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Sache mit dem Brief ist merkwürdig«, kommentierte Fricke.

      »Die ganze Situation war merkwürdig. In meinen Augen hatte die Frau einfach nur keine Lust, über den Brief zu sprechen, genauso wenig wie über ihren Bruder. Irgendetwas ist zwischen den beiden extrem schiefgelaufen.«

      Fricke nickte. »Wir behalten die Angelegenheit fürs Erste im Hinterkopf und sehen zu, dass wir mehr Informationen über das Mordopfer bekommen.«

      »Vielleicht sollten wir Wenningers ehemalige Praxis aufsuchen«, schlug Malin vor. »Laut Stefan Biedermann, das ist der Postbote, war Wenninger Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, in Volksdorf.«

      »Ein Seelenklempner?« Andresen rümpfte die Nase. »Vielleicht hat ihn irgendein durchgeknallter Patient umgebracht.«

      »Wenniger war schon achtundsiebzig«, gab Malin zu bedenken. »Er wird schon länger nicht mehr praktiziert haben. Ich kann überprüfen, ob es die Praxis noch gibt, und gegebenenfalls sofort hinfahren.«

      »Gut, mach das«, sagte Fricke. »Vielleicht arbeitet dort noch jemand, der Kontakt mit Wenninger hatte.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Ich habe gleich einen Termin mit dem Pressesprecher, danach fahre ich in die Rechtsmedizin. Sven, du begleitest mich, dann kannst du dir ein besseres Bild machen.«

      »Soll ich mir in der Zwischenzeit einen Überblick über Wenningers Finanzen verschaffen?«, fragte Tiedemann.

      Fricke nickte. »Und gib mir bitte Bescheid, wenn die Spusi mit dem Tatort fertig ist. Wir sollten sehen, was wir in dem Haus noch an Unterlagen finden. Noch Fragen? Keine? Gut, dann an die Arbeit.« Er hob die Hand zum Gruß und verließ den Raum.

      Kurt Wenningers ehemalige Praxis für Neurologie und Psychiatrie in Volkdorf erwies sich als Sackgasse. Zwar hatte Malin mit seinem Nachfolger sprechen können, doch der hatte nur im Rahmen der Übernahme sporadisch Kontakt zu ihm gehabt. Die Abwicklung selbst war von Beratern vorgenommen worden. Obwohl der Patientenstamm im Jahr 2000 Bestandteil des Übernahmevertrages gewesen war, waren seitdem viele Patientenakten dem Schredder zum Opfer gefallen, da die gesetzliche Aufbewahrungspflicht überschritten war. Für die Einsicht in die restlichen noch von Wenninger angelegten Akten verlangte der Praxisinhaber einen richterlichen Beschluss.

      Auch die Gespräche mit zwei von drei Sprechstundengehilfinnen verliefen im Sand. Keine von ihnen hatte mit Wenninger zusammengearbeitet, ebenso wenig wie die dritte im Bunde, die zur Zeit mit Magen-Darm-Grippe das Bett hütete.

      Mittlerweile war es Mittag. Malin saß an der Fensterfront des Asia-Imbisses Seoul an der Alsterdorfer Straße und wartete auf ihre Bestellung, S4, Hühnchen mit Cashewnüssen. Das Seoul lag nur wenige Gehminuten vom Präsidium entfernt und galt unter den LKA-Beamten schon seit langem als Geheimtipp. Die Einrichtung des kleinen Lokals war schlicht. Weiße Kacheln, ein roter Tresen, auf dem ein dicker Buddha thronte, und halbhohe Spitzengardinen. In der offenen Küche hinter der Bedientheke wirbelte der Koch Schulter an Schulter mit der Inhaberin Frau Hu, die alle Hände damit zu tun hatte, Bestellungen entgegenzunehmen.

      »S4!« Frau Hu reichte Malin das dampfende Hühnchengericht und die obligatorische Dose Cola light über die Theke. Malin ging zurück an ihren Fensterplatz und widmete sich ihrem Essen. Ihre Gedanken wanderten zu Thies. Die Enttäuschung über ihren abrupten Aufbruch am vergangenen Abend hatte ihrem Freund im Gesicht gestanden.

      Ich darf das nicht vermasseln, dachte Malin. Nicht schon wieder. Sie trank einen Schluck Cola. Vielleicht war sie auch einfach nur beziehungsunfähig. Seit Thies davon angefangen hatte, sie unbedingt seiner Mutter vorstellen zu wollen, war die Leichtigkeit ihrer Beziehung verflogen. Oder lag es daran, dass sie in einem neuen Fall ermittelte?

