Roter Mond. Miranda Gray

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Roter Mond - Miranda Gray

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von Eva abgewandt. Eva ging auf die Frau zu und merkte, dass die Herrin des Mondes ihr folgte.

      Auf einem massiven holzgeschnitzten Thron saß eine Frau von unbeschreiblicher Schönheit. Sie war in ein Gewand von fließender Seide gehüllt, ihr feines langes Haar fiel locker bis zum Boden herab und schien dort über und zwischen den Kacheln weiterzuwachsen. Zunächst sah es so aus, als sei sie von Kopf bis Fuß in den feinsten silbrigen Schleier gehüllt, bestickt mit zahlreichen schimmernden Juwelen. Bei näherer Betrachtung konnte Eva aber erkennen, dass diese Edelsteine in Wirklichkeit winzige Spinnen waren, die geschäftig an dem Schleier woben. Das Gesicht der Dame war still und heiter, und sie blickte in eine aus Silber geschmiedete, mit kristallklarem Wasser gefüllte Schale, die sie auf ihrem Schoß hielt. Eine tiefe Stille umgab sie, so als sei sie selbst zeitlos. Ihre Hände ruhten sanft auf dem Rand der Schale, und aus einem Schnitt an einer ihrer Fingerspitzen quoll ein kleiner hellroter Blutstropfen hervor. Eva sah zu, wie dieser Blutstropfen ins Wasser fiel, das sich sofort rot verfärbte.

      »Wer ist sie?«, fragte Eva.

      »Sie ist die Bewahrerin des Maßes«, antwortete die Herrin des Mondes. »Jeder Tropfen Blut ist ein Neumond und jede Träne ein Vollmond.«

      Unter den langen Augenwimpern der Dame sammelte sich eine einzige Träne, löste sich und rann ihre Wange hinab.

      »Wie lange ist sie schon hier?«

      »Seit das erste weibliche Wesen zu bluten anfing. In aller Zeit sitzt sie hier an diesem Ort, zählt die Rhythmen des Mondes und bemisst den Zyklus der Frauen. Frauen haben eine andere Zeit als Männer. Männer folgen der Sonne, während wir dem Muster des Mondes folgen. Von den Frauen kam das erste Zeitmaß.«

      Die Herrin des Mondes ergriff Evas Hand und führte sie durch eine Eichentür hinaus. Draußen war der Wald durch das Licht des Vollmondes erhellt, und Eva sah, als sie sich umwandte, dass sie eine große runde Hütte mit einem kegelförmigen strohgedeckten Dach, das wie ein Hügel hoch in die Nacht hinaufragte, verlassen hatten. Die Herrin des Mondes schloss die Tür, bückte sich und pflückte eine Rose von einem Busch neben dem Türrahmen. Sie reichte sie Eva hin.

      »Ein Geschenk von der Bewahrerin des Maßes.«

      Die Rose erstrahlte im Mondlicht in reinem Weiß, aber als Eva sie am Stiel hielt, verfärbte sie sich in ihrer Mitte rot, und nach und nach breitete sich die Farbe über alle Blütenblätter aus. Rhythmisch wechselte die Blume immer wieder von Rot zu Weiß zu Rot. Fragend blickte Eva auf und bemerkte, dass der Mond sich inzwischen verändert hatte. Es war Vollmond gewesen, doch jetzt sah sie einen abnehmenden Mond. Und nun wurde er zum dunklen Neumond, und dann erschien die Sichel des zunehmenden Mondes. Immer schneller durchlief der Mond alle seine Phasen, und ebenso wechselte die Blume in Evas Hand zyklisch ihre Farbe. Manchmal stand die weiße Rose in Übereinklang mit dem Vollmond und manchmal die rote. Eva verfolgte dieses Muster und bemerkte, dass der Zyklus der Blume zwischen Vollmond und Neumond hin- und herpendelte.

      Sie berührte mit dem Finger sanft die pulsierende Blume, und plötzlich wurden aus den weißen Blütenblättern blütenweiche Federn, die sich in die Lüfte erhoben. Überrascht lachte Eva auf, als eine weiße Taube hoch in den dunklen Himmel aufstieg.

      »Solange du im gebärfähigen Alter bist, wird dein Rhythmus dein Begleiter sein. Manchmal wird er mit dem Mondzyklus übereinstimmen, manchmal wird er länger, manchmal kürzer sein. Du wirst bei Vollmond bluten und vielleicht zuweilen bei Neumond. Alles das ist natürlich. Du bist dein eigener Rhythmus und es ist dein eigener Zyklus, den du verstehen und akzeptieren musst. Alle Frauen sind durch die Geschichte hindurch über die Rhythmen des Mondes miteinander verbunden.« Wieder fühlte Eva diese Schwesternschaft mit den Frauen prähistorischer Zeiten und ihrer Verbindung zum Mond, die sie in ihrem eigenen Körper trug.

