Germanias Vermächtnis. Swen Ennullat
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Margot ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. Torben wollte gerade noch eindringlicher nachfragen, als sie seine Vermutung doch noch mit einem kurzen Kopfnicken bestätigte und leise ergänzte: „Das werden Sie aber nie beweisen können!“
„Wieder falsch! Sie werden es bezeugen! Mit Ihrer Aussage bringe ich den Orden zu Fall und jeden, der an dem Tod meiner Mutter und von Michael Anteil trägt! Man wird Sie alle verhaften!“, triumphierte Torben.
„Glauben Sie wirklich, Sie könnten dem Orden drohen oder ihn gar zerschlagen? Haben Sie immer noch nichts über Die Gemeinschaft gelernt?“
„Die Gemeinschaft? So nennen Sie sich also?“
Margot nickte erneut. „Einige wenige, zu denen ich selbst zähle, sprechen meist nur von Der Gemeinschaft. Andere nennen den Orden auch Die Hüterinnen oder Die Bewahrerinnen. Letztendlich haben wir viele Namen.“ Sie setzte erneut zum Weiterlaufen an und zog ihn wieder mit sich.
Torben wusste bereits, dass Margots Gemeinschaft von einem zwölfköpfigen Ältestenrat namens Die Oberen geführt wurde, dem die Meisterin aufgrund ihrer herausragenden Stellung selbst angehörte.
Er ging weiter und bemerkte, dass der hinter ihnen befindliche Tim zwar nicht mehr telefonierte, sie aber keinen Moment aus den Augen ließ. Torben würde also weiterhin ganz genau aufpassen müssen, was um ihn herum passierte. Verstärkung, sollte sie denn gerufen worden sein, wäre aber sicherlich nicht innerhalb von wenigen Minuten hier. Außerdem gäbe es dann noch Levitt und Mosche, die ihm sicherlich zu Hilfe eilen würden.
Und so ging er langsam mit der Meisterin, als wären sie enge Verwandte oder gute Bekannte, die sich bei einem schweren Gang gegenseitig stützten, durch die schmale Allee in Richtung einer kleinen, vom Sonnenlicht hell erleuchteten Lichtung, die von einer Ginsterhecke umgeben wurde. Als sie die Wiese betraten, blieb die Meisterin nach einigen Schritten stehen und legte vorsichtig die Dahlien ab. Sie senkte kurz den Kopf und flüsterte: „Hilde, ich bin hier und ich habe deinen Neffen mitgebracht!“
Torben zögerte. Hier war also die Asche seiner Tante beigesetzt worden. Er war etwas durcheinander und wusste in diesem Moment nicht, was er sagen sollte. Obwohl er damit hätte rechnen müssen, in genau so eine Situation zu geraten, fehlten ihm schlichtweg die Worte.
Dafür setzte Margot das Gespräch fort: „Ich wusste, dass ein gewisses Risiko bestand, heute hier zu erscheinen. Aber in den letzten acht Jahren war ich an jedem ihrer Todestage hier und nichts in der Welt hätte mich davon abhalten können, auch heute herzukommen.“
Ein Windstoß fuhr ihr durch die Haare, und sie schloss kurz die Augen, als verbinde sie dies mit einer alten Erinnerung.
Als sie Torben wieder ansah, lächelte sie und erzählte weiter: „Sie müssen wissen, Hilde und ich, wir liebten beide die Nordsee. Dieser regelmäßige Wechsel von Ebbe und Flut, diese unbändige Kraft; Zeiträume, in denen man Dinge sehen kann, die kurz darauf wieder unter der Oberfläche für alle Blicke verborgen sind.
Es war wie mit uns. Gefühle, die wir sonst vor aller Welt versteckten, konnten wir hier zumindest teilweise ausleben. Wir haben unsere schönsten gemeinsamen Stunden an diesem Ort verbracht.“
Margot blinzelte kurz in die Sonne, bevor sie weitersprach: „Auf Meldorf sind wir eher zufällig gestoßen. Der Orden war gerade nach dem Krieg sehr stark im Norden der Republik, besonders in der Region um Neustadt in Holstein. Die Kureinrichtungen boten sich regelrecht dafür an, dass die Anhänger der Gemeinschaft dort arbeiten und untertauchen konnten. Eine Zeitlang lebten wir auch dort. Alle Freunde und Bekannte, die wir damals hatten, zog es in ihrer Freizeit natürlich an die nahegelegene Ostseeküste, Sie wissen schon, zum Baden und Faulenzen an die langen Sandstrände.
