Alter Mann im Bus. Bernhard Weiland

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Alter Mann im Bus - Bernhard Weiland

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lerne ich: Trinke wenig, unterwegs sind die Möglichkeiten, eine Toilette zu benutzen oder ersatzweise ein verborgenes Plätzchen hinter einem dichten Gebüsch zu finden, rar. Oder es gibt schlichtweg keine. Oder du weißt nicht, wo sich eine befindet. Oder die Zeit ist zu kurz. Also lass das Trinken ganz. So ungesund kann Reisen sein.

      Reisender ohne Wohnung

      In Springe stehe ich am Bahnhof und warte auf eine für mich nützliche Verbindung. Ein Radfahrer, dunkel gekleidet, schwarzes Mountainbike, schwarze regendichte Packtaschen des Marktführers für regendichte Packtaschen, alles akkurat und sauber verschnürt und verstaut, schiebt seinen robusten Drahtesel unschlüssig die Haltestelle hin und her. Er suche den nächsten Supermarkt, spricht er mich an. Er sei schon mal da gewesen, finde ihn jetzt aber nicht wieder. Da bin ich als fremder Durchreisender auch überfragt. Ich bewundere seine Wetterstandhaftigkeit und frage nach woher und wohin. Das kann er nicht genau beantworten. Er sei wohnungslos und kenne sich in den Waldgebieten am Deister mit Schutzhütten ganz gut aus, antwortet er lapidar. Irritiert verabschiede ich mich. Die nächsten Tage ist ein heftiger Sturm mit ergiebigem Regen angesagt. Mich fröstelt bei dem Gedanken, bei dieser kühlen Witterung in einer offenen zugigen Holzhütte einsam im Wald übernachten zu müssen.

      Am Schulzentrum in Bad Münder ist dann wieder Umsteigen angesagt. Endstation. Der Busfahrer kann mir zum Anschlussbus keine handfesten Informationen mit auf den Weg geben. So unterbreche ich an der Haltestelle die lebhafte Kommunikation auf ihren Bus wartender Schüler*innen und frage nach dem Bushalt und der Abfahrtszeit meiner nächsten Linie nach Hameln. Ratlose Teeniegesichter. Ich solle doch gegenüber auf den Fahrplan gucken. Würde ich auch, wenn es dort einen gäbe. Ach so. Na ja, der müßte so nach der sechsten Stunde abfahren. Wann das denn sei nach der sechsten Stunde? Diese Zeitangabe kann ich von meiner Uhr nicht ablesen. Die genuschelte Antwort hilft mir nicht weiter. Zu weit auseinander liegen unsere Lebens- und damit Sprachwelten. Ein Milchgesicht schafft es dann doch, mir höflich und korrekt den Weg zur nächsten Haltestelle zu weisen.

      Da habe ich sogar noch Muße, 50 Minuten mit der Suche nach der Haltestelle und dem Erwerb und Verzehr einer Bratwurst an einer Grillbude am nahen Baumarkt zu überbrücken. Über dem Imbiss kreisen die ersten Kraniche, trompetende Vorboten des Frühlings. Den Rest der Zeit starre ich von der Haltestelle aus auf die gegenüberliegende gesichtlose Rückwand eines Supermarkts, belästigt vom andauernden Lärm der Hauptverkehrsstraße. In Hameln entfällt wegen der Verzögerung vorhin in Pattensen für mich die eingeplante Mittagspause. Aber ich hatte ja schon eine Bratwurst. Die muss reichen.

      Zugehört

      Das folgende Gespräch habe ich auf der Reise belauscht, aus dem Gedächtnis notiert und mit ein wenig Fantasie dramatisiert.

      Ich gebe ihm die Überschrift:

      Ein Ööjro

      Die Szenerie:

      Verkaufsgespräch an einem Bratwurstimbissstand.

      Die Kulisse:

      An der Zufahrt zu einem weiträumigen Parkplatz vor einem weiträumigen Supermarkt am Rande einer weiträumigen Kleinstadt. Der Parkplatz ist weiträumig leer. Kurz gesagt, es ist weiträumig wenig los hier im Gewerbegebiet.

