Ethnobombe. Michael Exner

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Ethnobombe - Michael Exner

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meinst du, Alva?“ fragte Sara.

      „Ich rede nicht so gern darüber, vor allem nicht mit gläubigen Menschen. Ich habe dann immer das Gefühl, dass man das als Arroganz interpretiert.“

      „Aber mir kannst du das doch erzählen. Du weißt, dass ich auch eine Atheistin bin.“ lächelte Sara.

      „Es geht darum, wie ich über Religion denke. Ich meine nicht den Glauben an irgendwelche übersinnlichen Wesen, Gottheiten eben. Es soll ja wohl rund 3300 Götter in den Köpfen der Menschen innerhalb von etwa 4000 Religionen geben. Von mir aus kann jeder glauben, was er will, ob an irgendwelche Waldgötter, an Allah, Jesus Christus, Shiva, Buddha oder jeden x-beliebigen Gott, der in der Menschheitsgeschichte je erfunden wurde. Was mich so wütend macht, sind diese Institutionen des Glaubens, die Religionen. Oder nenne es meinetwegen Kirche. Diese Institutionen sind von Anfang an ausschließlich Werkzeuge für Machtgewinnung und Machterhalt gewesen. Wobei es egal ist, ob der Schamane irgendwelcher Naturvölker den besten Teil der Jagdbeute oder das schönste Mädchen des Stammes als Entlohnung für seinen Regen-, Fruchtbarkeits- oder Jagdzauber verlangt. Oder ob die großen Religionen den Kirchenzehnt auch noch vom ärmsten mittelalterlichen Bauern abpressten oder die neuzeitliche Kirchensteuer das Auskommen der Kirchenfunktionäre sichert. Und wenn diese Gelder nicht mehr ausreichen, werden völlig selbstverständlich kirchliche Einrichtungen mit den staatlichen Geldern aller Steuerzahler unterhalten. Dasselbe gilt für die Finanzierung irgendwelcher Kirchenfeste. Und in den Verfassungen dieser Staaten steht dann sowas wie ‚Trennung von Kirche und Staat‘!

      Insgesamt ist der Glaube an Gottheiten die größte Lüge der Menschheitsgeschichte. Die gewaltige Blutspur, die die Religionen aller Couleur seit Anfang des Bestehens der Menschheit hinterlassen hat, kostete Hunderte Millionen das Leben. Denke nur mal an die vielen, die im Namen irgendeines Gottes in den Religionskriegen und den Pogromen des Mittelalters und der Neuzeit gefoltert, erschlagen, geschändet und verbrannt wurden. Das passiert noch heute, siehe Afrika, Südamerika und Asien.“

      „Deine Ansichten erinnern mich an meinen Vater. Der nannte Religiosität manchmal ‚das größte Placebo der Menschheit‘ oder einfach eine ‚kollektive pathologische Verhaltensstörung‘.

      Aber bringst du schon immer diese Einstellung den Religionen entgegen oder hast du die erst als Wissenschaftler entwickelt?“ Sara war jetzt richtig neugierig.

      „Meine Eltern haben mich dazu erzogen, die Welt kritisch zu betrachten, alles zu hinterfragen, was mir über den Weg läuft. Als ich auch nur oberflächlich über die Rolle der Religionen in der Menschheitsgeschichte recherchierte, kam dieser Widerwille auf. Inzwischen bin ich wohl so etwas wie ein Experte auf diesem Gebiet. Und glaube mir, es macht nicht wirklich Spaß, immer wieder zu sehen, wie sich durchaus intelligente und gebildete Menschen die verdrehtesten Erklärungen einfallen lassen, um unwiderlegbare wissenschaftliche Erkenntnisse zu umgehen. Und das geht seit Jahrhunderten so.

      Als Strafe für die Verkündung des heliozentrischen Weltbildes wurde noch gefoltert und gemordet. Als die ersten Flugzeuge keinen alten Mann mit Bart über den Wolken fanden, musste man nach und nach Abstand von der Personifizierung des Gottesbegriffes nehmen. Andere wissenschaftliche Erkenntnisse, wie zum Beispiel der Fund von Millionen Jahre alten Fossilien wurden totgeschwiegen und ignoriert, weil es nicht in die geschriebene und überlieferte Geschichte einer Religion passte, nach der das Universum erst vor ein paar Tausend Jahren erschaffen wurde.

      Insgesamt werden seit Jahrhunderten in allen Religionen von den intelligenteren und gebildeten Gläubigen ständig Rückzugsgefechte geliefert. Heutzutage wird der Gottesglaube in den sogenannten zivilisierten Gesellschaften so verklausuliert, dass kaum mehr als eine verschwommene, allgegenwärtige, höhere Instanz übrig geblieben ist.

