Träumen. Gottfried Wenzelmann

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Träumen - Gottfried Wenzelmann

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Triebe verbergen wollten. Um die Träumenden vor der Dynamik der verbotenen andrängenden sexuellen Triebe zu schützen, fungiert, Freud zufolge, der Traum, der im Vorbewussten zwischen den triebhaften Teilen des Unbewussten und dem Bewusstsein liegt, als „Hüter des Schlafes“. So bietet der Traum die von Scham besetzten Wünsche nur verschlüsselt dar. Dabei kommt es im Traum zu Symbolbildung, Dramatisierung, Verschiebung (eine Person in der Realität kann durch eine andere ersetzt werden), Verdichtung (zwei getrennte Situationen/Personen können durch eine einzige repräsentiert werden), Umkehrung (ein Mann kann z. B. durch eine Frau dargestellt werden oder umgekehrt) und zur Umwertung von psychischen Werten. Ein Symbol kann also für etwas ganz anderes, ja sogar Gegenteiliges stehen und so den Träumer täuschen. Vor diesem Hintergrund unterscheidet Freud zwischen dem manifesten, also offenkundigen, und dem latenten, also verborgenen Trauminhalt, wobei für ihn der latente Trauminhalt das eigentliche Traumthema enthält, das jedoch unbewusst bleibt. Im manifesten Traum erscheint der latente Trauminhalt zensiert, also von der unbewussten Traumzensur unkenntlich gemacht.

      Kennzeichnend für die psychoanalytische Traumdeutung ist die freie Assoziation: Der Träumer soll spontane Einfälle zum Thema und zu den Gestalten des Traums äußern. Auf diese Weise vermag Freud auch Details der Träume in der Deutung zu erfassen. Er leitet so zur Begegnung der Träumenden mit ihrem Traum von innen her an. In der Assoziation und ihrer Deutung durch den Therapeuten ereignet sich die Spurensuche vom manifesten zum latenten Trauminhalt; das ist für Freud die eigentliche Traumarbeit als „Via Regia“ (Königsweg) zum Unbewussten.

      Was ist nun zum psychoanalytischen Umgang mit Träumen zu sagen?

      Der auf den einzelnen Träumer zentrierte Ansatz hat in jedem Fall seine volle Berechtigung; er ermöglichte einen grundlegend neuen Umgang mit Träumen. Das Verständnis des menschlichen Seelenlebens wurde dadurch enorm vertieft. Freud hat das Verständnis für das Unbewusste angestoßen.

      Nehmen wir die Grenzen dieses Ansatzes in den Blick, so sind fünf zu nennen:

      – Für Freud bleibt der Träumer auf den Fachmann angewiesen. Ohne die „detektivische“ Arbeit des Psychoanalytikers ist das tiefere Anliegen des Traums kaum zu erkennen. Dabei kann ein heikles Machtgefälle entstehen: Der Träumer ist dem deutenden Fachmann in gewisser Weise ausgeliefert und es entsteht eine Abhängigkeit zum Experten, wenn der Träumende die „richtige“ Deutung seines Traumes erfahren will.

      – Der sogenannte manifeste Traum hat nach Freuds Lehre zumeist eine andere Bedeutung als der sogenannte latente Trauminhalt: Dagegen zeigt es sich in der Praxis der Traumdeutung, dass der von Freud als manifest bezeichnete Trauminhalt gerade der eigentliche Inhalt ist. Die Theorie der Verhüllung in Traumbildern hatte geradezu einen schädlichen Einfluss auf den Umgang mit Träumen, weil sie die Vorstellung verbreitete, Träume seien darauf aus, uns zu täuschen. Wie starr das psychoanalytische Verständnis des Traumes werden kann, zeigt die Äußerung Fritz Morgenthalers: „Das, was im manifesten Traum erinnert wird, kann niemals der Ausdruck des Unbewussten sein.“13 Mit einer solchen starren Theorie tut man den Träumen Gewalt an. Der Traum verbirgt nicht das, was er sagt, sondern er „entbirgt“ es in seinen Symbolen und Szenen; er täuscht nicht, sondern offenbart Wahrheit. Verschleierung ist eher eine Funktion der wachen Psyche, nicht die des Traumes.

      – Fragen ergeben sich auch im Hinblick auf eine von Freud intendierte einseitige sexuelle Auslegung der Träume: Sicher kommen sexuelle Symbole immer wieder zur Sprache. Aber die Traumdeutung einseitig auf die Verdrängung sexueller Wünsche hin auszurichten, ist für viele Träume unangemessen.

