Alter Mann im Bus. Bernhard Weiland

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Alter Mann im Bus - Bernhard Weiland

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style="font-size:15px;">      Also mache ich das Beste daraus. Ich genehmige mir eine Tages-Privatkur in der gut geheizten kleinen Solebadeanstalt, dem zentralen Therapiezentrum dieses beschaulichen und überschaubaren Ortes mit kleinstädtischem Charme. Meine Anwendungen gestalte ich in Eigenregie selbst mit ChiGong, mir kürzlich auf Kassenkosten aufgetragenen physiotherapeutischen Übungen gegen die Blockierung meines Iliosakralgelenks, heftigen heißen Soledampfinhalationen und "Totem Mann" auf dem hochkonzentrierten Salzwasser des Badebeckens. Natürlich gibt es danach als Belohnung Sahnetorte mit extrastarkem schwarzem Heißgetränk im Park-Café und abends budgetentlastend Discounter-Kost in meiner von Handwerkern bevölkerten gemütlichen Pension.

      Zwei Postkarten müssen noch auf den Weg gebracht werden. Ich sende sie regelmäßig von unterwegs an meine kleinen Enkel. Von einem Kiosk, der keine Touristenware im Sortiment hat, werde ich zu einer Buchhandlung geschickt. Ein altertümlicher Leuchtkasten über dem Eingang trägt den Namen Eugen B. in einem nicht mehr gebräuchlichen Schriftfont. Im selben althergebrachten Stil verkünden die Schaufenster ‚Papierwarenhandlung‘ und ‚Buchhandlung‘ in einem. Ich betrete einen bis zum letzten Quadratmilimeter von oben bis unten vollgepackten Verkaufsraum und fühle mich in eine vergangene Zeit versetzt.

      Feuerzeuge, Tornister, Bücher, Schreibwaren, Taschenlampen, Zeitungen, Postkarten, Druckerpatronen und Wundertüten. Wo gibt es denn heute noch Wundertüten? In Bad Laer, im überquellenden Sortiment und Sammelsurium von Eugen B. Zwei Mädchen, vom Alter her erste Grundschulklasse, suchen sich gegenseitig beratschlagend Devotionalien in Form moderner Heldenfiguren aus, die wohl gerade ‚in’ sein müssen. Sie finden etwas, Material Plastik, Farbe Pink, das wohl ihrem Taschengeldbudget entspricht. Die Euro-Münzen in die kleinen Hände gepresst stellen sie sich zum Bezahlen an. Ein Bild aus meiner Kindheit schiebt sich über diese Szenerie. Ich sehe mich, Wundertüten sorgfältig auswählend, befühlend, in der Hoffnung, einen Löwen oder gar Elefanten aus Plastik zu finden. Meistens wurde ich enttäuscht. Dennoch wiederholte ich diesen Nervenkitzel bei der nächsten finanziellen Zuwendung. Zurück in die Gegenwart. Die Ladenbesitzerin nimmt gerade per Telefon einen Suchauftrag nach einem Buch an. Ihre Mutter, augenscheinlich schon weit im Rentenalter, prüft derweil an der Kasse ausführlich die Funktionsfähigkeit eines Stempels. Der ganze Laden atmet diese Bedächtigkeit, mit der sie ihre Verrichtungen vornimmt. Der ‚Stempelkunde‘ wartet geduldig. Und die hinter ihm in der Reihe Wartenden ebenso. Am Ende derselben auch ich. Man stelle sich das einmal an der Kasse irgendeines Discounters vor. Längst hätte da schon einer der wenigen wartenden Männer unter den Frauen aus dem Hintergrund nach der Öffnung der nächsten Kasse gebölkt.

      Am nächsten Morgen erwache ich mit einer starken Erkältung und schleppe mich mit dieser und anderen erkälteten Menschen gemeinsam im öffentlichen Nahverkehr nach Osnabrück, um von dort per Intercity zügig zurück nach Hannover und ins traute Heim zu gelangen. Trotz der gestern gründlich eingeatmeten soleträchtigen gesundheitsfördernden Atemluft meldet meine Nase: Habe geschlossen. So wie Eis-Café und Wetter auch. Dumm gelaufen.

      Nachrichten aus Hannover, Deutschland und der Welt:

      Während einer der zahlreichen Messen in Hannover kostet ein Hotel-Zimmer über 500,- €. Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung kräftig wachsen und Peugeot garantiert die übernommenen Opel-Jobs in Deutschland. In Afrika droht 1,4 Millionen Kindern der Hungertod.

      traumbild

      ich fahre mit dem rad einen schmalen sandigen naturweg in eine weite grüne grassteppe hinein beidseitig ragt zum teil menschenhohes gras über den wegesrand ab und zu unterbrochen von frischem buschwerk entfernt im hintergrund kontrastiert von einem dunklen wald in grauem feuchtmattem nebel von links nach rechts über den gesamten horizont reichend vielleicht so etwas wie ein regenwald es ist diesig keine sonne dringt herab kein wind weht.

      näher kommend erkenne ich am waldesrand viele schwarzweißborkige birken der wald wird wohl doch kein regenwald sein die birken sind krumm und schief gewachsen alle miteinander als wäre es ihre art wie sie sich schlangenförmig hin und her windend nach oben strecken dann weiß ich nicht weiter soll ich nun nach links oder wieder nach rechts fahren oder wohin aber ich fahre weiter und kann den wald doch nicht erreichen

      überhaupt nicht. nie und nimmer.

