begreife, warum sie das tun. Ich bin doch noch so jung, dachte sie. Warum muss ich sterben? Warum nur?
12
Heidi saß im Wohnzimmer und notierte etwas, als Dieter kam. Doch er ging vom Flur direkt ins Schlafzimmer. Sie hörte, dass er den Schrank aufschloss, um wohl seine Anzugjacke hineinzuhängen, wie er es immer tat. Nach einer ganzen Weile kam er wieder, den Kragen seines weißen Hemdes offen, die Ärmel hochgeschlagen, die Hände in den Taschen seiner dunkelgrauen Hose. Heidi brauchte nur einmal hinzusehen, um zu erkennen, dass diese Hose sehr zerknittert war. Einen Fleck entdeckte sie ebenfalls.
„Hallo!“, rief er. Und schon an der Art, wie er das sagte und wie er sie mit leicht geröteten Augen anblickte, erkannte sie, dass er getrunken zu haben schien.
Warum auch nicht?, dachte sie. Er ist ja mit dem Zug gefahren und eben mit dem Taxi gekommen. Vielleicht haben sie im Speisewagen noch etwas getrunken. Sie kannte ja Dr. Gstaad, der ein großer Freund von alkoholischen Getränken war.
Er setzte sich ihr gegenüber, blickte auf den Zettel, den sie vor sich liegen hatte und fragte: „Was schreibst du da?“
„Ich habe mir notiert, was ich nach Zürich mitnehmen muss. Ich wollte nur noch auf dich warten. Ich muss einmal nach Zürich fahren, Kunden besuchen, Entwürfe vorlegen.“
Sein eben noch fröhliches Gesicht wurde schlagartig ernst. Er blickte sie aus schmalen Augen zweifelnd an. Sie begriff angesichts der Miene, die er machte, dass er ihr kein Wort glaubte. Aber er schwieg. Er sah sie nur an, und sie sagte: „Ich fahre wirklich nach Zürich. Ich kann mir vorstellen, was du wieder denkst. Aber das ist nicht.“ Sie griff über den Tisch hinweg, nahm seine Hand und drückte sie. Während sie ihn beschwörend ansah, sagte sie: „Dieter, ich will Abstand gewinnen. Ich möchte einmal zu mir selbst kommen. Und ich will, dass wir beide wieder richtig zueinander finden. Das geht nur, wenn ich einmal eine Weile ganz für mich allein war.“
„Ich bin ja nicht von dir weggelaufen“, sagte er rau, entzog ihr die Hand, lehnte sich zurück und blickte sie spöttisch an. „Du willst mir doch nicht verkaufen, dass du nach Zürich fährst.“
„Mein Gott, ich habe die Fahrkarte schon. Ich kann sie dir zeigen, bitte.“ Sie stand auf und wollte ihr Handtäschchen holen. Dazu musste sie an ihm vorbei. Als sie mit ihm auf gleicher Höhe war, da ergriff er plötzlich ihr rechtes Handgelenk, hielt sie fest, wirbelte sie herum und packte sie so hart, dass sie aufschrie. „Du tust mir weh, Dieter. Bitte, lass los!“ Sie versuchte, sich von seinem Griff zu befreien, aber er fasste nur um so härter zu. Und dann sagte er: „Du möchtest gerne wegfliegen, nicht wahr? Möchtest diesen Kerl wiedertreffen, mit ihm ins Bett gehen! Gib doch zu, dass du mit ihm im Bett warst. Gib es doch zu! Von wegen, nur geküsst! Glaubst du, ich ziehe die Hose mit der Beißzange an? Das kannst du doch einem Schwachsinnigen erklären, nur nicht mir.“
Ihr war, als hätte er sie mit eiskaltem Wasser übergossen. Sie fühlte sich derart schockiert, dass sie außerstande war, ihm zu antworten. Sie stand einfach da, starrte ihn an, und er ließ jetzt ihr Handgelenk los, dass ihr Arm schlaff herunterfiel, als wäre er ohne Kraft.
„Weißt du, was du bist?“, fuhr er sie an, „ein ganz gemeines Stück Dreck bist du! Eine Dirne bist du! Eine, die mit jedem Penner, dem sie begegnet, ins Bett steigt, ohne dass sie überhaupt weiß, wer es ist.“
Es verschlug ihr die Sprache. Bis ins Mark erschüttert, ja, sogar angeekelt, starrte sie ihn an, machte einen Schritt nach rückwärts, noch einen, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß. So blieb sie stehen, während