      Malin war erst knapp zwölf Monate bei der Mordkommission, hatte sich seitdem aber schon zweimal in äußerst brenzligen Situationen befunden. Das hatte Spuren hinterlassen. Immer wieder gab es Momente, in denen sie sich fragte, ob es beim nächsten Mal genauso glimpflich für sie ausgehen würde. Seit einigen Wochen quälte sie fast jede Nacht ein Albtraum, in dem ihr jemand minutenlang eine geladene Waffe an den Hinterkopf hielt und schließlich abdrückte.

      Ihr Handy klingelte. Es war Fricke. »Konntest du in der Praxis etwas in Erfahrung bringen?«

      »Leider nein.« Malin berichtete von dem Gespräch mit Wenningers Nachfolger.

      »Gibt es noch Personalunterlagen oder die Adressen ehemaliger Mitarbeiter?«

      »Ebenfalls Fehlanzeige. Wenningers letzte Arzthelferin ist 2003 in Rente gegangen. Mehr als den Namen konnte man mir nicht sagen. Es gibt noch einen Restbestand an Patientenakten, aber dafür brauchen wir einen Beschluss.«

      »Gut, ich kümmere mich darum«, brummte Fricke. »Wo steckst du jetzt?«

      »Beim Koreaner, eine Kleinigkeit essen, danach wollte ich zurück ins Büro.«

      Fricke räusperte sich. »Pass auf, Brodersen, ich bin auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Es wäre gut, wenn du dich in Wenningers Haus noch mal etwas genauer umsiehst. Vielleicht findest du ein paar aussagekräftige Unterlagen.«

      »Alles klar, Chef. Ist die Spurensicherung fertig?«

      »Die Kollegen packen gerade ein. Am besten rufst du Glaser an und fragst, wie lange noch jemand vor Ort ist. Wenn ich es schaffe, komme ich später nach. Ansonsten treffen wir uns gegen Abend zur Besprechung im Präsidium. Bis dann, Brodersen.« Er legte auf.

      Draußen regnete es noch immer Bindfäden. Ein Taxi fuhr vorbei. Es erinnerte Malin an etwas, das eine von Wenningers Nachbarinnen gesagt hatte. Die mit den vielen Kindern. Malin zog ihr Notizbuch heraus. Nadine Schröder hatte beobachtet, wie Kurt Wenninger vor zwei Wochen spät in der Nacht mit dem Taxi nach Hause gekommen war. Vielleicht wäre es interessant zu erfahren, woher.

      Malin machte sich eine kurze Notiz und widmete sich dann ihrem Hühnchengericht.

      Eine eigenartige Stille lag über dem Anwesen am Schleusenredder, als Malin vierzig Minuten später ihren Mini vor dem Spitzgiebelhaus abstellte. Endlich hatte es aufgehört zu regnen. Die Thujenhecke und die Pflanzen in den angrenzenden Beeten glitzerten vor Feuchtigkeit. Die Luft roch nach Moos, Tannen und Erde.

      Vor dem Eingang blieb sie stehen. Kein Laut war zu hören. Als wüssten selbst die Vögel, dass der Tod an diesem Ort Einzug gehalten hatte. Malin öffnete die Haustür mit dem Schlüssel, den ihr ein Kollege von der Spurensicherung im Präsidium ausgehändigt hatte.

      Der Leichengeruch hing noch immer in jedem Winkel des Hauses, hatte sich tief in Wände, Böden und Textilien gefressen. Sie zog ein Döschen mit Mentholsalbe aus ihrer Umhängetasche und strich sich etwas davon unter die Nase. Anschließend streifte sie Latexhandschuhe über.

      Im Türrahmen zum Wohnzimmer blieb Malin einen Moment stehen. Die dunkle Holzdecke, der Eichenschrank, die durchgesessene Sofagarnitur und die verblichenen Perserteppiche auf dem Dielenboden, alles sah aus wie beim ersten Mal, als sie diesen Raum betreten hatte. Zumindest fast. Die Kaffeetasse auf dem Beistelltisch fehlte, genauso wie die Leiche.

      Malin löste sich aus dem Türrahmen und fuhr mit ihrer behandschuhten Hand die Bücherrücken in einem der Regalfächer des Eichenschranks entlang. Goethe, Brecht, Mann, Molière, Heine, zahlreiche Klassiker. In weiteren Fächern standen etwa zwei Dutzend in Leder gebundene Bände einer Brockhaus-Enzyklopädie und etliche Fachbücher über Neurologie und Psychiatrie nebst weiteren medizinischen Nachschlagewerken.

      Malin öffnete eine der Schranktüren und entdeckte ein halbes Dutzend Aktenordner.

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