Germanias Vermächtnis. Swen Ennullat

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Germanias Vermächtnis - Swen Ennullat

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nickte, brummte Levitt: „Sind Sie sicher, dass wir ihn wirklich brauchen? Er wird nur Ärger machen! Schauen Sie sich ihn doch nur einmal an! Ich habe schon Penner gesehen, die im Vergleich zu ihm wie Top-Manager wirkten.“

      Julia schüttelte den Kopf: „Sie haben keine Ahnung, was in ihm steckt! Wir haben Dinge erlebt und gesehen, die die meisten Menschen nie erleiden müssen. Es ist nur verständlich, dass ihn das mitgenommen hat. Ich habe zugestimmt, Ihnen zu helfen, weil ich die Sache für mich zu Ende bringen möchte. Aber das kann ich nur mit ihm an meiner Seite! Also fahren Sie endlich los und bringen Sie uns hier weg!“

      „Meinetwegen“, seine Stimme klang immer noch etwas knurrig, „aber ich fürchte, sobald er wieder nüchtern ist, wird er wohl erneut auf unsere Gesellschaft verzichten wollen. Ich glaube, er hat sich entschieden, sich einfach selbst zu Grunde zu richten.“

      „Nein“, Julias Stimme war zwar leise, weil Sie Torben, der mittlerweile neben ihr weggenickt war, nicht aufwecken wollte, aber sie klang fest und entschlossen, „er hat nur versucht, alleine mit seinen Schuldgefühlen fertig zu werden, und das ist ihm nicht gelungen. Ich war zu hart zu ihm, und es war mein Fehler, ihn gehen zu lassen. Ich weiß, dass wir einander brauchen, um uns gemeinsam unseren Ängsten zu stellen, und er weiß es jetzt auch! Da bin ich mir ziemlich sicher!“

      Levitt brabbelte noch eine Antwort, die wie ein sarkastisches „Na, wenn Sie es sagen!“ klang, und fuhr los. Julia hörte aber schon längst nicht mehr zu, sondern sah den schlafenden Torben lange an und flüsterte ihm zu: „Ich werde alles tun, um dir zu helfen!“ Es wirkte aber fast, als sagte sie das eher zu sich selbst.

      Torben bezog gemeinsam mit Julia, Levitt und einem weiteren, jüngeren Mossad-Agenten namens Mosche Shalev, den er ebenfalls bereits kannte, ein paar nebeneinander liegende Zimmer in der zweiten Etage eines schäbigen Motels. Mosche wurde, seitdem er ihre kleine Truppe am Hamburger Flughafen in Empfang genommen hatte, die Rolle des Fahrers zuteil. Und Levitt? Ja, Levitt schien irgendwie zum Anführer ihrer Gruppe aufgestiegen zu sein. Er fällte mittlerweile nahezu alle Entscheidungen, ob nun wichtig oder nicht.

      Torben versuchte, sich an möglichst viel zu erinnern, was in den letzten Stunden geschehen war.

      Thailand lag noch nicht einmal zwei Tage zurück, und doch kam es ihm so vor, als sei eine kleine Ewigkeit vergangen. Julia hatte nicht gelogen, als sie davon sprach, ihn nach Hause bringen zu wollen, wenn man den Begriff Zuhause etwas weiter definierte und damit lediglich das Heimatland meinte, denn in Deutschland waren sie schon mal.

      Er konnte sich durch seinen letzten Rausch nicht an jedes Detail ihrer Reise erinnern. Nachdem sie ihn in der Bar aufgelesen hatten, brachten sie ihn wohl gleich in sein Hotel und stellten ihn unter eine kalte Dusche, die ihn in die Lage versetzte, zumindest für die nächsten Stunden halbwegs auf den Beinen zu bleiben. Levitt und Julia packten – von seinen Flüchen und Verwünschungen begleitet, als das eiskalte Wasser auf ihn niederprasselte und sich in seinem Kopf wie tausend kleine Nadeln bohrte – eilig seine Sachen zusammen und beglichen die offenen Rechnungen. Als das erledigt war, verfrachteten sie ihn wieder in den Toyota und kündigten ihm an, dass ihr nächstes Ziel der Flughafen Bangkok sei. Torben, noch halb betrunken, hatte nur mit den Schultern gezuckt, was von beiden als Zustimmung aufgefasst wurde. Von der eigentlichen zweistündigen Fahrt bekam er nicht viel mit, weil er tief und fest schlief. Am Flughafen wurde er dann auch recht grob von Levitt geweckt, weil es Julia einfach nicht gelingen wollte.

