Dornröschen muss sterben. Ulrike Barow
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Gut, nicht nur dieser Stimme wegen. Auch Bernhard war ein Supertyp, das Essen einfach genial und die Einrichtung wunderschön. Ach ja, natürlich auch der Blick in die Dünen. Aber das i-Tüpfelchen war eben diese verqualmte, erotische, Wunder versprechende Stimme von Doro Ebeling.
Wolf versuchte gleichzeitig, die Spargelstange herunterzuwürgen, die sich zur Hälfte in seinem Mund befand, die Freude in seinem Gesicht in einigermaßen neutrale Bahnen zu lenken und das Wasserglas abzustellen. So ziemlich alles ging bei diesem Versuch gründlich in und auf die Hose. Dass Doro Ebelings maßloses, unbändiges Lachen einzig und allein seinem Missgeschick galt, machte die Situation nicht besser.
»Nun pass mal auf, dass du dich nicht auch noch verschluckst, sonst hätten wir dich heute bereits zum zweiten Mal auf dem Gewissen, und das ist nicht gut fürs Image.« In ihren grünen, von Lachfalten und von einem dicken schwarzen Kajalstrich eingerahmten Augen blitzte der Schalk. »Wir haben im Rathaus unsere Personalausweise und Pässe verlängern lassen. Warum, erzähle ich dir gleich. Dann dachten wir, wir tun etwas ganz Verruchtes und fahren mit unseren Rädern verbotenerweise über die Strandmauer nach Hause.« Doro Ebeling lachte. »Wir haben die ganze Zeit gehofft, dass der Inselsheriff uns nicht erwischt, und damit waren wir so beschäftigt, dass wir nichts anderes mehr im Blick hatten. Und wenn es dich getroffen hätte, hätte ich mir das natürlich niemals verzeihen können.« Ihre Stimmlage hatte sich um mindestens eine Oktave gesenkt und ihre Augen schienen sich in seinen zu verlieren.
Wolf hatte das Gefühl, vom Kopf an abwärts bis zu den Zehenspitzen gelähmt zu sein. Mit einer Ausnahme vielleicht.
Dies alles dauerte jedoch nur bis zu dem Moment, als Doro Ebeling fragte: »Und, was macht deine Frau? Schnippelt sie immer noch an der Menschheit herum?«
Schlagartig ließ das Lähmungsgefühl nach und er nahm seine Umgebung wieder in ihrer Gesamtheit wahr. »Leider, sie hat Dienst. Sie kommt demnächst aber mal und ich bin sicher, dass ihr erster Weg hierher führen wird.«
»Dann sollte sie sich aber mit dem Kommen beeilen, lieber Wolf. Wir machen es hier nicht mehr lange. Unsere Kinder werden nach der Saison den Laden übernehmen, und wir – ja, wir werden die Welt umsegeln für ein Jahr. Stell dir das mal vor! Daher auch unser Besuch im Rathaus, du verstehst? Das Boot wird gerade bei Abeking und Rasmussen gebaut. In Lemwerder. Der Paul, unser Koch, bleibt. Das ist schon mal eine sichere Bank, und so hoffen wir, auch wenn die beiden noch jung sind, dass das alles hier in unserem Sinne weiterläuft.«
Wolf merkte, wie ihn eine Welle der Enttäuschung durchlief. Baltrum ohne Doro und Bernhard. Das war nicht richtig. Er gönnte es ihnen ja, aber das war wie … ach, er wusste auch nicht wie. Es war einfach nicht fair.
Sie hatte wohl gemerkt, wie schwer es Wolf fiel, diese Neuigkeit zu verdauen. »Wir könnten euch ja in Bremen besuchen, wenn wir unser Schiff abholen. Was hältst du davon?«
»Ist gebongt. Und wenn ihr wiederkommt auch, bitteschön. Wir dürfen uns doch nicht aus den Augen verlieren. Das würde auch Anke nicht gefallen. Aber sag mal, das kostet doch bestimmt eine schöne Stange Geld, wenn ihr bei solch einer renommierten Werft bauen lasst.«
»Das ist richtig. Die Germania ist sündhaft teuer, aber genau richtig für unsere Ansprüche und wunderschön. Sie wird exakt nach unseren Vorstellungen gebaut. Wir haben da mein Erbe reingesteckt. Sonst wäre das auch nicht gegangen. Von einem Esslokal auf Baltrum kann man dieses Schiff nämlich nicht bezahlen. So, jetzt muss ich wieder in die Küche. Die nächsten Menüs warten auf mich. Wir sehen uns später. Bis dann.«
Nachdem Doro wieder verschwunden war, gelang es Wolf, sein restliches köstliches Essen mit Anstand zu verzehren. Bernhard blieb kurz an seinem Tisch stehen und sie verabredeten sich für den Abend im Strandcafé.
