Dornröschen muss sterben. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Dornröschen muss sterben - Ulrike Barow страница 6
Eines begriff Hendrik sofort: Dies war eine Aufforderung zum Tanz, wie sie deutlicher nicht sein konnte. »Kein Problem, in zehn Minuten bei mir auf dem Boot, einverstanden?«
»Bring den Kaffee doch lieber hier rüber. Ist gemütlicher.«
In diesem Moment kam Klaas Bengen angeschlürt. »Ist Ihr Mann da? Er wollte mir einen ganz speziellen Schraubendreher ausleihen! Komme schon zum zweiten Mal!«
Hedda Kuhlmann schüttelte den Kopf. »Nein, der ist erst heute Abend wieder auf der Insel. Du kommst am besten morgen noch mal vorbei.«
Klaas Bengen nickte, drehte sich um und verschwand wieder.
»Komischer Kerl«, sagte sie. »Hätte ich ihm ja auch geben können, aber wenn er sich so stur anstellt, bitteschön. Gott sei Dank sind nicht alle Männer so, der eine oder andere würde sich schon von mir was geben lassen, oder? Na, was ist, wo bleibt der Kaffee?«
Hendrik legte einen Zahn zu und verschwand unter Deck.
Oh Mann, oh Mann, dachte er, das ist ja vielleicht ’ne Granate. Ich will doch nur einen Kaffee mit ihr trinken und nicht auch noch die Koje auf der Achteran ausprobieren. Nachts Britta und tags Hedda, das schafft auch der stärkste Schipper nicht. Ich bin gespannt, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Aber andererseits, wo liegt das Problem? Ich werde ganz cool das Getränk zu mir nehmen und dann abhauen. Termine, und so … kennt man ja. Auf der anderen Seite, wenn sich die Gelegenheit bietet, solch ein Superweib mal aus der Nähe, ganz aus der Nähe, und ohne lästigen Ehemann kennen zu lernen, wie blöd müsste ich dann wohl sein, diese Gelegenheit nicht zu ergreifen, dachte er, während das Wasser langsam durch den Filter sickerte.
Er hatte sich so auf Britta gefreut heute. Dann war sie einfach abgetaucht, hatte sich nicht gemeldet, und nun das: ein aggressiver Ex. Hendrik wollte eine richtig nette Beziehung ohne Verpflichtung, Altlasten und dem ganzen Kram.
Nach dem Kaffeestündchen mit Schnucki würde er aber vielleicht doch noch mal in die Halle schauen. Und Kaffeestündchen war auch so gemeint. So und nicht anders. Das war ihm in diesem Moment völlig klar geworden.
Vorsichtig stellte er die Kanne, Milch, Zucker und zwei Becher auf ein Plastiktablett und jonglierte es auf das Nachbarschiff.
»Komm rein, es muss nicht jeder seine neugierigen Blicke auf uns werfen.« Hedda hatte sich während seiner Abwesenheit ein Nichts von einem Top übergeworfen und winkte ihn in die Kajüte.
Also blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sie hinter ihm die Tür zum Niedergang schloss.
11
Wolf machte sich auf den Weg zum Ostdorf. Links lag schützend der Deich und rechts von ihm auf den Hellerwiesen genossen einige Pferde ihre Ruhepausen, bevor sie vor den Kutschen wieder ihren Dienst versehen mussten. Zwischen ihnen flogen Möwen, laut kreischend auf der Suche nach Futter. Kurz hinter dem Hotel Dünenschlösschen erreichte er den Friedhof. Er bog ab und öffnete die schwere schmiedeeiserne Tür. Es war für ihn eine gute Tradition, das Grab der alten Familie Kanter zu besuchen. Es befand sich im hinteren Bereich in der Nähe einiger Soldatengräber. Hier lagen die Männer, deren Minensucher vor der Baltrumer Küste auf eine Mine gelaufen und untergegangen war. Alles junge Leute, so hatte man ihm erzählt. Der Gedanke, dass Jannis auch einmal so etwas passieren könnte, verursachte ihm jedes Mal Übelkeit. Seine Familie war ihm wichtiger als alles auf der Welt. Oft genug bekam er in seinem Beruf als Detektiv Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen mit, die er auch seinem ärgsten Feind nicht wünschte. Und schon gar nicht seiner Frau und Jannis.
