Der dicke Mann. Wolfgang Armin Strauch
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Krawczyk hatte ihr den Schlüssel von dem Panzerschrank gegeben. Sie war ganz in sich gekehrt. Als Adam gegangen war, meinte Alina nur, dass sie nicht allein in die Wohnung gehen würde.
Bei der Abschlussvisite sagte ihm der behandelnde Arzt, dass er zunächst für einen Monat krankgeschrieben sei, um sich zu erholen. Er solle es ernst nehmen. Mazur hörte nicht zu, denn er wollte so schnell wie möglich raus. Am Eingang stand Alina mit Krawczyk. Er hatte den „Wolga“ vom Chef bekommen, um ihn nach Hause zu fahren. Dort würde seine Mutter mit dem Essen warten. Als er vorne einsteigen wollte, bestand Adam darauf, dass beide hinten sitzen. Etwas linkisch setzte sich Andrzej mit Alina auf die breite Rückbank. Der Wagen fuhr los.
Sie rutschte zu ihm heran und legte den Arm um seine Schulter.
„Ich halte dich lieber fest.“
Er drehte sich zu ihr, nahm seinen ganzen Mut zusammen, öffnete den Mund und hörte sich sagen: „Ich liebe dich.“
Sie lachte: „Ich weiß.“
Er strich zärtlich über ihr Gesicht und schob eine Strähne zur Seite. Sie schlossen ihre Augen und küssten sich. Adam sah in den Rückspiegel und grinste.
„Alles klar da hinten?“
Die beiden fühlten sich ertappt. Mazur gab Krawczyk einen Klaps auf die Glatze. „Schau nach vorn, sonst bringst du uns noch um!“
Seine Mutter hatte sich alle Mühe gegeben. Es gab Bigos und Vanillepudding mit Sauerkirschen zum Nachtisch. Mazur war glücklich.
Die Stimmung trübte sich erst, als das Gespräch auf die anstehenden Beisetzungen kam. Nach der Freigabe der Leichen hatte sich Sofia um die Formalitäten gekümmert. Sie kannte sich aus, da sie beim Tod ihres Mannes auch alles allein erledigt hatte. Andrzej war froh, dass seine Mutter sich so engagierte. Sie hatte die junge Frau gern und zeigte es auch. Seit Jahren hatte er sie nicht so erlebt.
Es war eher ein Zufall, dass Mazur seine Lederjacke anzog. Mutter hatte ihm strikt verboten, mit dem Motorrad zu fahren. Er wollte aber Alina nur bis zur Bushaltestelle begleiten. Als er in die Tasche griff, hatte er mit einem Mal einen Zettel in der Hand. Er holte ihn heraus.
„Hanka Wrobel, Zakopane“, las er vor und versuchte, sich zu erinnern.
Alina sah ihn an: „Hanka kenne ich. Sie hat auf mich aufgepasst, als ich noch klein war. Was ist mit ihr?“
„Oh. Das hatte ich ganz vergessen. Wir hatten nach Zeugen gesucht, die mit Jadwiga schon vor dem Krieg gearbeitet hatten. Ein Kollege hatte mir den Zettel gegeben und ich wollte ihn dir geben, als ich …“
Er stockte, fing an zu zittern. Sie nahm ihn in den Arm. Plötzlich kam in ihm alles wieder hoch.
„Soll ich dich wieder nach oben bringen? … Ich kann auch später fahren.“
Andrzej fürchtete, zusammenzubrechen. Alles um ihn herum wurde schwarz. Sie nahm ihn in den Arm und schob ihn die Treppen zur Wohnung hinauf. Gemeinsam mit seiner Mutter brachten sie ihn ins Bett. Der Arzt hatte gesagt, dass er sich schonen sollte. Alina blieb noch eine Weile. Bevor sie sich schließlich auf den Weg machte, sah sie nach Andrzej. Er schlief tief und fest, daher schloss sie leise die Tür, versprach aber, am Nachmittag wieder vorbeizusehen.
Alina hatte für ihr Projekt einen Abschlussbericht vorzubereiten, doch ihr Kopf war wie leergefegt. Sie gab auf und schrieb Hanka Wrobel einen langen Brief.
