Das Sandmann-Projekt. Anette Hinrichs
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Читать онлайн книгу Das Sandmann-Projekt - Anette Hinrichs страница 7
»Oh, Gott. Du hast ihr das mit den Franzbrötchen verraten?« Das süße, mit viel Butter und Zimtzucker hergestellte Hefegebäck gehörte seit Kindheitstagen zu ihren Leibspeisen. Sie fand es peinlich, dass dies eines der ersten Dinge war, die seine Mutter über sie erfuhr. »Das war sehr nett von ihr.« Sie schob sich mit der Gabel einen der gegrillten Scampi in den Mund. Ein Hauch von Knoblauch, Zitronengras und kaltgepresstem Olivenöl breitete sich auf ihrem Gaumen aus.
»Sie ist nett«, erklärte Thies. Sein Blick wurde ernst. »Habt ihr einen neuen Fall?«
»Einen Leichenfund in Wohldorf-Ohlstedt«, erwiderte Malin knapp. Sie hatten die Absprache getroffen, Berufliches und Privates weitestgehend zu trennen, da ihre unterschiedlichen Auffassungen zu einigen Themen bereits für Zündstoff in ihrer noch frischen Beziehung gesorgt hatten. Neben seiner Arbeit an der Corvinius Law School arbeitete Thies für eine Streetworker-Station und beriet ehrenamtlich Jugendliche, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren.
»Also ist dein Freizeitausgleich beendet?«
Malin nickte. Sie dachte an den Toten im Ohrensessel. Sofort verging ihr der Appetit. Von einer Sekunde auf die andere fühlte sie sich erschöpft und ausgelaugt und sehnte sich nach ihren eigenen vier Wänden. Sie schob die noch halbvolle Salatschüssel beiseite. »Ich glaube, ich geh lieber schlafen. Bist du mir böse, wenn ich nach Hause fahre? Ich muss morgen früh raus.«
Thies schüttelte ernst den Kopf. »Ich finde es nur sehr schade.«
Wortlos räumte Malin den Tisch ab. Sie wusste, dass sie ihn mit ihrer spröden Art manches Mal vor den Kopf stieß. Dennoch konnte sie nicht aus ihrer Haut.
Als sie das Hausboot wenige Minuten später verließ, hatten sich dicke Wolken am Abendhimmel gebildet.
Es nieselte leicht, als Malin am nächsten Morgen um kurz vor acht die Stufen zum Eingang des Polizeipräsidiums hinaufging. Der moderne Rundbau mit den zehn angefügten Blocks an der Hindenburgstraße im Stadtteil Alsterdorf erinnerte in seiner Form an einen Polizeistern. Das sechsgeschossige Gebäude beherbergte neben den LKA-Abteilungen diverse Verwaltungsstellen der Polizei, die Funkzentrale und den Führungsstab. Da Hamburg den Status eines Stadtstaates hatte, lag hier die Ermittlungsführung für Verbrechensbekämpfung im Verantwortungsbereich des Landeskriminalamtes.
Die Räume des LKA 41, des Fachkommissariats für Tötungsdelikte, befanden sich im dritten Stock und unterschieden sich kaum von anderen Großraumbüros. Hellgraue Möbel, wuchtige Schreibtische, die sich in Zweierblocks gegenüberstanden, und bis zur Decke reichende Aktenregale. Alles wirkte klar strukturiert und nüchtern.
Die Tür zum Büro der Mordkommission stand offen. Ole Tiedemann befestigte gerade Tatortfotos an einem Whiteboard, Sven Andresen saß an seinem Schreibtisch und blätterte in Unterlagen. Die rechte Wange des rothaarigen Ermittlers war geschwollen und bläulich verfärbt. Er trug eine seiner schwarzen Lederhosen und ein schwarzes Seidenhemd. Sein Handgelenk zierten neben einer protzigen Golduhr zahlreiche Lederarmbänder. Im Gegensatz zu dem schlaksigen Tiedemann, der im akkurat gebügelten Hemd und der Bundfaltenhose eher wie ein Steuerberater wirkte, erinnerte der muskulöse Andresen in seinem Auftreten an eine Kiezgröße.
»Guten Morgen.« Malin setzte sich an ihren Schreibtisch. Der gegenüberliegende Platz ihres Kollegen Bartels war verwaist.
»Moin, Malin«, erwiderte Tiedemann.
