Dornröschen muss sterben. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Dornröschen muss sterben - Ulrike Barow страница 9
Er wischte die letzten Krümel des Frühstücks von den Partytischen. Am liebsten wäre er Britta an den Strand gefolgt, aber er sah aus den Augenwinkeln seine Frau und wusste, dass er diese Idee wohl im Dünensand vergraben konnte. Nadine Schneider sortierte mit saurem Gesicht das Geschirr.
Schon kamen die ersten wieder vom Strand, um eine kleine Zwischenmahlzeit in Form vom Obst, Müsli oder Joghurt zu sich zu nehmen. Sport und Spiel machten hungrig.
Seine Frau nahm ihm den Lappen mit den Krümeln aus der Hand. »Marco, denk dran, der Bürgermeister wird in einer Viertelstunde hier sein. Ich habe gerade Kaffee angesetzt.« Nadine war die Leiterin seines Küchenteams. »Nicht, dass du noch kurzfristig zu einer Rundfahrt aufbrichst«, maulte sie. »Du bist im Kopf wohl nur noch bei Britta. Die wird schon alleine zurechtkommen. Brauchst du dich nicht auch noch drum zu kümmern. Ich muss schließlich auch sehen, wie ich fertig werde.«
Sie verschwand hinter den Gefriertruhen, ohne seine Antwort abzuwarten. Ein paar Spieler, die ihr Gemecker mitbekommen hatten, wandten sich wortlos in die andere Richtung.
Sie versucht doch immer wieder, mich bloßzustellen, dachte er. Soll sie doch mit dem Hintern zu Hause bleiben, wenn ihr alles zu viel wird.
Aber er wusste, das täte sie nie. Hätte ja sein können, dass irgendetwas Interessantes ohne sie passierte. Ständig meinte sie, dass er sofort auf die Piste ginge, wenn sie einmal nicht dabei war.
Und das Schlimme ist, dass ich es auch machen würde, dachte er. So weit hat sie mich inzwischen. Immer nur hetzen und meckern.
Er verließ die Halle und setzte sich mit hochrotem Kopf neben der Bratwurstbude in den Dünensand. Er musste ja in der Nähe bleiben, wollte er den Bürgermeister nicht verpassen. Und Nadines großen Auftritt als Gattin des Veranstaltungsleiters!
16
Es gibt keine schöne heile Inselwelt. Nein, wirklich nicht. Jeder muss für sein Tun bezahlen. Irgendwann muss das jeder. Auch Sie. Haben Sie sich darüber noch nie Gedanken gemacht? Glauben Sie wirklich an Schicksal? Papperlapapp. Sie selbst sind das Schicksal. Da hilft Ihnen keiner.
Habe es oft genug versucht. Mich geduckt und angebiedert, Dinge getan, die ich gehasst habe. Aber damit ist jetzt Schluss. Jetzt wird aufgeräumt. Gründlich. Und übrig bleiben die, die es verdient haben. Die Treuen. Und Redlichen. Auf die man sich verlassen kann.
Ich weiß genau, was zu tun ist. Mein Plan ist fertig. Gleich fange ich damit an. Dann werden sich alle ganz schön umgucken. Und Sie werden mir recht geben, da bin ich mir sicher.
17
Nein, es ging nicht. Er konnte den Kopf nicht bewegen. Mit Mühe hatte er das linke Auge aufbekommen, nun übte er mit dem rechten. Hendrik lag ausgestreckt auf dem Boden seiner Kajüte, den Kopf schmerzhaft zwischen Koje und einem vergessenen Fender eingeklemmt. Durch das Bullauge fielen Sonnenstrahlen, die an der gegenüberliegenden Wand mit dem Wiegen des Schiffes Zacken und Kreise malten. Linker Arm, rechter Arm, linkes Bein, rechtes Bein, Hendrik merkte zu seiner Beruhigung, dass noch alles da war, nur nicht seinen Befehlen gehorchte. Er beschloss, noch eine Weile liegen zu bleiben, denn sein Magen hob und senkte sich mit dem kurzen Wellenschlag im Hafen. Noch wollte seine Erinnerung nicht den Weg ins Licht antreten, so schloss er seine Augen wieder und fiel erneut in einen kurzen, traumlosen Schlaf, bis er von seinem eigenen Schnarchen geweckt wurde.
Und nun kam sie mit Macht. Die Erinnerung.
Sie hatte die Kajüttür geschlossen. Damit hatte alles begonnen. Nein, wenn er ehrlich war, hatte die Geschichte schon vorher begonnen. In seinem Kopf. Und weiter unten.