      Es gibt noch einen Punkt, über den sich offensichtlich kaum jemand Gedanken macht. Sämtliche dieser widerlichen Religionen haben die Entwicklung der Menschheit während vieler Jahrhunderte verhindert oder verzögert, indem man neue Erkenntnisse, die nicht in ihre Ideologie passten, verleugnete und ihre Vertreter verfolgte. Das Schlimmste ist aber, dass vom Anfang der Entwicklung praktisch aller religiös geprägter Zivilisationen ein Grundsatz verfolgt wurde: das absolute Patriarchat in der Gesellschaft. Die Rolle der Frau wurde auf die der Mutter und der Hüterin des Herdes reduziert. Man hat eifersüchtig darauf geachtet, dass nur Männer an wissenschaftlicher Bildung partizipieren und als Einzige an allen größeren Entscheidungen beteiligt sind. Man hat also viele Jahrtausende die Hälfte der Menschheit von deren Weiterentwicklung ausgeschlossen. Das ist in vielen zurückgebliebenen Gesellschaften noch heute so. Beispiele sind viele muslimisch geprägte Kulturen, in denen die Ablehnung der Bildung von Frauen soweit geht, dass Mädchenschulen von religiösen Fundamentalisten beschossen und gesprengt werden. Das ist die typische Mischung aus Dummheit und Arroganz – Religion eben.“

      „Aber gerade in den fortschrittlichen Gesellschaften der alten und neuen Welt laufen die Menschen den Religionen in Scharen davon, und das geht seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts so. Ich habe letztens mal gelesen, dass es in Europa Gegenden gibt, in denen sich nur noch etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen als gläubig bezeichnen. Weit voraus in dieser Entwicklung ist da wohl Ostdeutschland, nicht weit dahinter Tschechien.“

      „Ja, das ist ein Hoffnungsschimmer.“ Alva lächelte müde. „Aber in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens treibt die neue Armut die Leute wieder reihenweise in die Arme der Priester, Priore, Muftis und Imame, Lamas und Schamanen oder wie diese Rattenfänger alle heißen mögen. Jeder kennt diese Bilder von sich kasteienden Mönchen oder von Millionen Muslimen, die ihr halbes Leben sparen, um zur Hadsch nach Mekka zu reisen und sieben Mal um die Kaaba zu laufen. Oder von den alten Frauen, die mit blutigen Knien zu irgendeinem Heiligtum kriechen, um den Segen eines beliebigen und auswechselbaren Heiligen zu erflehen. Und das durchaus in Ländern, wo die Leute jederzeit die Möglichkeit und Zugriff auf Bildung haben.

      Wie schon gesagt, ich behaupte nicht, dass es diesen Leuten völlig an Intelligenz fehlt. Ich bin nur überzeugt, dass ihnen eine wichtige Eigenschaft abgeht: die Fähigkeit, scheinbar Unumstößliches, in Fels Gemeißeltes kritisch zu hinterfragen.

      Denn dann sollten die meisten erkennen, dass das, was ihnen von frühester Kindheit durch Scharen Ewig Gestriger eingebläut wurde, einfach nur horrender Unsinn ist.“

      Alva vergrub das Gesicht in den Händen. Dann stand er auf.

      „Aber das sollte uns nicht den Abend verderben. Wollen wir essen gehen?“

      „Nee, jetzt renn nicht weg. Wie erklärst du dir das denn? Es muss doch einen Grund geben, warum einzelne Menschen und ganze Kulturen so etwas wie ein Verlangen nach Unterwürfigkeit unter eine höhere Instanz entwickelt haben?“

      „Ich vergleiche das gern mit der Entwicklung eines Kindes. In den ersten Jahren nach dem Säuglingsalter sind Kinder empfänglich für den Glauben an Figuren wie den Weihnachtsmann, den Osterhasen oder viele andere imaginäre Figuren anderer Kulturen. Mit fortschreitendem Wissen wird die Existenz dieser Kindheitsfiguren immer unwahrscheinlicher – das Kind folgert aus fortschreitendem Erkenntnisgewinn die Unwahrscheinlichkeit dieser Märchenfiguren.“

      „Und in welcher Phase der Kindesentwicklung befindet sich die Menschheit deiner Meinung nach jetzt?“ Sara war gleichzeitig fasziniert wie belustigt über die Art, wie Alva das Problem darstellte.

      Er lächelte zurück: „Natürlich ist der Entwicklungsstand sehr unterschiedlich auf unserer Welt, aber ich denke, dass selbst die gebildetsten Völker noch nicht weiter als Vorschulkinder sind.“

      „Das klingt nicht sehr schmeichelhaft, Alva.“

      „Wieso, es heißt doch nur, dass wir noch jede Menge Potenzial haben.“

      „Ja,

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