Er setzte sich auf die kleine Bank und dachte nach. Viel Zeit hatten Anke und er im Alltag nicht zusammen. Aber wenn sie gemeinsam frei hatten, dann nutzten sie diese Stunden, füllten sie mit Leben. Das war nicht immer so gewesen. Vor einigen Jahren hatten sie sich fast auseinandergelebt, aber dann doch noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. Was für ein Glück, dachte er, und lächelte, während er aufstand und weiterging.
Im Restaurant Bliev Sitten, oder auch »das letzte Haus vor Langeoog«, wie es der Besitzer Bernhard Ebeling liebevoll nannte, war jeder Platz besetzt. Das war kein Wunder, denn in dem kleinen Gastraum standen nur eine Handvoll Tische. Fröhliches Gemurmel schlug Wolf entgegen, als er eintrat. Das Licht, das durch die breiten Fenster fiel, umflutete die geschmackvolle Tischdekoration.
Eine Speisekarte suchte man hier vergebens. Drei Gerichte gab es täglich, immer wechselnd. Je nachdem, was der Ökohof hinterm Deich in Nesse oder die Netze der Fischerboote in Dornumersiel hergaben.
Dies alles hatte natürlich seinen Preis. Aber für Wolf waren Qualität und Ambiente in diesem Haus unschlagbar. Und das wollte was heißen, war er aus Bremen doch eine ganze Reihe guter Restaurants gewohnt. Dazu kam die Freundlichkeit der Besitzer. Bernhard Ebeling und seine Familie betrieben das Haus in der dritten Generation, und bald würde die vierte das Restaurant übernehmen.
Suchend schaute Wolf sich um. Keine Ebelings weit und breit. Das war noch nie vorgekommen, solange er sich erinnern konnte.
Doch dann konnte er mit einem Blick auf die Schwingtür zur Küche beruhigt aufatmen. Die massige Gestalt des Chefs, angetan mit einer blauen langen Schürze, balancierte drei Teller mit appetitlich angerichteten Seezungen in den Gastraum.
»Ja, ist denn das die Möglichkeit!« Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem breiten Lachen. »Da trudeln alle wieder ein, die mir liebe Gäste sind.«
»Auch wenn du nichts Besseres zu tun hast, als sie auf der Strandmauer über den Haufen zu fahren. Aber das klären wir noch.« Wolf blieb abwartend im Gastraum stehen, während der Wirt mit ein paar freundlichen Worten die Seezungen servierte und dann wieder zu ihm kam.
»Tut mir leid, wir haben dich echt nicht gesehen«, sagte Ebeling. »Das muss ich doch gleich mal Doro erzählen und unser Missgeschick mit einem besonders gelungenen Mittagessen wiedergutmachen. Setz dich eben draußen auf die Holzbank. Gleich wird ein Tisch für dich frei.«
Wolf tat wie ihm geheißen und genoss die Sonne. Sein Alkoholpegel hatte sich inzwischen einigermaßen reduziert, so dass dem Genuss einer exquisiten Mahlzeit nichts im Wege stand.
Zwar hatte er seinem Sprössling ein warmes Abendessen im Hotel Fresena versprochen, aber dem schaute er gelassen entgegen. Heute war Urlaub. Nächste Woche konnte das Fitnessstudio wieder an ihm verdienen.
»Möchtest du auch Seezunge?«, fragte Ebeling. Wolf zuckte zusammen. Er war fast eingenickt. »Oder ist dir das ostfriesische Deichlamm lieber? Als dritte Möglichkeit kann ich dir Spargel mit Norderneyer Seeluftschinken anbieten. Außerdem ist drinnen jetzt ein Tisch für dich frei geworden.«
Wolf folgte seinem Gastgeber und setzte sich an einen der massiven hellen Eichentische, jeder für sich ein Unikat in diesem Gastraum. Von seinem Platz aus hatte er einen herrlichen Blick in die Dünen. Fasane mit ihren halbwüchsigen Küken und Horden von Karnickeln zeigten unbekümmerte Futterlaune und ließen sich auch von den Gästen nicht aus der Ruhe bringen, die manchmal unerlaubt vom Wege abwichen und ihre Fährten kreuzten.
Er hatte Spargel gewählt, und es dauerte nicht lange, bis die weißen Stangen, auf den Punkt gegart, zusammen mit hauchdünn geschnittenem Schinken den Weg zu seinem Platz fanden. Kleine, goldgelbe Kartoffeln und Buttersoße rundeten sein Essen ab. Was kann es Schöneres geben, dachte er, als bei solch einem Wetter auf dieser Insel zu sein, fünfe