3. Kapitel
In der Lobby eines Hotels sah ein dicker Mann die lokalen und überregionalen Zeitungen durch. Seine Unterkunft war ihm zu primitiv, daher hatte er sich hierher verzogen, um zu frühstücken. Wohlwollend stellte er fest, dass die Presse es nicht für nötig gehalten hat, sein Bild zu drucken. In einem der Blätter fand er eine Todesanzeige: „Unvergessen: Jadwiga Klimek und Tadeusz Klimek“. Es folgten die Lebensdaten. Als Hinterbliebene war lediglich „Alina Klimek“ aufgeführt. Beisetzungstermin war der kommende Dienstag.
Er brauchte Klarheit. Wenn er nicht für die nächsten Jahre in Angst und Schrecken leben wollte, musste er die Chance nutzen. Der Einbruch in die Wohnung von Jadwiga hatte kaum etwas gebracht. Ein altes Foto, das Jadwiga mit einem Mädchen zeigte, war alles. Es war dumm, sich diesem Risiko auszusetzen. Wäre der Polizist nicht allein gewesen, säße er jetzt im Gefängnis. Der Besuch der Beisetzung erschien ihm ungefährlich. Es war unwahrscheinlich, dass ihn jemand kannte.
Wenn Eva noch leben würde, hätte man sie in der Anzeige genannt. Die Frau, die er als Eva wahrgenommen hatte, könnte deren Tochter sein. Sie hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr. Doch was wusste sie? Die letzte Sicherheit fehlte ihm.
Er hoffte, dass bei der Totenfeier über Eva gesprochen wurde, da sie ja immerhin die Tochter von Klimek war. Danach würde er sich beruhigt in den Zug setzen oder weitere Schritte überlegen.
Er öffnete die Aktentasche. Seine Aufgabe in Krakau hatte er vollständig erfüllt. Die Liste war überraschend lang geworden. Selten hatte er sich seit dem Krieg so wohlgefühlt. Der Tod Jadwigas war nur eine Episode, die er bald vergessen würde. Viel wichtiger waren die Ergebnisse seiner Recherchen. Die Auftraggeber würde zufrieden sein und er den Lohn dafür einstreichen.
Der Mann trank den Rest Kaffee aus und zahlte.
In der Kirche hatte man die beiden Särge nebeneinander aufgestellt. Große Fotos zeigten die Verschiedenen. Auf dem Bild von Tadeusz Klimek war er in Offiziersuniform mit vielen Orden zu sehen. Jadwigas Foto war eher unscheinbar. In einem Sommerkleid sah sie freundlich auf die Trauergäste herab.
Wie verabredet, saßen links Bekannte von Alinas Großvater. Viele von ihnen waren in Militäruniform mit Orden erschienen. Auf der rechten Seite hatten Nachbarn, Bekannte und ehemalige Arbeitskollegen von Jadwiga Platz genommen. Alina hatte sich in die erste Reihe gesetzt. Sie hatte Andrzej und Sofia gebeten, sie zu begleiten.
Mazur hatte sich extra bei seinem Chef die Genehmigung geben lassen. Dieser hatte damit kein Problem, da er bis auf Weiteres von dem Fall abgezogen war. Allerdings hatte er Krawczyk abgestellt, um auf dem Friedhof ein paar Bilder zu machen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Mörder bei der Beisetzung sehen lassen. Außerdem dümpelte der Fall vor sich hin. Nachdem klar war, dass Tadeusz Klimek als Täter nicht mehr infrage kam, blieben zwar die Nachfragen aus Warschau aus, doch ein offener Mordfall war ein Fleck auf seiner weißen Weste. Spätestens, wenn die nächste Beförderung anstand, würde er stören.
Im Vorfeld der Beisetzung hatte sich bei Alina ein Offizier von der Armee gemeldet, um die Zeremonie zu besprechen. Sie wollte erst ablehnen, stimmte dann aber doch zu. Der Offizier hatte darauf hingewiesen, dass sie einem Weltkriegshelden zustehe und die Beerdigungskosten anteilig übernommen würden. Der Kompromiss war, dass er auf eine Rede verzichtete, aber am Grab die üblichen militärische Gepflogenheiten erfüllt würden.
Nach einigem Hin und Her hatte sie sich mit dem Offizier und dem Pfarrer auf eine neutrale Totenrede geeinigt. Sie hatte dann selbst die wichtigsten Lebensdaten zusammengetragen und dem Pfarrer übergeben. Andrzej hatte dafür gesorgt, dass sie schnell den Erbschein bekam, doch war ihr bisher nicht klar, wie viel Geld überhaupt vorhanden war. Die Bank hatte die Konten für sie noch nicht freigegeben. Das Guthaben ihres eigenen