Wirtschaftsprüfung für Dummies. Holger Wirtz
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Doch auch bei Beachtung aller Regelungen und höchster Sorgfalt kann im Rahmen einer Abschlussprüfung keine absolute Sicherheit darüber erlangt werden, dass der geprüfte Abschluss frei von wesentlichen Fehlern ist. In diesem Zusammenhang stellte sich etwas Wichtiges heraus: Das, was viele für die Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers halten, ist oft gar nicht seine Aufgabe. Dieses Phänomen der Erwartungslücke erkläre ich Ihnen in diesem Kapitel.
Als Erwartungslücke bezeichnet man das Phänomen, dass die Erwartung der Öffentlichkeit bezüglich der Leistungen des Abschlussprüfers von dessen tatsächlichem gesetzlichem Auftrag abweichen kann.
Ursache der Erwartungslücke sind die inhärenten Grenzen einer Abschlussprüfung:
der begrenzte Informationsgehalt der Rechnungslegung (Accounting Gap)
der begrenzte Auftrag des Abschlussprüfers
die Notwendigkeit, die Prüfung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums und zu vertretbaren Kosten durchzuführen
Der Accounting Gap: Begrenzter Informationsgehalt von Jahresabschlüssen
Gegenstand der Jahresabschlussprüfung ist der Jahresabschluss, der im Wesentlichen aus zwei Teilen besteht:
einer Bilanz und
einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung.
In einer Bilanz werden das Vermögen und die Schulden gegenübergestellt. Dadurch wird die Vermögenslage abgebildet und als Saldogröße das Eigenkapital bestimmt.
Entsprechend werden in einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung Erträge und Aufwendungen einander gegenübergestellt. Auf diese Weise wird die Ertragslage abgebildet und als Saldogröße der Jahresüberschuss ermittelt.
Vielleicht fallen Ihnen bei der Lektüre dieser Sätze Ihre ersten Übungsstunden in der doppelten Buchführung ein. Durch die »Verbuchung« von Geschäftsvorfällen auf den verschiedenen Konten haben sich damals die Zielgrößen Jahresüberschuss und Eigenkapital ganz automatisch ergeben.
Im Rahmen des weiteren Studiums haben Sie dann festgestellt, dass durch die Anwendung unterschiedlicher Bewertungsgrundsätze die Verbuchung identischer Geschäftsvorfälle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
Beispiele sind:
die Verwendung von Zeitwerten (Fair Values), die in einem IFRS-Abschluss zu einem höheren Eigenkapital führen kann, als es sich bei Verwendung der fortgeführten Anschaffungskosten in einem HGB-Abschluss ergibt
unterschiedliche Zeitpunkte der Erlösrealisierung (beispielsweise infolge von Teilgewinnrealisierungen nach der Percentage-of-Completion-Methode)
die Verwendung unterschiedlicher Zinssätze bei der Abzinsung von Rückstellungen (beispielsweise 6 Prozent bei Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz)
die Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten oder unterschiedliche Abschreibungsmethoden für erworbene Geschäfts- oder Firmenwerte
Es gibt also keinen allgemein »wahren« Vermögens- oder Gewinnbegriff. Vielmehr ergeben sich in Abhängigkeit von den angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen unterschiedlich hohe Periodengewinne, welche gleichwohl im Kontext der jeweiligen Rechnungslegungsgrundsätze den jeweils »richtigen« Gewinn darstellen.
Nach § 264 HGB soll der handelsrechtliche Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft
unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermitteln.
Sowohl die deutschen handelsrechtlichen Rechnungslegungsgrundsätze als auch die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze verfolgen das Ziel eines Jahresabschlusses zu allgemeinen Zwecken. Das bedeutet, dass der Jahresabschluss auf die Informationsbedürfnisse möglichst vieler Adressaten ausgerichtet sein soll, welche möglicherweise sehr unterschiedliche Informationen für ihre Entscheidungsfindung benötigen.
Während eine kreditgebende Bank vermutlich eher an der Werthaltigkeit einzelner Vermögensgegenstände interessiert ist, stellt sich den Gesellschaftern bei der Festlegung von Gewinnausschüttungen vielleicht eher die Frage nach der Höhe des erzielten Gewinns oder der im Unternehmen verfügbaren Liquidität.
Da unterschiedliche Adressaten unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben, können nicht alle Erwartungen an die Aussagekraft von Jahresabschlüssen gleichermaßen erfüllt werden. Diese erste Stufe der Erwartungslücke nennt man Accounting Gap.
Ein Jahresabschluss, der unter Beachtung bestimmter Rechnungslegungsgrundsätze aufgestellt wurde, kann nicht alle Erwartungen unterschiedlichster Adressaten gleichermaßen erfüllen und ist deshalb für unterschiedliche Adressaten unterschiedlich aussagekräftig.
Der gesetzliche Auftrag des Abschlussprüfers
Der offengelegte Jahresabschluss stellt für einen breiten Kreis von Personen und Einrichtungen eine wichtige Informationsquelle über das Unternehmen dar. Durch die Abschlussprüfung soll deshalb das Vertrauen in den Jahresabschluss erhöht und ein Beitrag zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Märkte geleistet werden.
Nach § 317 HGB erstreckt sich die Prüfung des Jahresabschlusses darauf, ob die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften zur Rechnungslegung beachtet worden sind.
Die handelsrechtliche Abschlussprüfung ist eine Gesetzmäßigkeitsprüfung. Durch die Abschlussprüfung soll festgestellt werden, ob die Rechnungslegung den gesetzlichen Vorschriften zur Rechnungslegung entspricht. Ein Jahresabschluss verdient einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, wenn er unter Beachtung der verwendeten Rechnungslegungsgrundsätze aufgestellt wurde. Nicht mehr und nicht weniger.
Bei der Erteilung eines Bestätigungsvermerks nach einer Abschlussprüfung ist nicht entscheidend, ob sich ein Unternehmen wirtschaftlich positiv entwickelt. Relevant ist ausschließlich, ob die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zutreffend im Abschluss dargestellt wird. Ein Prüferversagen liegt also nur dann vor, wenn Verstöße gegen die Rechnungslegungsgrundsätze nicht aufgedeckt werden.
Die gesetzliche Abschlussprüfung ist zudem nicht als eine amtliche Untersuchung von behauptetem Fehlverhalten konzipiert. So hat ein Abschlussprüfer keine besonderen gesetzlichen Befugnisse (zum Beispiel