      Und so läuft es ab:

      Ein Kunde nähert sich der Wurstbraterei. Er ist der einzige Mensch weit und breit mit Interesse an deutschem Grillgut. Der Kunde studiert aufmerksam das Sortiment. Aufgeführt sind Brathänchen ohne h hinter dem ä und Bratwurst. Das ist alles. Das Sortimentstudium der doch so unterschiedlichen Spezialitäten dauert eine Weile. Dann scheint die Entscheidung gefallen, die Auswahl getroffen. Der Kunde erkundigt sich. Er hat da eine Frage und erhebt seine Stimme nach oben, gen Verkaufsraum:

      “Hallo … ich hätt gern eine Bratwurst …was ham sie fürne Bratwurst wasis das?“

      “Ein Ööijro,“ lautet die schnell gebrummte Antwort. Der Kunde ist sichtbar beeindruckt und fragt passend weiter:

      -“Ein Euro? Ja und was is da so drin? Schweinefleisch oder Rindfleisch?“ Diesmal dauert es eine Weile, bevor die informative Antwort eindeutig ausfällt:

      -“Ja, Schueine.“ Der Kunde scheint beglückt:

      “Schweinefleisch! Ja dann is gut.“

      Um den Faden des Gesprächs und den Kunden nicht zu verlieren, lautet die schnell anschließende kundenorientierte Verkaufsfrage des vermutlich türkischen Schweinefleischverkäufers:

      “Und? Sönf?“

      Der deutsche Kunde scheint zunächst überrascht, hat er doch noch gar keinen Auftrag erteilt. Er fängt sich aber schnell und fährt mit seiner Produktrecherche fort:

      “Senf auch bitte, jaha …und, wo ist die gemacht, die Wurst?“

      Wahrscheinlich würde ihm, wie er da so steht, den Blick immer noch leicht nach oben in die Grillhütte gewandt, die ungefähre Nennung des Erdteils der Herkunft schon genügen. Der Chefkoch aber steht beschäftigt am Grill und läßt sich keine Antwort entlocken. Wer gibt auch schon gerne Produktionsgeheimnisse preis. Der deutsche Zutatenforscher aber läßt nicht locker:

      “Wo ist die her die Wurst? Ham sie einen bestimmten Fleischer, wo sie die einkaufen, oder?“ Prompt schallt es aus Richtung des Edelstahlgrills:

      “Na einkaufen - da - einfach so.“

      Na klar, einfach so. Wie auch sonst. Die Frage wäre geklärt. Da landet die Bratwurst unbestimmter Herkunft schon mit einem geschickten Grillzangenwurf auf der mit einem Klacks gelben Senfs kunstvoll verzierten Pappe. Bloß den Kunden nicht warten lassen!

      “Einfach einkaufen so? Okäj … ja danke.“

      Von der plumpen Verkaufsstrategie des vermutlich mit allen Wassern gewaschenen Grillkünstlers überrumpelt, zählt der Kunde bereits den ausgepreisten Betrag ab.

      Die Münzen fallen klappernd auf den schmalen gläsernen Verkaufstresen. Grillgut und Geld werden getauscht. Der Kunde betrachtet den braun gegarten Darm:

      “Ja, danke, super.“

      Der Verkäufer ist sichtlich erleichtert über den erfolgreichen Handel und schiebt noch eine Zugabe, die er eigentlich nur für Stammkunden bereithält, hinterher:

      „Son bisschen Bruoot?“-

      Der Kunde ist erfreut über das unerwartete Schnäppchen und ruft glücklich überrascht:

      “Brot? Ja super das ist nich schlecht. Brot is immer gut.“

      In diesem Moment wird das angeregte und tiefschürfende Gespräch zwischen Angebot und Nachfrage von intensiven und langanhaltenden Hupgeräuschen im Hintergrund unterbrochen.

      “Halloo!“

      schimpft der Küchenmeister in Richtung der um Verkehrsraum streitenden PKW-Fahrer. Diesen nicht für möglich gehaltenen emotionalen Ausbruch seines Geschäftspartners hält der noch kauende Kunde für das Angebot, den angeregten Gedankenaustausch weiter zu führen:

      “Na der hats aber eilich ne … und lohnt sich das hier für sie?“

      Diese geschickte, einmal um die Ecke gelenkte Fragestellung, überfordert den Hähnchenbräter.

      “Bitte?“

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