      »Wozu brauchen wir Uhren«, dachte sie, »wenn wir mit den Rhythmen und Mustern der Erde und des Universums verwoben sind?«

      Sie verspürte einen Schmerz in ihrem Finger. Sie hatte sich an einem Dorn gestochen, und ein kleiner hellroter Blutstropfen quoll hervor. Die Herrin des Mondes nahm ihre Hand und tupfte mit einem weißen Taschentuch das Blut sorgsam weg. Sie nahm die Rose mit dem dornigen Stängel und umwickelte ihn behutsam mit dem blutigen Taschentuch. Dann küsste sie Eva sanft auf die Wange und lächelte.

      »Du wirst noch mehreren meiner Schwestern begegnen, aber erst musst du dich ausruhen.«

      Eva wollte schon protestieren und erklären, dass sie gar nicht müde sei, als sie von einer Welle der Lethargie überströmt wurde und sie sich des Gähnens nicht mehr erwehren konnte. Noch immer lächelnd führte sie die Herrin des Mondes zu einem moosbewachsenen Fleck am Fuße einer riesigen Eiche. Eva rollte sich zwischen den Wurzeln zusammen, gab der plötzlichen Müdigkeit nach und ließ zu, dass sich ihre Augen langsam schlossen, wobei sie noch einen Moment innehielt, um die das Mondlicht spiegelnden Brombeerblüten zu betrachten.

      Vogelgezwitscher erfüllte die Luft. Eva setzte sich auf und gähnte. Sie fühlte sich erfrischt und glücklich. Sie lehnte sich gegen den Fuß einer hohen Zypresse, die auf einem sandig-goldfarbenen Fels wuchs. Um sie herum erstreckte sich ein mit Pinien, Birken, Zypressen und Olivenbäumen bestandenes Gelände, und in der Ferne konnte sie ein Stückchen tiefblaues Meer erkennen. Eine Hand umfasste plötzlich die ihre, zog Eva hoch und veranlasste sie zu einem leichten Laufschritt. Die Hand gehörte einem griechischen Mädchen, nicht viel älter als sie selbst. Sein lockiges Haar hatte es mit einem Tuch hochgebunden. Seine Haut war rein und glatt, und es hatte schön geformte Gesichtszüge. Es trug eine kurze Tunika aus einem weichen Stoff, die von goldenen Zickzackbändern über der Brust zusammengehalten wurde, und weiche Ledersandalen mit kniehoch geschnürten Riemen. In der anderen Hand hielt es einen kleinen silbernen Bogen, und um seine Schultern schlang sich ein lederner Köcher.

      Schließlich wach geworden, passte Eva sich der raschen Gangart des Mädchens an und genoss die Schönheit dieser freien Bewegungen. Als sie so im Sonnenschein dahinrannten, merkte Eva, dass sie nicht ohne Begleitung waren. Aus den Augenwinkeln nahm sie die rennenden Gestalten eines Rehs und eines Hirschs, eines Hasen, einer Wildziege und einer Bärin wahr. Plötzlich brach eine Löwin aus ihrem Versteck hervor, und schloss sich, sich ihrer Geschwindigkeit anpassend, ihrem Lauf durch die Wälder an. Im gesprenkelten Sonnenlicht wurde das lohfarbene Tier zu einem Strahl flüssigen Lichts und in seinen Augen brannte ein goldenes Feuer.

      Eva hatte das Gefühl, ewig so dahinrennen zu können, aber schließlich tauchten sie aus den Bäumen auf und kamen an einem grasbedeckten Abhang zum Stehen, der sich in eine staubfarbene Ebene hinabsenkte. Im Hitzeschleier konnte sie eine kleine, das gleißende Sonnenlicht widerspiegelnde Bucht erkennen. Müde, aber nicht erschöpft, setzte sie sich nieder und streckte die Beine aus. Das Mädchen schloss sich ihr an, und die Löwin ließ sich anmutig zu ihren Füßen nieder.

      »Ich bin Artemis, die Herrin des Schimmernden Bogens«, sagte das Mädchen und warf den Kopf zurück. »Ich bin eine der Jungfrauengöttinnen.«

      Eva sah, dass sie an einem ledernen Halsband einen kleinen geschnitzten Phallus trug.

      »Über Jungfrauengöttinnen ist viel geschrieben worden, und viele Erwartungen haben sich mit der Jungfräulichkeit verbunden.« Sie hielt inne, beugte sich herüber und berührte Evas Bauch. »Du bist eine Jungfrau im modernen Sinn des Wortes, während ich eine Jungfrau in einem älteren Sinn bin. Ich bin eine Frau, die nur sich selbst gehört. Ich bin eigenständig, unabhängig und selbstbewusst. Ich feiere das Leben in meinen Handlungen; ich bin ein in mir geeintes vollständiges Wesen. Ich repräsentiere die Zeit, bevor das Ei in den Zyklus entlassen wird. Ich bin nicht gebärfähig und der Schöpfung von Leben nicht anheimgegeben. Ich bin ich selbst, und meine Energien gehören mir.«

      Artemis berührte den Phallus an ihrem Halsband und

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