Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Nach dem Mittagsschlaf waren sie zu einem Spaziergang aufgebrochen, der sie durch den Höllenbruch bis zur Hohen Riest geführt hatte. Von dort aus gab es einen kurzen Weg zurück nach St. Johann. Es war eine Strecke, die der Kleinen gerade noch zugemutet werden konnte, wobei der Papa sich schon darauf eingestellt hatte, seine Tochter spätestens auf dem Rückweg, auf der Schulter zu tragen.
Nachdem das Reh verschwunden war, setzten sich Andrea und Michael auf eine Almwiese. Lena sprang herum und pflückte Blumen.
Seit sie sich zu ihrer Liebe bekannt hatten, waren drei wundervolle Tage vergangen. Inzwischen machten sie kein Geheimnis mehr daraus. Pfarrer Trenker hatte es schmunzelnd zur Kenntnis genommen, dann drückte er sie beide.
»Ich wünsch’ euch alles Glück der Welt«, sagte er mit aufrichtiger Freude. »Und ich weiß, daß Lena die beste Mama bekommt, die sie sich wünschen kann.«
Auch wenn sie sich erst kurze Zeit kannten, so stand doch fest, daß Andrea und Michael heiraten und für immer zusammenbleiben wollten.
Jetzt strich die junge Frau ihrem Liebsten über den Arm.
»So nachdenklich?« fragte sie.
Michael sah auf.
»Ich hab’ eben an meinen Vater denken müssen«, antwortete er. »Heut’ ist er in Sankt Johann angekommen.«
Er deutete auf Lena, die übermütig auf der Wiese herumtoll-te.
»Hoffentlich klappt der Plan, den Hochwürden sich ausgedacht hat...«
Andrea lächelte.
»Ganz bestimmt«, meinte sie. »Wenn eine das Herz deines Vaters erreichen kann, dann ist’s unser kleiner Sonnenschein.«
Sie sah auf die Uhr.
»Wir sollten langsam zurückgehen«, schlug sie vor. »Ich hab’ Lena versprochen, daß sie bei meiner Mutter noch einen leckeren Kuchen bekommt.«
Michael hatte inzwischen An-dreas Eltern kennengelernt, und für den Nachmittag waren sie zum Kaffee eingeladen. Marianne und Rolf Mahlinger waren von ihrem zukünftigen Schwiegersohn genauso begeistert, wie von der kleinen Lena. Immer wenn sie bei ihnen zu Gast waren, wurden es schöne und unterhaltsame Stunden, und daß Andreas Eltern an dem Madel einen Narren gefressen hatten, war unverkennbar. Besonders ›Opa‹ Rolf konnte gar nicht genug von dem Fratz bekommen und spielte mit Lena im Garten, daß es eine Freude war, zuzusehen.
»Wenn’s denn doch net sein soll, daß mein Vater sich mit mir aussöhnt, so hat Lena dennoch liebevolle Großeltern bekommen«, sagte Michael, während sie langsam zurückspazierten.
Auf der Terrasse der Mahlingers war schon der Kaffeetisch gedeckt, und in der Mitte stand eine Erdbeertorte. Doch die größte Überraschung fand sich am Rande der großen Rasenfläche. Zwischen zwei knorrigen Obstbäumen hing, an dicken Ästen befestigt, eine Schaukel.
»Woll’n wir sie gleich mal ausprobieren?« fragte Rolf Mahlinger, der sich freute, als er Lenas große Augen sah.
Er mußte diese Frage nicht zweimal stellen, Lena war bereits auf dem Weg dorthin. Jauchzend ließ sie sich immer wieder neuen Anschwung geben und wollte gar nicht mehr aufhören.
Die Überraschung war geglückt.
Schließlich japste Rolf Mahlinger in gespielter Erschöpfung und bat um eine Pause. Mit dem Hinweis auf den leckeren Kuchen gelang es ihm schließlich, Lena zu überzeugen. Bald saßen sie in gemütlicher Runde und ließen sich die selbstgebackene Erdbeertorte schmecken.