      Verschlafen und verkatert, wie er war, registrierte er kaum, dass sie ein uniformierter Flughafenbeamter am Zoll und allen anderen Kontrollen vorbei hastig zu einer Linienmaschine brachte. Sie hatten kaum ihre Sitze in der Business Class eingenommen, da rollte der Flieger auch bereits auf die Startbahn. Torben war mittlerweile sowieso alles egal, denn die Trunkenheit oder genauer die Betäubung seiner Nervenbahnen ließ langsam nach. Während Julia und Levitt ihre Sitze in Liegepositionen brachten, um sich auszuruhen, übergab er sich mehrfach auf der Flugzeugtoilette und fühlte sich hundeelend. Erst nach einigen Stunden, in denen er im Halbdunkel ständig und fast schon zwanghaft Julia in ihrem unruhigen Schlaf beobachtete, klangen die schmerzhaften Magenkrämpfe ab, und die Müdigkeit überwältigte ihn. Er wachte erst auf, als sie im Landeanflug auf Frankfurt am Main waren.

      Julia schien genauso wie er noch ziemlich verschlafen zu sein. Sie lächelte ihm müde aber aufmunternd zu. Im Gegensatz zu ihnen beiden wirkte Levitt erstaunlich frisch. Irgendwie war es dem Mossad-Agenten sogar gelungen, sich zu rasieren. Als Torben das bemerkte, strich er sich unbewusst über seine langen Bartstoppeln. Er konnte sich nicht einmal mehr an seine letzte Rasur erinnern.

      Die Temperaturen waren in Deutschland zwar bedeutend niedriger als in Thailand, aber eine strahlende Sonne verkündete, dass es ein angenehmer Frühsommertag werden würde.

      Zeit, das schöne Wetter zu genießen, blieb nicht, denn Levitt drängte schon wieder zum Aufbruch, da sie ihre Reise mit einem innerdeutschen Flug nach Hamburg fortsetzen sollten. Und so bestand Torbens Frühstück dann auch lediglich aus einem Coffee to go in der Ankunftshalle, den er unbemerkt von seinen Begleitern mit etwas Cognac aus einer kleinen Schluckflasche aus einem Duty-Free-Shop aufpeppte.

      Leidlich wiederhergestellt und am Nachmittag endlich in der Lage, einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen, erfuhr Torben erst in der Hansestadt, wo sie auf einen breit grinsenden Mosche trafen, warum sie so in Eile waren. Es war Julia, mit der er bisher kaum ein offenes Wort wechseln konnte, die ihn jetzt in einem kleinen Zimmer eines bestenfalls zweitklassigen Hotels darüber aufklärte.

      Es war das erste Mal auf diesem Trip, dass sie wirklich allein waren und Torben erinnerte sich, dass ein ähnlicher Moment bereits mehr als zwei Monate zurücklag. Sie waren sich in Wien nähergekommen, obwohl Michael zu jener Zeit noch am Leben war, der, damals wie heute, wie eine riesige Mauer zwischen ihnen stand.

      Julia brach als erste das Schweigen: „Torben, wie geht es dir? Ist soweit alles okay?“

      Während sie bei ihrer Frage an der Tür stehen blieb, bewegte sich Torben in Richtung Bett, ließ sich darauf fallen und antwortete etwas scherzhaft: „Ich fühle mich so, wie ich aussehe! Die nächsten Tage sollte ich wohl lieber auf Alkohol verzichten.“

      „Kannst du das denn?“ Die Bemerkung klang beiläufig, sollte ihn aber trotzdem direkt treffen.

      Er ignorierte die Anspielung und stellte selbst eine Frage: „Okay, was um alles in der Welt machen wir hier?“

      Sie seufzte, setzte sich neben ihn, nahm seine Hand und sagte leise: „Ganz einfach – ich möchte, dass diejenigen, die für den Tod deiner Mutter und Michaels verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden.“

      „Aber, das ist …“ Weiter kam Torben mit seiner Antwort nicht, denn Julia schnitt ihm sofort das Wort ab und entgegnete energisch: „Kein Aber! Das sind wir ihnen schuldig! Es geht mir nicht um Rache, sondern um Gerechtigkeit!“

      Kopfschüttelnd erwiderte Torben darauf: „Was wir wollen spielt keine Rolle! Julia, diese Geschichte ist zu groß für uns! Begreifst du das noch immer nicht? Diese Leute sind zu allem fähig! Gerade du müsstest das am besten wissen!“

      „Das brauchst du mir nicht zu sagen“, ihre Stimme wurde leiser, „sobald ich meine Augen schließe, sehe ich Michaels entstellten Leichnam vor mir.“

      Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach: „Torben, ich muss mich dieser Sache stellen, um wieder ein normales Leben zu führen.“ Ihr Händedruck wurde stärker. „Und ich weiß, dass es dir genauso geht. Bevor wir beide damit nicht abgeschlossen haben, wird es auch keine gemeinsame Zukunft für uns geben.“ Torben schlug der Puls plötzlich bis

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