      – Freud hat die kausale Annäherung an Träume ins Zentrum seines Interesses gerückt, weil seine ganze psychologische Theorie sich auf das Es konzentriert. Das führt leicht dazu, den möglichen prospektiven, den auf das Zukünftige gerichteten Aspekt in den Träumen zu übersehen. Dieser ist häufig im Hinblick auf Entwicklungsmöglichkeiten der Träumenden sehr fruchtbar.

      – Zu den Grenzen des freudschen Umgangs mit Träumen gehört schließlich seine Einstellung zur Religion. Diese Grenze ist gerade vor dem Hintergrund der seelsorglichen Fragestellung dieses Buches zu erwähnen. Es ist, wie weiter unten dargelegt werden wird, sehr angemessen, für religiöse Aspekte in den Träumen bewusst offen zu sein.

      3.2 Alfred Adler (1870–1937)

      Blickte Freud in seiner Traumdeutung überwiegend in die biografische Vergangenheit des Träumers, interessierte sich Alfred Adler14 für die zukünftigen Ziele, die sich im Traum zeigen. Adler sieht im Traum eine Bewegung vom Heute zum Morgen und sieht die Beziehungsgestaltung der Träumer als fundamental. Der Begründer der Individualpsychologie befasste sich in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig mit dem Streben nach Macht, der Überwindung des Minderwertigkeitsgefühls und der Bewältigung von Lebensaufgaben. Die Mischung dieser drei grundsätzlichen Lebensabsichten bildet das „Gemeinschaftsgefühl“ des Menschen; dieser Begriff ist für die Individualpsychologie grundlegend. Er ist individuell geprägt und wird in dieser Psychologie als der persönliche Lebensstil bezeichnet.

      In diesem Rahmen interpretiert Adler die Träume: In seinem Umgang mit Träumen rückte Adler von Freuds Gedanken eines latenten Traumwunsches ab und verstand den manifesten Traum als Ausdruck des Lebensstils. Der Traum setzt den Lebensstil des Träumers in Szene. Man kann sagen, dass der Traum so etwas wie ein bildhafter Kommentar zur aktuellen Lebenssituation des Träumers darstellt. Entsprechend hat die Traumdeutung die Aufgabe, den Lebensstil der Träumenden, gleichsam das Bewegungsgesetz mit seinen in der Kindheit entwickelten Grundmustern, zu erschließen. So sagt der Traum für Adler zentral etwas über unser Denken, Fühlen und Handeln aus. Dabei kommen die Lebens-Grundüberzeugungen und die Ziele ans Licht, die etwas über die Ansichten des Träumers sagen, wie er sein Leben führt und Verantwortung wahrnimmt. Diese Lebens-Grundüberzeugungen können lebensfördernd oder – leider weitaus häufiger – lebensbehindernd wirken. Der Traum kann auf unbewusste neurotische und irrige Ziele hinweisen. Dazu kann die immer wieder auftauchende Strategie gehören, aus einem Empfinden von Minderwertigkeit oder Unvollkommenheit heraus unbewusst überwertige Lösungen anzustreben, um doch noch eine Überlegenheit oder die ersehnte Übervollkommenheit zu erreichen.

      Zwei Fragen prägen das individualpsychologisch geführte Traumgespräch:

      – In welcher Weise lässt der Traum den Lebensstil des Träumenden erkennen? Was sind seine Lebensziele und Absichten?

      – Was sagt der Traum über das Verhältnis des Träumers zur Gemeinschaft?

      Mit der Hilfe dieser beiden Fragestellungen sollen die Träumenden dazu geführt werden, neurotische Ziele zu erkennen und einen dysfunktionalen Lebensstil zu verändern.

      Was ist zum individualpsychologischen Umgang mit Träumen zu sagen?

      – Auf der positiven Seite hat Adler dazu beigetragen, die Engführung, die mit der Traumdeutung Freuds gegeben war, zu überwinden. Viele Träume lassen sich nicht auf ein sexuelles Problem hin deuten. Da erweist es sich als eine hilfreiche Blickerweiterung, in den Träumen den Lebensstil der Träumenden herauszuarbeiten.

      – Adler hat ferner mit seiner Traumdeutung die soziale Verfasstheit des Menschen zentral in den Blick genommen. Mangel, Minderwertigkeit und Macht sind Faktoren, die stark emotional besetzt sind und in Träumen auf vielfältige Weise ihren Ausdruck finden.

      Blicken wir auf die Grenze der individualpsychologischen Traumdeutung:

      – Adlers Deutung der Träume hat eine erneute Einengung mit sich gebracht: Träume alleine unter dem Blickwinkel des Lebensstils und des Gemeinschaftsgefühls zu betrachten, schließt wichtige Bedeutungsgehalte der Träume aus. In Träumen können

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