Das Sandmann-Projekt. Anette Hinrichs

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Das Sandmann-Projekt - Anette Hinrichs

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aufs Land gebracht. Unsere Familie wurde regelrecht auseinandergerissen.«

      Sie biss sich auf die Unterlippe. »Als wir zurückkamen, lag alles in Trümmern. Die Straße, in der unser Haus gestanden hatte, gab es nicht mehr. Meine Großeltern waren tot und mein Vater war zu einem völlig anderen Menschen geworden. Er verlangte von meiner Mutter, mit ihm nach Berlin zu gehen, doch sie weigerte sich. Nach dem Verlust ihrer Eltern wollte sie nicht auch noch ihre Heimat verlieren. Wir sind dann in das Haus am Schleusenredder gezogen. Es gehörte meinen Großeltern.« Eine Träne löste sich aus Ilse Wenningers linkem Auge und rann ihre faltige Wange hinunter. »Eines Tages war mein Vater verschwunden. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, auf dem er meiner Mutter mitteilte, dass er zurück nach Berlin geht. Kurti hat er mitgenommen.« Sie wischte sich mit einer resoluten Geste die Träne von der Wange. »Jetzt wissen Sie, wie mein Bruder damals nach Berlin gekommen ist.« Ihre Gesichtszüge verhärteten sich wieder.

      »Und danach?«, fragte Malin, die den Schilderungen der alten Frau gespannt gelauscht hatte. »Hatten Sie mit Ihrem Bruder Kontakt?«

      Ilse Wenninger schnaubte. »Sie wissen wohl nicht besonders viel über die DDR. Für die waren wir der Klassenfeind. In den ersten Jahren gab es noch einen Briefwechsel zwischen meinem Bruder und mir, doch der wurde mit der Zeit immer weniger, bis ich irgendwann gar nichts mehr hörte.« Ihre Stimme wurde hart. »Mehr möchte ich nicht dazu sagen. Und wenn Sie mich deswegen mit aufs Präsidium schleppen wollen, dann tun Sie das meinetwegen. Dort werden Sie von mir auch nicht mehr erfahren.«

      Malin zweifelte keinen Moment an den Worten der alten Frau, die nun stocksteif in ihrem Sessel thronte. »Dann beantworten Sie mir bitte noch eine letzte Frage. Wann haben Sie Ihren Bruder zuletzt gesehen?«

      »Sie haben mir die Frage schon einmal gestellt, an der Antwort hat sich seitdem nichts geändert.« Ilse Wenniger sah ihr direkt in die Augen. »Bei der Beerdigung meiner Mutter. Vor dreiundzwanzig Jahren.«

      Auf dem Weg von Niendorf zum Polizeipräsidium legte Malin einen Zwischenstopp im Cafe Elbgold ein, ihrem Stammcafé für Samstagvormittage. An der Theke orderte sie das obligatorische Franzbrötchen, dazu einen Milchkaffee, und ergatterte anschließend einen der begehrten Fensterplätze mit Blick auf den Mühlenkamp. Gedankenversunken beobachtete sie die Passanten, während sie genüsslich ihr Frühstück verzehrte.

      Es war Malins erste Mahlzeit nach einer viel zu kurzen Nacht. Thies hatte für sie am vergangenen Abend ein Drei-Gänge-Menü auf seinem Hausboot gezaubert. Die romantische Stimmung hatte dafür gesorgt, dass Malin weder an Frederick noch an den Einsatz ihrer Kollegen einen Gedanken verschwendet hatte. Jetzt hätte sie allerdings nur allzu gerne gewusst, wie es für Tiedemann und Andresen im Admiral gelaufen war und was es mit dem Pfeifenclub auf sich hatte.

      Malin stippte ihr Franzbrötchen in den Milchkaffee. Ilse Wenninger war ihr ein Rätsel. Die Geschichte der Frau hatte sie berührt und sie fragte sich, was zwischen den Geschwistern Wenninger in den vergangenen Jahren schiefgelaufen war. Was hatte Ilse Wenninger zu dieser verbitterten alten Frau gemacht? Und warum hasste sie ihren Bruder so sehr?

      Ihre Reaktion auf das Testament gab Malin ebenfalls zu denken. Offenbar hatte Ilse Wenninger mit etwas anderem gerechnet.

      Während Malin den letzten Zipfel ihres Franzbrötchens verschlang, dachte sie über die neugewonnene Erkenntnis nach. Kurt Wenninger hatte einen Großteil seines Lebens in Ost-Berlin verbracht. Spielte das für ihren Fall eine Rolle? Ihr fiel ein, dass dieser ominöse Erbe, Michael Baumann, ebenfalls aus Berlin stammte.

      Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. In einer knappen halben Stunde würde die Besprechung im Präsidium beginnen. Sie leerte ihre Kaffeetasse und ging zum Tresen, um sich ein weiteres Franzbrötchen zum Mitnehmen einpacken zu lassen.

      Die Luft im Konferenzzimmer war stickig, als Malin mit zehn Minuten Verspätung eintraf. Ihre Teamkollegen waren bereits anwesend, ebenso wie Frank Glaser von der Kriminaltechnik und Fricke, der neben dem Whiteboard stand.

      »Guten Morgen zusammen!« Malin öffnete zunächst eines der Fenster, ehe sie sich einen Kaffee einschenkte.

      »Mahlzeit, Brodersen.« Andresen warf einen provozierenden Blick auf seine goldfarbene Armbanduhr. »Ausgeschlafen? Wir sind schon seit einer Stunde im Dienst. Trotz Wochenendes.«

      Malin ignorierte den Spruch und rutschte auf den Platz neben Tiedemann.

      »Gut, wo wir jetzt endlich vollständig sind, können wir anfangen«, brummte Fricke mit einem Blick auf sein jüngstes Teammitglied.

      »Sorry für die Verspätung, Chef.« Malin zog ihr Notizbuch aus der Umhängetasche. »Ich komme gerade von Ilse Wenninger.«

      »Ach. Lass hören.«

      Sie fasste ihr Gespräch mit der Schwester des Opfers zusammen.

      Fricke sah sie interessiert an. »Wie ist deine Einschätzung, Brodersen? Hältst du es für möglich, dass Ilse Wenninger mit dem Mord an ihrem Bruders etwas zu tun hat?«

      »Es könnte durchaus sein«, entgegnete Malin. »Zumindest scheint sie mit irgendetwas hinter dem Berg zu halten. Vielleicht erfahren wir von ihrer Tochter mehr.«

      »Wir werden noch heute mit ihr sprechen.« Fricke wandte sich an seinen Stellvertreter. »Wie ist euer Besuch bei diesem Pfeifenclub gestern Abend gelaufen?«

      »Relativ unaufgeregt.« Tiedemann zog sein Notizbuch zu sich heran. »Wir waren gegen einundzwanzig Uhr im Admiral. Siebzehn Mitglieder des Pfeifenclubs waren anwesend, übrigens allesamt Männer zwischen fünfzig und achtzig. Sie nennen sich Schmauchfreunde.«

      »Schmauchfreunde?« Fricke schmunzelte. »Wie haben sie auf den Mord an Wenninger reagiert?«

      »Die meisten wirkten betroffen, einige waren regelrecht schockiert.«

      »Hat sich jemand dazu geäußert, was an besagtem Dienstag vor zwei Wochen vorgefallen ist?«

      Tiedemann kratzte sich hinter dem Ohr. »Angeblich hat es nie einen Vorfall gegeben. Wenninger soll an dem Abend bereits angetrunken in der Gaststätte aufgetaucht sein. Mit jedem Pils sei er dann streitlustiger geworden.«

      »Ist das schon häufiger vorgekommen?«

      »Es war wohl das erste Mal«, entgegnete Tiedemann. »Wenninger soll das Clubtreffen vorzeitig verlassen haben. Kurz vor Mitternacht. Das deckt sich mit der Aussage des Kochs. Die restliche Gruppe ist noch bis halb eins geblieben.«

      »Habt ihr irgendetwas Interessantes über Wenninger erfahren? Etwas Persönliches?«

      Tiedemann schüttelte den Kopf. »Ich denke, wir sollten mit den Mitgliedern einzeln sprechen. Vor einer Gruppe redet es sich nicht so leicht. Wir haben die Personalien der Anwesenden aufgenommen. Allerdings gibt es noch weitere Mitglieder.«

      Andresen schnalzte. »Also, wenn ihr mich fragt – das war ein ganz merkwürdiger Haufen.«

      »Merkwürdig inwiefern?«, hakte Fricke nach.

      »Möglicherweise habe ich eine falsche Vorstellung von einem Pfeifenclub, aber ich hatte immer ein Bild von einer Gruppe gemütlich rauchender Rentner vor mir.« Andresen zwirbelte an seinem roten Schnauzer. »Unter den Pfeifenheinis waren einige äußerst schmierige Typen. Kann nicht schaden, bei denen ein wenig auf den Busch zu klopfen.«

      Fricke nickte. »Haben die auch eine Art Gruppenleiter?«

      Tiedemann

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