Wolf blieb noch eine Weile sitzen, genoss den Augenblick und beschloss, den Nachmittag faul in der Sonne liegend am Strand zu verbringen.
12
Ein fürchterliches Wochenende. Menschen überall. Aufdringlich und nervtötend. Besonders diese sogenannten Turner. Hinterlassen nichts als Dreck. Machen Krach am Strand. Bewegen ihre ach so drahtigen Körper im Sand. Die reinste Provokation. Knappe Höschen und T-Shirts zeigen bei jeder Bewegung nackte Haut. Ich habe das genau gesehen. Sport ist denen doch völlig egal. Lächerlich, wie die sich in den Sand schmeißen, übertrieben und lächerlich. Die nennen das Volleyball und in Wirklichkeit ist es nur Reiben der Körper aneinander. Verstohlen, heimlich jede Möglichkeit nutzend, nackte Beine an nackten Beinen zu schubbern. Ganz genau habe ich das beobachtet. Und nachts werden die Versprechen eingelöst, die die aufreizenden Körper tagsüber am Strand gegeben haben. Ich weiß, wovon ich spreche.
13
Jannis machte sich keine Gedanken darüber, dass er den Koffer samt Inhalt auf dem Bett hatte liegen lassen, als er loszog. Für solche Kleinigkeiten wie Auspacken war einfach keine Zeit mehr gewesen. Schließlich hatte er eine Verabredung. Er war sich sicher, dass Jens schon auf ihn wartete. Sie hatten bereits Wochen zuvor von zu Hause aus E-Mails ausgetauscht, voller Vorfreude auf ihr Wiedersehen. Punkt elf an der Inselglocke. So hatten sie es verabredet. Sie wollten in aller Ruhe über ihr gemeinsames Hobby quatschen, bevor sie mit den anderen zusammentrafen. Im letzten Jahr hatten sie die Clique ordentlich genervt mit ihrem ständigen Erfahrungsaustausch. Zumindest hatten die so getan. Und zugegebenermaßen war Ahnenforschung kein Thema, mit dem man aktuell punkten konnte. Für die beiden aber gab es kaum etwas Cooleres als die eigene Familiengeschichte, der eine in Bremen, der andere in Wattenscheid.
Eigentlich war Jannis durch ein großes Ärgernis zu diesem Hobby gekommen: Welcher Junge mochte schon gerne Johannes heißen? Verstaubt und antiquiert, so lauteten seine Beschreibungen, wenn jemand auf seinen Namen zu sprechen kam. Er hatte früh darauf bestanden, dass alle ihn Jannis nannten. Das klang wenigstens etwas moderner. Das klappte auch. Seine Freunde, Mitschüler, Lehrer, alle nannten ihn Jannis. Sogar seine Eltern. Nur dann nicht, wenn sie sauer waren. Wenn er den Ruf »Johannes« hörte, wusste er genau, dass der unangenehmere Teil des Tages begann.
Dann hatte er angefangen, sich mit seinem Namen zu beschäftigen, denn sein Großvater hatte Johannes geheißen, und auch sein Vater hieß mit zweitem Namen so. Daraus hatte sich im Laufe der Zeit seine Lieblingsfreizeitbeschäftigung entwickelt. Inzwischen kannte er sich in den Generationen vor ihm und deren Zeit so gut aus, als wären seine Vorfahren nicht schon lange tot, sondern ständig bei ihm. Seine Eltern unterstützten ihn, wo sie nur konnten.
Auch wenn sie ihn manchmal »Johannes« riefen und behaupteten, dass es kaum ein nervtötenderes Hobby gab, als sich ständig mit den Geistern verstorbener Familienmitglieder auseinanderzusetzen.
»Mensch, Jens, super, dich zu sehen.«
Jens war zwar genauso alt wie Jannis, war aber mindestens einen Kopf kleiner und hatte eine blonde, von Gel gehaltene Strubbelmähne. Er schlug seinem Freund fröhlich auf die Schulter und beide setzten sich auf den Rasen, das Gerüst der Inselglocke als Rückenlehne nutzend. »Immer nur durchs Telefon oder Internet wird auch mal langweilig. Schon wieder ein Jahr her, seit dem letzten Mal.«
Fast augenblicklich fielen sie in ein Fachgespräch, das so manchen Wissenschaftler in Erstaunen versetzt hätte. Sie redeten und redeten, bis sie merkten, dass die Sonne immer höher gestiegen