Roter Mond. Miranda Gray

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Roter Mond - Miranda Gray

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rascher Folge wechselten die Bilder; eine kleine Menschengruppe, die einen Graben mit Geweihschaufeln aushob; Wälder, die den Platz der Menschen einnahmen; Eis und Schnee, die in weißen Wellen das Land rein scheuerten. Wälder, Flüsse, Ozeane und Wüsten erstanden und vergingen, und immer schien darüber derselbe Mond. Land hob sich aus uranfänglichen Wassern, und für einen Moment erfasste dieser kleine Bewusstseinsfunke, der immer noch Eva war, das ungeheure Alter des Mondes und seine stille Begleitung all dessen, was gelebt hatte.

      Aus dem Mittelpunkt der Schöpfung wirbelte die Zeit der Zukunft entgegen und nahm Evas Bewusstsein mit sich. Unter ihrem Blick tauchten im Vollmondlicht die ersten Landgeschöpfe aus ihren Geburtswassern auf. Eine Äffin saß hoch oben in den Zweigen eines Baumes und griff mit den Händen nach dem leuchtenden Gesicht des Mondes, und eine nackte und tätowierte Höhlenfrau saß kauernd und hob ihm ihr neugeborenes Kind entgegen. Eva sah, wie eine weiß gewandete Priesterin vor einem silbernen Spiegel Räucherwerk in eine golden schimmernde Schale streute, und ein kleines Mädchen mit dunklem Haar beugte sich aus dem Fenster und blickte zum Mond hinauf.

      Noch immer in die Schleier des silbrigen Lichts gehüllt spürte Eva, wie sich die zarten Ranken der Zeit von ihrem Bewusstsein lösten, aber der Faden des Lebens, der sie mit den anderen Mondbetrachterinnen verband, blieb. Sie war mit all diesen Frauen verwandt, Teil einer Schwesternschaft, die vom Mond berührt worden war, und viele hatten auf diese Berührung geantwortet. Mochten sich auch überall auf der Welt Land, Sprache und Kultur voneinander unterscheiden, so blickten sie doch alle zu demselben Mond hinauf, waren sie alle durch sein Licht und seine Gezeiten miteinander verbunden.

      Eva empfand sich in dieser Vision vom Mond und dem Wandel der Zeiten als klein und unbedeutend, aber auch als Teil von etwas Besonderem, das über ihr Alltagsleben hinausging. Sie streckte die Hand aus, als wollte sie den Mond berühren: »Begleiter der Frauen, wache über mich!«, flüsterte sie leise. Sie war sich nicht sicher, warum sie es sagte, verspürte aber ein merkwürdiges Bedürfnis, dieser plötzlichen Verbindung mit dem Mond, die sie in sich fühlte, Ausdruck zu geben. Sie hörte ihre Eltern, gleichsam wie in einer anderen Welt, den Fernseher ausschalten und sah, wie die Lichter im Haus verlöschten. Obwohl sie den Wunsch hatte, die ganze Nacht mit dem Mond aufzubleiben, machte sich doch eine Schläfrigkeit am Rande ihres Bewusstseins bemerkbar, und widerstrebend kehrte sie in ihr Bett zurück. In die Bettdecke eingehüllt, sah sie dem Mond zu, bis ihre Augenlider so schwer wurden, dass sie die Augen nicht länger offen halten konnte.

      Furcht durchdrang stoßweise ihr schlafendes Bewusstsein. Etwas Böses jagte ihr im Dunkeln nach. Eva rannte blind durch dunkle Gebilde, Entsetzen stieg in ihr hoch, ein Schrei bildete sich in ihrer Kehle, den sie nicht auszustoßen vermochte. Sie wusste nicht, wovor sie wegrannte, sie wusste nicht, ob es eine Gestalt hatte, ob es ein Gespenst oder ein Geist war, aber sie wusste, dass diese Angst aus dem Innersten ihres Wesens kam. Äste und Zweige zerkratzten ihr Gesicht und Hände, während sie sich durch ein verfilztes Walddickicht kämpfte. Es kam näher. Eva fühlte, wie ihr diese abscheuliche Präsenz nachsetzte.

      Der durchdringende Ton eines Jagdhorns durchstieß die schweigende Nacht, und für einen Moment hielt Eva inne, rang keuchend nach Atem, unsicher, in welche Richtung sie rennen sollte. Aus den Augenwinkeln sah sie einen Schatten rasch auf sie zukommen. »Zu spät!«, schrie sie innerlich auf, als sie sich mit einer Kehrtwendung ins Unterholz stürzte. Dornen rissen an ihren Kleidern und zerkratzten ihre Beine, als sie sich mühsam ihren Weg bahnte. In wilder Panik warf sie einen Blick zurück und glaubte zu erkennen, wie sich noch zwei weitere grässliche Schatten dem ersten zugesellten. Verzweifelt schlug sie gegen das Gebüsch; aber je stärker sie sich durchzuzwängen bemühte, desto enger hielt sie das Dornengestrüpp fest. Sie saß in der Falle, und das Entsetzen brach durch. Wimmernd kauerte sie sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Inbrünstig betete sie darum, dass sie sie nicht fänden, aber kurz durch die Finger blinzelnd sah sie, dass sie sich zielstrebig auf sie zubewegten. Sie kniff die Augen noch fester zusammen und schluchzte.