Andreas Eltern waren über den Streit, den Michael mit seinem Vater hatte, informiert. Als Lena wieder auf der Schaukel saß, sprachen sie mit der Mutter darüber.
»Ehrlich gesagt, hab’ ich ein bissel Angst, ihm gegenüberzutreten«, sagte Michael. »Es waren harte Worte, die zwischen uns gefallen sind.«
»Wer weiß«, äußerte sich Marianne Mahlinger, »vielleicht hat die Zeit bewirkt, daß dein Vater die Sache inzwischen anders sieht. Bestimmt wird er erschüttert sein, wenn er erfährt, daß Lenas Mutter verstorben ist, und bereuen, daß er sich damals so zwischen euch gestellt hat.«
»Ja, das kann ich nur hoffen.«
Andrea lächelte ihn an.
»Uns’re stärkste Waffe ist Lena. Wenn er sie erst einmal kennenlernt, dann wird er von ihrem Charme besiegt!«
*
»Herr Lindner, schön, daß Sie wieder bei uns sind«, begrüßte Sebastian den Fabrikanten.
Wie immer stand der Geistliche an der Kirchentür, um seine Gemeinde und die zahlreichen Touristen, die an der Messe teilnahmen, willkommen zu heißen. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
»Ich hab’ mich auch schon lang’ darauf gefreut«, antwortete Adalbert Lindner. »Ich könnt’ gar net darauf verzichten, meinen Urlaub in Ihrem schönen Sankt Johann zu verbringen.«
»Sie kommen doch heut’ Mittag zum Essen zu uns? Meine Haushälterin hat sich schon darauf eingestellt.«
Der Münchner Unternehmer strahlte.
»Freilich, das laß’ ich mir doch net entgehen.«
»Wir haben übrigens noch einen Gast im Pfarrhaus«, erklärte Sebastian. »Das heißt, eigentlich sind’s zwei. Sie werden sie nachher kennenlernen.«
Nachdem die Gläubigen eingetreten waren und sich gesetzt hatten, öffnete sich die Kirchentür noch einmal. Michael Lindner schlüpfte hinein und suchte sich einen Platz in der letzten Bankreihe. Weiter vorne saß Andrea mit Lena, neben ihren Eltern. Während die Messe begann, suchten Michaels Augen nach seinem Vater. Er entdeckte ihn in der vorderen Reihe. Auch wenn er mit dem Rücken zu ihm saß, erkannte er den großen, schlanken Mann sofort. Sein Herz klopfte vor Aufregung.
Jetzt wird’s sich bald entscheiden, dachte er.
Wie es seine Art war, hielt Sebastian Trenker die Messe nicht wie ein gestrenger Priester. Immer wieder gelang es ihm, auch ein paar humorvolle Sätze einzuflechten. Seiner Meinung nach sollte Kirche Spaß machen, und die Gläubigen nicht mit dem Gedanken herkommen, daß ihnen ständig der erhobene Zeigefinger vorgehalten wurde. Und wenn ab und an ein Lachen durch das Kirchenschiff hallte, dann wußte der gute Hirte von St. Johann, daß er auf dem richtigen Weg war. Seine unkonventionelle Art hatte sich auch unter den Touristen herumgesprochen, die gerne kamen und seinen Worten lauschten.
An diesem Sonntag hörte Adalbert Lindner besonders genau zu, denn Sebastian sprach über das Gleichnis vom verlorenen Sohn...
Nicht umsonst hatte der Seelsorger dieses Thema ausgesucht. Wenn auch von Michael nichts zu sehen war, wußte er doch genau, daß Vater und Sohn heute in diesem Raum zusammensaßen. Zwar Bankreihen voneinander getrennt, doch wenn es nach Sebastians Willen ging, dann sollte dieser Zustand nicht mehr lange anhalten.
Michael huschte als erster wieder aus der Kirche. Er lief den Kiesweg hinunter und wartete auf Andreas Eltern. Sie hatten verabredet, daß nur Andrea und Lena heute im Pfarrhaus essen würden, während Michael mit zu den Mahlingers