»Mahlzeit, Brodersen.« Andresen sah sie missmutig an. »Hattest du nicht noch ein paar Tage frei?«
»Gestrichen.«
»Ausgleichende Gerechtigkeit«, murrte Andresen und rieb sich seine geschwollene Wange. »Schließlich durfte ich hier trotz Wurzelbehandlung antanzen.«
Malin musste sich beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen. »Gibt es etwas Neues, Ole?«
Tiedemann drehte sich zu ihr um. »Die Spusi hat einiges an Spuren in Wenningers Haus gefunden. Sie werden gerade ausgewertet.«
»Weiß man schon Genaueres über die Tatwaffe?«
»Bislang nicht, die Waffentechniker sitzen noch an der Hülse. Ist wohl etwas kniffelig, da die Prägung in schlechtem Zustand ist. Aber vielleicht helfen die Projektile weiter, sobald wir sie aus der Rechtsmedizin bekommen.«
»Vielleicht haben wir Glück und es gibt Fingerabdrücke«, überlegte Malin laut.
Andresen erhob sich von seinem Stuhl und platzierte sich auf Tiedemanns Schreibtischkante. Das Leder seiner Hose spannte bedenklich an seinen kräftigen Beinen. »Auf den Projektilen?« Er rieb an seinem Schnauzer. »Schon klar, Brodersen.«
»Ich meine natürlich auf der Hülse«, stellte Malin richtig. »Wenn der Täter unvorsichtig genug war, zu übersehen, dass eine Hülse fehlt, könnte es genauso gut sein, dass er keine Handschuhe getragen hat.«
»Oder die Täterin, Brodersen. Im Allgemeinen verlieren Frauen eher die Nerven und begehen Fehler.« Er warf ihr einen provozierenden Blick zu.
Malin atmete einmal tief durch. »Das ist völlig aus der Luft gegriffen, und das weißt du. Laut Statistik sind im letzten Jahr rund neunzig Prozent aller Morde von Männern verübt worden.« Ihre Stimme wurde lauter. »Bei Totschlag liegt der Prozentsatz sogar noch höher.«
»Siehst du, genau das habe ich gemeint.« Der rothaarige Ermittler grinste süffisant. »Ihr Frauen seid einfach viel zu schnell aus der Ruhe zu bringen.«
Fricke erschien in der Tür. »Wie ich sehe, ist hier alles beim Alten. Anscheinend habt ihr problemlos an dem Punkt angeknüpft, den ihr vor Brodersens freien Tagen erreicht hattet.« Er wandte sich an seinen Stellvertreter. »Seit wann befinden die beiden sich im selben Raum?«
Tiedemann lächelte schmallippig. »Keine fünf Minuten.«
Fricke setzte eine strenge Miene auf. »Wir sind erst am Anfang dieser Ermittlung, zumal wir, solange Fred im Urlaub ist, mit einem Mann weniger auskommen müssen. Also schont meine Nerven und reißt euch zusammen!« Er ging zum Whiteboard mit den Tatortfotos. »Legen wir los. Was wissen wir bisher über diesen Kurt Wenninger?«
Tiedemann rutschte hinter seinen Schreibtisch und zog ein paar Unterlagen zu sich heran. »Leider sind die Informationen bisher eher dürftig. Laut Melderegister wurde er 1936 in Hamburg geboren. Die Familie war bis Anfang der vierziger Jahre unter einer Adresse in Eimsbüttel gemeldet. Der nächste Eintrag stammt dann«, er sah auf einen Computerausdruck, »aus dem Jahr 1949. Interessanterweise umfasst er nur Margarethe und Ilse Wenninger.«
»Ach, und Kurt Wenninger und sein Vater?«
»Unbekannt verzogen«, erwiderte Tiedemann. »Danach gibt es eine zeitliche Lücke. Aber nach dem Krieg war das nichts Ungwöhnliches, das Melderegister musste erst wieder vollkommen neu aufgebaut werden. 1990 taucht der Name Kurt Wenninger im Hamburger Melderegister wieder auf. Und zwar unter der Adresse am Schleusenredder, die wir bereits kennen. Wo Wenninger sich zwischenzeitlich aufgehalten hat, bleibt noch offen.«
Fricke runzelte die Stirn. »Aber er muss doch bei der Anmeldung seine bisherige Wohnadresse angeben haben.«
»Hat er aber nicht«, erwiderte Tiedemann. »Oder die Meldebehörde hat es nicht erfasst.«
»Was hat die Befragung der Schwester ergeben?«
Tiedemann