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und Schlachten und Toten und Niederlagen, und L. und Gietzel hätten sich lieber die Zunge abgebissen als verraten, daß sie sich mutwillig als Werwölfe gemeldet hatten. Diese Männer wunderten sich nur über eines noch: daß sie lebten. Die Flucht durch Frankreich zurück hatte einer mitgemacht, ein anderer verfluchte die Balkanberge, durch die er von Griechenland heraufgehastet war, Berge von Athen bis Graz. Und wieder sagte der, der zu Anfang gesprochen hatte: Nichts konnte furchtbarer gewesen sein als das Granatwerferfeuer an der Danziger Bucht. Da beneidete L. diese Männer um ihre Erfahrungen, er hätte Jahre geopfert, wenn er sie hätte nacherleben können. Zehn Jahre später erinnerte er sich noch an die Stimmung dieser Nacht: Er setzte die Romangestalt des Harry Hahn ans Feuer alter Waffen-SS-Männer, als sie in die slowakischen Berge zogen, und das Dorf in der Nähe nannte er Jablonove wie das Dorf, durch das er um sein Leben gerannt war.

      Einmal noch wurden sie von einem Zug mitgenommen; der verkroch sich im Morgengrauen in einem Tunnel. Das war schon in Bayern. Dann radelten sie durch friedliche Dörfer und friedliche Städtchen, in denen die Bewohner fiebrig-eifrig Wehrmachtslager räumten. Sie trafen einen Mann, der auf einem Handwagen einen Riesenkarton Streichhölzer heimwärts zerrte, und baten ihn um eine Schachtel, aber der Mann lehnte ab: Er würde wegen einer einzigen Schachtel nicht die Verpackung aufreißen. In der Toilette eines Bahnhofs schlug L. neben einem Ritterkreuzträger der Waffen-SS sein Wasser ab, ihn hätte er um ein Haar gefragt, ob es noch Zweck habe, zu kämpfen.

      Sie erreichten Schönsee eines Abends. So blieben schließlich zwei von den zwanzig Freiwilligen von Plauen, die nun doch Werwölfe wurden, sich mit Tarnkombinationen und Maschinenpistolen ausrüsteten und mithalfen, Kartons mit Fleischkonserven, Heidelbeerkonserven, Knäckebrot und Zigaretten auf Pferdewagen zu laden und in den Wald zu karren. Allmählich überblickten sie die Formation: Vierzig Mann wurden befehligt von einem Oberst, ihm unterstanden drei Majore, etliche Hauptleute, Oberleutnants, Leutnants, Feldwebel, Unteroffiziere und schließlich diese beiden Gefreiten. Man sagte ihnen: Auf diesem Berg dort sitzt unser Funktrupp, hält Verbindung mit dem OKH, über diesen Kamm läuft die böhmische Grenze. Die Soldbücher wurden eingesammelt; auf einem Zettel, den L. dafür erhielt, stand nichts als Der Gefreite Loest ist direkt dem OKH unterstellt. Er begriff, daß es nun unmöglich sein würde, sich von der Truppe zu entfernen. Aber das wollte er ja nicht, wollte auf dem Weg weitergehen, den er in Plauen eingeschlagen hatte, denn der Satz war tief in ihn eingedrungen, daß es deutsch sei, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.

      Wald über Hügeln und Tälern, im Wald schliefen sie und hoben Gruben aus, in denen sie Waffen und Munition, Lebensmittel und Schuhe, Zigaretten und Wolldecken versenkten. Die Vorräte, so wurde ihnen gesagt, waren auf ein halbes Jahr berechnet, und es würde erschossen, wer sich daran vergriff. Aber das nahmen sie nicht ernst: Eine Zwanzigliter-Milchkanne voller Kümmelschnaps vergruben sie nicht, sondern stellten sie ins Gebüsch, hin und wieder wallfahrteten sie dorthin und füllten ihre Feldflaschen, kümmelten bedächtig, und in heiterster Laune waren sie, als ihnen ein Oberleutnant mitteilte, der Sturmangriff der Sowjetarmee auf Berlin habe begonnen.

      Nach Tagen harter Arbeit versammelte der Oberst seine Wölfe um sich und gab das Ziel bekannt: Diversionstätigkeit im Rücken des Feindes. »Wir werden kämpfen, bis die Amerikaner merken, daß wir nicht unterzukriegen sind, und sich mit uns gegen die Sowjets verbünden.« Er verlangte Lautlosigkeit; nichts durfte im Wald liegengelassen werden, keine Knäckebrotpackung, nicht einmal ein Streichholz. Er spitzte die Lippen zu einem Pfiff; so, sagte er, pfeife die Kohlmeise, das sei künftig ihr Erkennungszeichen. »Beweisen Sie, daß Sie Karl May nicht umsonst gelesen haben.«

      Eines Nachmittags kamen die Amerikaner. Sie fingen drei Werwölfe, die auf einer Lichtung in der Sonne gesessen hatten. L. lag im Unterholz, sah Gamaschenschuhe ein paar Meter vor sich auf dem Weg, hielt die Maschinenpistole im Anschlag. Sein Herz klopfte, aber er tat nichts, das ohne Sinn gewesen wäre, und als die Amerikaner weitergezogen waren, als es wieder still geworden war im Wald, war er mit sich zufrieden: Sie waren von der Front überrollt, er war Werwolf, es gab kein Zurück.

