Sie senden den Wandel. Viviana Uriona

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für diese Arbeit entscheidenden Fragen sind aber ganz andere. Sie lauten etwa, unter welchen sozialökonomischen Bedingungen sich der an sich geklärte Inhalt des Kommunikationsbegriffes entfaltet oder nicht entfaltet. Wo wird Kommunikation behindert? Wo wird sie beherrscht und wo kann sie befreit werden (sogleich dazu: Kommunikation als Menschenrecht)? Woran liegt es, dass die Kommunikation einer gesellschaftlichen Klasse so viel wirksamer die gesellschaftliche Realität gestaltet (bzw.) reproduziert als es die Kommunikation einer anderen gesellschaftlichen Klasse vermag, diese Realität zu ändern?

      Diese Fragen lassen sich selbst durch ein Höchstmaß an Differenzierungen innerhalb des Kommunikationsbegriff weder besser noch schlechter beantworten, weswegen diese sehr weitgehenden Differenzierungen für diese Arbeit auch unterlassen werden. Diese Fragen lassen sich aber beantworten durch die Hinzunahme von Theorien, die zwar von Kommunikation handeln, aber eben auch von Macht und Gegenmacht, von den Gründen von Ausbeutung und Unterdrückung und von Strategien weltverändernder Praxis, auf die daher allesamt in dieser Studie verstärkt abgehoben wird.

      Bereits Negt und Kluge attestierten dem Begriff der Öffentlichkeit eine »bemerkenswerte Schwammigkeit« (Negt, O. und Kluge, A. 1972). Einige seitdem und zuvor in den Sozialwissenschaften immer wieder besprochenen Probleme im Umgang mit dem Begriff der Öffentlichkeit sind wohl rein sprachlicher Natur und dies insofern, als der Begriff je nach kontextuellem Bezug verschiedene Bedeutungen haben kann, die wir freilich mühelos unterscheiden können.

      Beispiel: Wer in aller Öffentlichkeit nackt spazieren geht und keine öffentliche Persönlichkeit ist, muss kaum fürchten, dass die veröffentlichte Meinung darüber die Öffentlichkeit informieren wird, zu deren Existenz, Ansichten und Meinung in der Literatur durchaus verschiedene Meinungen von Sozialwissenschaftler*innen veröffentlicht werden.

      Mit dem ersten unterstrichenen Wort ist der offene Raum jenseits von Umfriedung oder häuslicher Sphäre gemeint. Die »öffentliche Persönlichkeit« ist ein lebender Mensch, der eine Bekanntheit bei vielen Menschen erfolgreich sucht oder schlicht erfährt. Mit der »veröffentlichten Meinung« sind große Medien gemeint, deren Gebrauch der Meinungsfreiheit besonders wirksam ist. Das dann folgende Wort »Öffentlichkeit« bezeichnet (im Unterschied zum ersten) eine sehr große Zahl von Medienempfänger*innen, und »veröffentlicht« meint publizieren, also die Zugänglichmachung von perpetuierten Gedanken in medienspezifischer Form an einen nicht individualisierbaren Empfänger*innenkreis.

      Allerdings hätte es dieser Definitionsversuche gar nicht bedurft. Der kurze Satz war auch für sozialwissenschaftliche Laien völlig verständlich. Die sozialwissenschaftliche Hoffnung, aus der Kritik von Begriffen Erkenntnisse zu gewinnen, ist groß, ihre Wirkung auf die außeruniversitäre Praxis dagegen gering. Viel weiter trägt dort die inhaltliche Kritik an denen mit den kritisierten Begriffen in Zusammenhang stehenden Medieninstitutionen und deren Rolle in der Gesellschaft. Jürgen Habermas stellte 1962 in seiner Arbeit zum historisch-systematischen Strukturwandel der Öffentlichkeit fest: »Öffentlich« und »Öffentlichkeit« entstammen

      »[...]aus verschiedene(n) geschichtliche(n) Phasen und gehen, in ihrer synchronen Anwendung auf Verhältnisse der industriell fortgeschrittenen und sozialstaatlich verfaßten bürgerlichen Gesellschaft, eine trübe Verbindung ein.« (Habermas, J. 1990 [1962]: 54)

      Aber:

      »Wenn es gelingt, den Komplex, den wir heute, konfus genug, unter dem Titel ›Öffentlichkeit‹ subsumieren, in seinen Strukturen historisch zu verstehen, dürfen wir deshalb hoffen, über eine soziologische Klärung des Begriffs hinaus, unsere eigene Gesellschaft von einer ihrer zentralen Kategorien her systematisch in den Griff zu bekommen.« (Habermas, J. 1990 [1962]: 58)

      Das heißt, diese behauptete Öffentlichkeit (der approximativ Gleichen) existiert real noch nicht. Sie ist Utopie geblieben und die Behauptung der Realität der Utopie behindert deren Umsetzung. Der bürgerliche Liberalismus hat eben nicht die Gesellschaft der Freien und Gleichen hervorgebracht, sondern mit dem Kapitalismus eine Gesellschaft geschaffen, in der die Ungleichheit unter den für alle gleichen Gesetzen perpetuiert wird.

      Wir leben in einer Klassengesellschaft. Ihre Öffentlichkeit ist ebenso antagonistisch gespalten wie es die Interessen derjenigen sind, die diese Öffentlichkeit im Wege der Kommunikation beeinflussen wollen. Keine Information und keine Meinung kann separat gedacht werden von dem jeweiligen Nutzen oder Schaden, den sie vor dem Hintergrund entgegengesetzter systemischer materieller Interessenlagen bewirkt.

      Soweit nicht anders erläutert, liegt dieses Verständnis von »Öffentlichkeit« (als uneinheitliches Publikum) dieser Studie zugrunde.

      Ein zentraler Begriff dieser Studie ist der von der Kommunikation als einem Menschenrecht. Die in den USA und Lateinamerika übliche sprachliche Phrase »Kommunikation als Menschenrecht« ist im europäischen Raum bislang weitgehend unbekannt geblieben. Es bestehen auch große Unklarheiten hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs.

      Teleologisch mag sich zunächst nicht erschließen, warum die menschliche Kommunikation durch irgendein Recht geschützt oder gestärkt werden müsse. Denn die Kommunikation scheint dem Menschen als Bedürfnis inne zu liegen. Doch so steht es ganz ähnlich mit dem Bedürfnis nach Nahrung. Die Tatsache, dass Menschen regelmäßig Hunger verspüren, macht sie noch nicht satt. Aus diesem Grund gewähren viele nationale Rechtsordnungen und auch bereits die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Artikel 22) einen sozialen Schutz durch die Gesellschaft. Ein Recht auf Kommunikation hat teleologisch keine andere Funktion: Es würde einem menschlichen Bedürfnis zu einer (umfassenderen) Erfüllung verhelfen.

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