Sie hatten Kaffee getrunken. Schwarz ohne Milch. Sie waren sich nähergekommen. Zentimeter für Zentimeter. Dann hatte Schnucki eine Flasche Talisker Whisky, Single Malt, auf den Tisch gestellt. Und zwei Nosing-Gläser. So hatte sie die kleinen, bauchigen Gläser genannt, die zur Öffnung hin schmaler werdend zum Verkosten des Whiskys ein Muss waren. Seinen Einwurf, dass zu einem guten Whisky auch immer ein gutes Wasser gehörte und der gute Whisky ja auch eigentlich ihrem Gatten, wischte sie mit einem Lächeln vom Tisch. »Wasser ist für die Fische«, hatte sie gesagt, und »Cheerio«. Ein ums andere Mal. Und jedes Mal war der Abstand zwischen ihnen etwas kleiner geworden.
Er hatte nicht nein gesagt, weder zum einen noch zu dem anderen. Gefangen von der Situation. Der Gedanke an Britta war wie eine flüchtige Wolke vorbeigezogen. Es war warm gewesen in der Kajüte. Da war es nicht ausgeblieben, dass Schnucki ihr Nichts auszog und er sein T-Shirt. Ein Schweißtropfen war genau in der Mitte seiner Brust Richtung Bauchnabel gelaufen. Sie war ihm mit ihrem Zeigefinger gefolgt.
Was passiert, wenn die Geschwindigkeit konstant bleibt und der Abstand sich verringert? Die kleine Segelschule Band 1 Seite 15. Es kommt zu einer Kollision! Das war der letzte Gedanke, zu dem Hendrik fähig gewesen war.
Jetzt lag er in seinem Boot und versuchte das Ende der Geschichte zu rekonstruieren, aber es wollte ihm nicht einfallen. Je länger er nachdachte, desto verschwommener wurden die Bilder des Nachmittages. Ob er sich das Ganze nur eingebildet hatte? Was machte er hier eigentlich auf seinem Boot? Er hob seinen Kopf. Sozusagen als Test. Wie spät war es überhaupt? Sechs Uhr. Da hatte er doch glatt zwei Stunden gepennt. Oder war doch alles nur ein schöner Traum gewesen? Sein Blick fiel auf seine rechte Hand. Ein Kratzer zog sich quer über deren Rücken. Das Blut darauf war dunkel und geronnen. Verdammt, dachte er, wieder dieser Splitter in der Kajüttür. Ich muss sie unbedingt abschleifen.
Er setzte sich auf. Sein Mageninhalt stieg nach oben, machte jedoch kurz vor dem Austritt halt. Hendrik versuchte langsam auf die Beine zu kommen. Er musste aber sogleich feststellen, dass das schottische Lebenswasser noch wesentliche Bestandteile seines Körpers unter Kontrolle hatte, und legte sich mit einem tiefen Seufzer zurück in seine Ausgangsposition.
18
Britta hatte es nicht mehr ausgehalten und Marco Schneider gebeten, einen Ersatz für sie an den Strand zu schicken.
Er hatte genickt. »Mach dir keine Sorgen, ich sage Peter Bescheid. Schließlich gehört er auch als Betreuer zu deiner Gruppe. Er hatte ja heute Nachmittag ein paar Stunden Ruhe, und gleich ist sowieso Abendessenzeit. Das kriegen wir schon hin. Und, falls du jemanden zum Reden brauchst, jederzeit, weißt du?«
Britta lächelte ihm zu. »Danke für das Angebot. Später vielleicht. Schau mal, deine Frau will, glaube ich, etwas von dir. Sie schaut schon die ganze Zeit rüber.«
»Weißt du was? Das ist mir scheißegal.« Britta sah Marcos Erschrecken über die eigenen Worte, aber auch Wut und Entschlossenheit. Sie wussten beide, dass seine Worte haargenau seine Empfindungen ausgedrückt hatten. »Du kannst das gelbe NTB-Fahrrad nehmen, wenn du willst. Lass dir Zeit. Hier läuft schon alles.«
Britta bekam den letzten Satz gerade noch so mit, als sie schon aus der Halle lief. Sie schnappte sich das Rad und fuhr los. Sie hatte Marco nicht mal gesagt, dass sie zum Hafen wollte, aber er würde es sich denken können.
Es war der reinste Slalom. Kurz vor der evangelischen Kirche wäre sie beinahe schwer gestürzt. Zwar hatte sie den Dackel auf der