      Morgens in der Dämmerung krochen sie aus ihren Löchern, die über eine Schonung verteilt waren, und sammelten sich am Loch eines Majors zur Befehlsausgabe. Sie pfiffen wie die Kohlmeisen und wagten nie ein lautes Wort, erhielten Verpflegung und Befehle und schlüpften in ihre Löcher zurück. L. und Gietzel hatten diese Aufgabe: nachts zwischen elf und eins an einer alten Mühle auf die Kuriere einer anderen Werwolfeinheit zu warten. An dieser Mühle rauschte ein Bach über ein Wehr, das verlassene Gebäude bildete eine Kulisse wie in einem Gruselfilm. Neun Uhr abends klemmten sie die Maschinenpistolen unter den Arm, schlichen durch den Wald, voller Angst erst, später mit wachsendem Mut, den sie gegenseitig anheizten: Die Amerikaner waren zu feig, sich nachts in den Wald zu trauen. Aber wenn sich die beiden Wölfe der Mühle näherten, sank ihr Mut, der Mond schien gegen kalkweißes Gemäuer; polterte es nicht irgendwo? Sie hockten sich dicht nebeneinander, legten die Maschinenpistolen über die Knie, lauschten. Bleierne Müdigkeit überfiel sie, wurde größer als die Furcht, sie nickten ein, schraken hoch, froren. Zehn Jahre später schrieb L. die Erzählung »Hitlers Befehl«. Als er einen gespenstischen Schauplatz für eine grausige Begebenheit brauchte, verlegte er diese Mühle aus dem Böhmerwald in die Ardennen, ließ an ihr Frantisek Homola und seine Rangerkameraden in die Falle der Faschisten tappen. Voller Martern waren diese Nächte; im Morgengrauen schlichen die beiden Wölfe zurück und meldeten ihrem Major, niemand wäre gekommen. Nie kam jemand.

      Bis zu jenem Nachmittag: Da krochen drei Männer in ihr Dickicht, blaß und abgehetzt, Angst stand in ihren Augen. Ihre Werwolfgruppe war von Amerikanern mit Hunden aufgespürt worden, eine Übermacht hatte sie aus ihren Löchern getrieben. Sie waren durchgebrochen, entkommen. Drei von dreißig.

      Manchmal teilte der Major bei der morgendlichen Befehlsausgabe ein Splitterchen von dem mit, was in der Welt vor sich ging. Hamburg und München fielen, aber noch tobte die Schlacht um Berlin, dort kämpfte der Führer. Von neuen Waffen war nicht mehr die Rede, nur davon, daß Amerikaner und Briten in den Krieg gegen die Russen einschwenken könnten. Das Beispiel des Preußenkönigs wurde bemüht, der scheinbar am Ende gewesen war, aber dann starb seine schlimmste Feindin, und das Blatt wendete sich. War nicht Roosevelt kürzlich gestorben?

      Eines Tages mühten sich Gietzel und L., ihr Loch auszubauen. Einer brach Erde los und schippte sie in einen Rucksack, der andere verteilte sie im Unterholz. Als L. gegen Mittag aus dem Loch kroch, flüsterte Gietzel, es würde geschossen, in einer bestimmten Richtung, dort lag der Oberst. Sie steckten das Notwendigste in die Brotbeutel: Schokakola, Ölsardinen, Knäckebrot, MP-Magazine. Die Schießerei kam auf sie zu, Handgranaten barsten, dann war Stille, in sie hinein brüllte eine Stimme: »Werwölfe! Ergebt euch! Wer in zehn Minuten nicht herauskommt, wird erschossen!«

      Da war L. kein Moralist mehr, da glaubte er nicht, er müsse kämpfend untergehen, wie das Gesetz es befahl. Angst packte nach ihm, Lebensangst, Todesangst, da rissen er und Gietzel ihre Tarnkombinationen herunter, damit sie schneller laufen könnten, krochen von dieser Stimme weg, die rief: »Alle herauskommen! Schreiner herauskommen! Loest herauskommen!« Sie krochen, fürchteten: Unten am Weg mußten Amerikaner lauern, mußten sie eingeschlossen haben. An diesen Weg schlichen sie heran, hielten die Maschinenpistolen vor, waren gefaßt, jeden Augenblick beschossen zu werden. Den Weg sahen sie, zwängten sich durch die letzten Fichten, sprangen gleichzeitig hinüber, bekamen kein Feuer, fielen ins Unterholz, hörten Schüsse weit hinten und noch immer diese Stimme, die Namen aufrief wie beim Jüngsten Gericht. Ohne Rücksicht auf Ästeprasseln rannten sie, stießen auf einen anderen Weg, hörten Rufe, Schritte, hoben die Waffen und sahen: Da trieb ein Bauer eine Kuh. Hundert Meter hinter ihnen war noch Krieg, hier wurde eine Kuh zum Verkauf getrieben oder zum Tausch oder zum Bullen. Sie flohen weiter, die Maschinenpistolen in angstschweißigen Händen und in der Brusttasche einen Zettel, auf dem stand, sie wären direkt dem OKH unterstellt. Sie keuchten auf den Berg hinauf, auf dem die Funker sitzen sollten. Dort, so war ihnen gesagt worden, wäre der Sammelpunkt, sollten sie versprengt werden.

      In dieser Nacht sank die Temperatur unter den Gefrierpunkt; es fiel ein wenig eisvermischter Schnee.

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