      Plötzlich schien ein glänzend weißes Licht vor ihr aufzustrahlen, das sie als brennend roten Schein hinter ihren geschlossenen Augenlidern wahrnahm. Sie riss entsetzt die Augen auf und sah die geisthafte Gestalt einer Frau inmitten dieses Lichts, die sich den Schatten zuzuwenden schien. Die Frau hob die Arme und rief einen einzigen Befehl, der die schrecklichen Schatten geduckt ins Dunkel zurückschleichen ließ. Die Frau neigte den Kopf, als lausche sie auf etwas, und Eva vernahm den fernen Klang des Jagdhorns, das weit weg nun zum Rückzug blies. Schließlich wandte sich die Frau Eva zu, während ihre schimmernde Aura langsam verblasste und sie nun groß und hell unter dem silbernen Licht des Vollmonds stand. In Eva trat Verwunderung an die Stelle von Furcht. Behutsam machte sie sich von den Dornen los und streckte ihre Finger aus, um die ausgestreckte Hand der Herrin des Mondes zu berühren.

      Die Herrin des Mondes lächelte: »Willkommen, Kind.« Und es schien, als hallte das Echo der Stimmen von Millionen von Frauen in Evas Seele wider. Sie glaubte, nie zuvor eine so schöne Frau gesehen zu haben, eine so geschmeidige silberweiße Haut und Augen, in denen sich das Mondlicht spiegelte. Sie trug ein langes, blassblaues Gewand und einen Überwurf um die Schultern, der von einer ziselierten Silberbrosche zusammengehalten wurde. Ihr langes Haar hing hell und lose den Rücken herab, und ein einfaches Stirnband schlang sich um ihre Stirn. Eva fühlte sich in ihrer Gegenwart sicher, und ein Gefühl überkam sie, dass sie diese Dame schon ihr Leben lang kannte. Die Herrin des Mondes führte Eva aus dem Unterholz heraus, und sie wanderten unter silberüberströmten Bäumen, als die Dame mit der sanften, musikalischen Stimme eines klaren sprudelnden Quells zu sprechen begann.

      »Das ist eine ganz besondere Nacht für dich. Das Rad des Lebens dreht sich nun vom Kindsein weiter zum Frausein. Meine Schwestern und ich werden dich durch diese Nacht führen, und obgleich du vielleicht nicht alles, was du siehst und fühlst, während du zu einer Frau wirst, verstehen wirst, wirst du doch wenigstens anfangen zu verstehen.

      Wenn du ein Kind bist, fließen deine Energien auf lineare Weise. Sie fließen ständig auf ein einziges Ziel zu, und dieses Ziel ist, geistig und physisch von einem kleinen Kind zur Erwachsenen heranzuwachsen. Auf diesem Weg verändern sich auch die Energien vom Linearen zum Zyklischen. Dann folgen deine Energien einem Rhythmus, der sich einmal im Monat wiederholt. Dieser Rhythmus wird für dich seine ganz persönliche Färbung annehmen. Ich bin hier, um dir zu helfen, dass du zu einem Bewusstsein darüber gelangen und diese verschiedenen Energien erspüren kannst.«

      Ihr Spaziergang hatte sie zu einer kleinen Waldlichtung geführt, und als Eva zum Mond hinaufsah, nahm ihr das Entzücken über den Anblick der Myriaden diamantener, auf den Wellen der Nacht tanzender Sterne fast den Atem. Für einen Moment tat sich der Himmel in seiner Tiefe auf, und sie blickte weit in die grenzenlose Unermesslichkeit des Universums hinein.

      »Als Frau bist du mit den kleinen und großen Rhythmen und Pulsschlägen des Universums verbunden.« Die Worte der Herrin des Mondes fielen als Flüstern in die ungeheure Weite des Raumes. »Seit unendlich langer Zeit, Generationen um Generationen, waren Frauen das Bindeglied zwischen Mensch und Universum. Mit der ersten Menstruation nahmen die Äffinnen eine andere Entwicklung als der Rest des Tierreiches, und jede Blutung wurde zu einer mit den Rhythmen des Kosmos übereinklingenden Uhr.«

      Die Worte zupften an Evas Seele und weckten in ihr die Sehnsucht, den Begrenzungen des Körpers zu entfliehen und sich mit dem Wandel der Sterne zu vereinen. Ein Schauer durchbebte ihr Rückgrat, und wie Wellen sich in einem Teich ausbreiten, erzitterte die Szenerie vor ihren Augen und verwandelte sich.

      Eva fand sich in einem riesigen dunklen runden Raum wieder, dessen Boden mit weißen und schwarzen Kacheln ausgelegt war. Im Zentrum des Raumes standen

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