Von unserer Liebesbeziehung durfte natürlich keiner etwas wissen. Das hätte man im Orden nie geduldet und uns unverzüglich voneinander getrennt. Offiziell war Hilde mein Leben lang immer nur meine Schwester und Assistentin, obwohl manche sicherlich etwas ahnten. Grundsätzlich waren wir aber sehr vorsichtig. Wir trafen uns manchmal sogar mit Männern oder flirteten unter aller Augen mit Geschäftspartnern.
Um uns wenigstens einmal unbeobachtet und ungezwungen bewegen zu können, fuhren wir eines Tages aus einer Laune heraus einfach Richtung Westen, weit weg von der Ostsee und dem Korsett, das uns einzwängte. Nach einhundert Kilometern fühlten wir uns relativ sicher, nicht zufällig auf einen unserer Freunde zu treffen. Wir fanden uns in Meldorf wieder und sahen uns das alte Marienkloster an. Wahrscheinlich haben wir uns sofort in die Ruhe und vor allem die Abgeschiedenheit des Ortes verliebt. Im Laufe der Jahre kamen wir immer wieder hierher. Es war nur selbstverständlich, Hilde hier zur letzten Ruhe zu betten.“
Etwas gefiel Margot nicht an dem Dahlienstrauß, und so bückte sie sich und ordnete die Blumen neu.
Zufrieden mit dem Ergebnis war wieder Zeit, das Gespräch mit ihrem Begleiter fortzusetzen. „Wissen Sie, Torben, an der Küste werden sie manchmal auf sogenannte Friedhöfe der Namenlosen stoßen, alte Begräbnisstätten für Menschen, die bei Sturm durch das aufgewühlte Wasser von Bord ihrer Schiffe gerissen und tot an Land gespült wurden. Wenn man die Leichen fand, setzten die Küstenbewohner sie zwar bei, ihre Namen blieben aber in der Regel für alle Zeiten unbekannt.
Hilde hat sich manchmal mit diesen armen Seelen verglichen. Sie war von ihrer wahren Familie getrennt, ohne Hoffnung auf Rückkehr. Nach dem Tod meiner Mutter wusste außer mir niemand mehr, wie sie wirklich hieß oder woher sie stammte. Dieser Umstand bedrückte sie sehr. Nur deshalb habe ich sie hier anonym beerdigen lassen. Ich wollte nicht, dass auf ihrem Grabstein bis in alle Ewigkeit eine Lüge steht. Es reicht schon, dass sie ihren richtigen Namen in dieser Welt nicht tragen konnte.“
Margot stöhnte auf, und Torben sah das Schimmern in ihren Augen. Sie fing sich jedoch rasch, streckte ihren Rücken durch und sagte: „Genug davon! Deshalb sind Sie nicht hier! – Also Torben, was wollen Sie wissen? Für mich ist es jetzt sowieso vorbei und ich werde vermutlich bald vor meine Schöpferin treten.“
Torben hatten Margots Worte, als sie von seiner Tante gesprochen hatte, tiefer bewegt, als sie vielleicht vermuten würde. Ihre Trauer war – genauso wie seine eigene über den Verlust seiner Mutter – aufrichtig und in ihrer Stimme hatten Liebe und Wärme geklungen. Er fühlte sich ihr fast verbunden. Sie beide hatten Menschen geliebt, die zur selben Familie gehörten.
Er musste sich daher regelrecht zwingen, erneut seine Fragen zu stellen. Aber nach einem kurzen Räuspern begann er endlich, zum ursprünglichen Thema zurückzukehren: „Rema war Eva Brauns Tochter und hat den Orden quasi geführt, richtig?“
„Grundsätzlich kann ich Ihnen zustimmen, der Orden wird aber nicht von einer Einzelperson beherrscht.“
„Gut, dann formuliere ich es anders: Sie haben damals angedeutet, dass eine der Meisterinnen alle anderen gegen mich aufgebracht hat. War das Rema?“, präzisierte Torben seine Frage.
„Ja, das stimmt! Die meisten von uns sehen uns nicht in der Tradition von Racheengeln und bevorzugen, wie Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben ist, eine Form des Agierens, die keinerlei Aufsehen erregt!“
„Also war letztendlich Rema für das Töten verantwortlich – Konrad Reiher, Michael, meine Mutter und alle anderen? Sie hat Nicole beauftragt?“
Margot nickte.
„Dann ist es vorbei!“, resümierte er erleichtert, wenn auch etwas ungläubig.
Dieses