      4.Etappe

      Zum Mittelpunkt Deutschlands, zum Hainich und weiter nach Bamberg

      30.März – 4.April

      Reiseverlauf

      Diese vierte Reiseetappe führt mich von Sachsen-Anhalt durch Thüringen nach Bayern, von Wernigerode durch den Harz, am Rande des Eichsfelds entlang, den Thüringer Wald hinein und dann bis nach Bamberg im Fränkischen. Dabei lege ich in dreizehn Linien des ÖPNV und zwei Regionalbahnen einen Fahrtweg von ca. 390 Kilometern in insgesamt 12: 44 Std. zurück. Dazu kommt ein Fußweg von 7,8 km. (Weitere Daten befinden sich im Anhang!).

      Höchste Eisenbahn

      So geht Nostalgie. Ich kaufe mir in Wernigerode am Schalter eine Fahrkarte nach Nordhausen. Die Harzquerbahn soll mich durch Wälder und über Höhen auf die gegenüberliegende, die westliche Seite des Mittelgebirges bringen. Am Bahnhof stehen schon schnaufend, zischend und aus Schloten und Ventilen dampfend drei schwarze Ungetüme. Eines wird die am Bahnsteig wartenden musealen Waggons über beschwerliche Anstiege des Harzes ziehen. In einem nehme ich Platz auf einer der simplen kunststoffüberzogenen Sitzbänke. Es ist ein wenig wie in meiner Kindheitszeit. Eine Reise mit der Eisenbahn war in den fünfziger Jahren des 20.Jahrhunderts noch etwas Besonderes, die rauchende Dampflokomotive ein Erlebnis. Öffnete man allerdings während der Fahrt die Schiebefenster - so etwas war damals noch möglich -, blies der Fahrtwind ein unangenehmes Luftgemisch herein. Es roch nach verbrannter Kohle und nach Schwefel, dem Rauch aus dem Brennkessel der Dampfmaschine, angereichert mit rußigen Flocken. Nach der Fahrt war immer eine Gesichts- und Halswaschung angesagt. Vor dem Herauslehnen aus dem Fenster wurde mit kleinen emaillierten Schildchen in mehreren Sprachen schwarz auf weiß gewarnt. Die in meinen Ohren klangvollste Warnung erinnere ich noch heute: 'É pericoloso sporgersi'. Bella italia!

      In der Harzquerbahn heute ist alles noch ein wenig wie vor vielen Jahrzehnten. Nur dieses Schild fehlt. Doch gibt es noch eine Plattform vor dem Zugang zum Passagierraum, dort, wo die Waggons aneinandergekoppelt sind und wo man auf klingenden Metallstufen zusteigt. Der Aufenthalt während der Fahrt sei hier untersagt, mahnt ein Schild. Das wäre aber auch unangenehm. Hier würden alle Sinne außerordentlich gefordert. Das Schlackern und Ruckeln, das Ziehen und Drücken, das Aneinanderschlagen der eisernen Pufferteller der Waggons würfe den Körper hin und her, hielte man sich nicht ordentlich fest. Auch drinnen, dort wo ich sitze, ist die alte mechanische Technik noch heftig spürbar. Es rattert, quietscht, pfeift, kracht, schlägt immer wieder rhythmisch über die Verbindungsstellen der Geleise. Es schnauft, zischt, ruckelt und zuckelt, klappert, ächzt und scheppert. Regelmäßig wird der Blick nach draußen vom ausgestoßenen Wasserdampf des Kessels der Lok vernebelt. Warum sitze ich auch gleich im ersten Wagen, nur getrennt vom Gepäckwagen, hinter der Zugmaschine? Irgendwann schließe ich die Tür zur äußeren Plattform. Dadurch wird es zwar nicht ruhiger. Aber der Geruch - oder soll ich sagen: Gestank - aus dem Schlot der Rauchkammer wird ein wenig ausgesperrt. Also besser auch die Fenster geschlossen halten. Natürlich benutze ich das nostalgische Kloabteil, nur um durch die Klobrille auf die vorbeisausenden Bahnschwellen schauen zu können. Benutzung nur während der Fahrt gestattet. Also muss ich auch mal während der Fahrt. Muss sein, ehrlich.

      In Drei Annen Hohne steigt die Hälfte der wenigen Passagiere in die Brockenbahn um. Sie wollen noch höher hinauf, ich geplant hinunter. Am Bahnhof Eisfelder Talmühle darf die Lok nach getaner Schwerstarbeit ausschnaufen. Sie wird noch ein wenig vom schwarz gewandeten Lokomotivführer getätschelt und mit frischem Öl versorgt. Das könnte Lukas sein. Fehlt nur noch Jim Knopf. Ich steige um in den schmucklosen Triebwagen, der mich auf den

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