Finite-Elemente-Methoden im Stahlbau. Matthias Krauß
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Grundlagen der FEM
2.1 Allgemeines
Wie bereits mit Bild 1.1 erläutert, wird ein baustatisches System bei der Berechnung mit der FEM durch finite Elemente diskretisiert, d. h., das System wird in eine geeignete Anzahl von Elementen unterteilt, die in den Knoten miteinander verbunden sind und auch Zwischenknoten aufweisen können. Anschließend werden die Schnittgrößen und Verformungen entweder mit dem Weggrößen- oder mit dem Übertragungsverfahren berechnet. Wegen der herausragenden Bedeutung wird im Folgenden ausschließlich das Weggrößenverfahren, das häufig auch Verschiebungsgrößenverfahren genannt wird, behandelt. Gelegentlich spricht man auch von der Deformationsmethode. Das Übertragungsmatrizenverfahren wird im Hinblick auf einen besonders geeigneten Anwendungsfall in Abschnitt 3.13 erläutert.
2.2 Grundideen und Methodik
Wenn man baustatische Systeme mit dem Weggrößenverfahren untersucht, so folgt der Berechnungsablauf stets einer gleichbleibenden und sehr schematischen Vorgehensweise. Daraus ergibt sich, in Verbindung mit der universellen Eignung für breit gefächerte Aufgabenstellungen, der überwältigende Erfolg des Verfahrens. Nachteilig ist jedoch neben der relativ stark mathematisch ausgerichteten Lösungsmethode, dass die Grundideen des Verfahrens nicht unmittelbar ersichtlich sind. Da sie für das Verständnis von großer Bedeutung sind, werden sie hier in Zusammenhang mit der Methodik erläutert.
Als Beispiel wird das baustatische System in Bild 2.1a betrachtet. Es handelt sich um einen ebenen Rahmen, für den die Schnittgrößen und Verformungen nach der linearen Stabtheorie ermittelt werden sollen. Der Rahmen hat in den horizontalen und schrägen Teilen unterschiedliche Querschnitte und wird durch die Lastgrößen F und g in der Ebene belastet. Eine wesentliche Grundidee der FEM ist bekanntlich die Aufteilung eines Tragwerks in finite Elemente, die in den Knoten miteinander verbunden sind. Wie Bild 2.1b zeigt, kann der ebene Rahmen in vier Stabelemente mit fünf Knoten aufgeteilt werden. Für baupraktische Berechnungen würde man eine feinere FE-Modellierung vornehmen, weil man dafür Schnittgrößen und Verformungen in engeren Abständen benötigt, die bei der groben Aufteilung in Bild 2.1b mit nachträglichen Berechnungen ermittelt werden müssen.
Bild 2.1 Grundlegendes Beispiel zum Verständnis der FEM
Erforderlich bzw. zweckmäßig ist es, Knoten wie folgt anzuordnen:
bei Lagern, Einzellasten und Punktfedern
am Anfang und Ende von Streckenlasten, Streckenfedern und Schubfeldern
bei Querschnittssprüngen
bei Richtungsänderungen der Stäbe (Knicke, Ecken)
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass man bei den Lasten auf die Knoten durchaus verzichten kann, wenn man wie in Abschnitt 3.9 erläutert die entsprechenden Umrechnungen vornimmt. Knoten 2 in Bild 2.1b ist daher nicht zwingend erforderlich.
Lagerbedingungen sind im Sinne der FEM geometrische Randbedingungen. Sie beziehen sich wie auch Einzellastgrößen und Punktfedern stets auf das globale Koordinatensystem und haben daher zu X und Z entsprechende Richtungen. Aus diesem Grund ist die Einzellast F in Bild 2.1a in ihre Komponenten FX2 und FZ2 zerlegt worden (Bild 2.1c), und die Vorzeichen sind positiv, wenn die Wirkungsrichtungen mit X und Z übereinstimmen. Auflagerreaktionen (mit dem Index „R“ gekennzeichnet), sind entgegen X und Z positiv definiert.
Im Zusammenhang mit den Stabelementen werden lokale x-z-Koordinatensysteme verwendet und sowohl Streckenlasten als auch Streckenfedern den Stabelementen zugeordnet. Die „Elementlast“ qz4 in Bild 2.1c bezieht sich daher auf die lokale z-Ordi-nate von Element 4. Sie wird später (s. Bild 2.3 bis Bild 2.5) in äquivalente Knotenlasten umgerechnet, die sich auf das globale X-Z-KOS beziehen. Die Auflagerreaktionen in Bild 2.1c sind unbekannte Größen, die bekanntlich mit den Lastgrößen im Gleichgewicht stehen müssen.
Ein nächster wichtiger Punkt beim Weggrößenverfahren ist die Definition der Verschiebungsgrößen, siehe Bild 2.1d. In jedem Knoten treten die drei Größen
Eine weitere wesentliche Grundidee der FEM besteht darin, die Knoten eines Tragwerks freizuschneiden und an den Knoten mithilfe des Prinzips der virtuellen Verrückungen bzw. der virtuellen Arbeit das Gleichgewicht zu formulieren:
(2.1)
Das Prinzip wird in Abschnitt 2.4.2 erläutert. Beispielhaft wird in Bild 2.2 der Knoten 4 des ebenen Rahmens betrachtet. Die Einzellastgrößen führen zur äußeren virtuellen Arbeit δWext, die Knotenschnittgrößen der angrenzenden Stabelemente zur inneren virtuellen Arbeit δWint. Dabei ist zu beachten, dass sich die Knotenschnittgrößen mit Querstrich ebenso wie die Lastgrößen auf das globale X-Z-KOS beziehen und sich entsprechend die virtuelle Arbeit mit den globalen Knotenverformungsgrößen ergibt. Die Richtungen bzw. Vorzeichen der Knotenschnittgrößen ergeben sich aus dem Gleichgewicht mit den Stabendschnittgrößen (Richtung wie die Lastgrößen!), die übrigens an beiden Elementenden mit den angegebenen Richtungen positiv definiert sind. Die daraus resultierende Vorzeichendefinition