Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Ja es war entsetzlich. Monatelang habe ich es nicht fassen können. Und dann …« Sie stockte. Nein, es würde zu weit führen, wenn sie ihm auch noch von ihrem toten Sohn erzählte.
»Julia, ich wäre froh, wenn Sie mich ebenfalls beim Vornamen anredeten. Ich heiße Enno.«
»Ich weiß das – Enno«, antwortete sie mit einem schelmischen Lächeln.
»Aber ja.« Noch immer hielt er sie fest. »Ich glaube, das Schicksal hat es so gewollt«, sagte er mehr zu sich selbst und ließ sie endlich los.
»Das Schicksal? Wie meinen Sie das?«
»Dass Sie zu mir gekommen sind.«
»Vielleicht.« Sie blickte ihm in die Augen. »Aber nun muss ich mich um das Abendessen kümmern.«
Enno erhob sich und folgte ihr in die Küche. »Darf ich Ihnen helfen?«, fragte er mit einem jungenhaften Lachen.
»Sie? Aber nein.«
»Warum sagen Sie das in einem solchen Ton? Ob Sie es glauben oder nicht, ich kann sogar kochen. Früher, als junger Mann, habe ich oft meiner Mutter im Haushalt geholfen. Ja, meine Mutter war eine leidenschaftliche Köchin. Selbst als mein Vater immer vermögender wurde, ließ sie es sich nicht nehmen, die meisten Gerichte selbst zuzubereiten. Meine Mutter war eine Frau, wie man sie heute nur noch selten findet.« Sein Lächeln vertiefte sich bei der Erinnerung an die Vergangenheit.
Julia lernte Enno an diesem Abend von einer ganz anderen Seite kennen. Seine schlichte Natürlichkeit bezauberte sie, was ihr inneres Gleichgewicht ziemlich durcheinanderbrachte. Es gefiel ihr auch, dass er kein schlechtes Wort über seine Frau sagte. Er nahm sie eher in Schutz und gab den Umständen die Schuld an ihrem Nervenzusammenbruch.
Und dann sprachen sie von Pieter. Als Enno von seinem Sohn erzählte, leuchteten seine Augen auf. »Ich bin sehr erleichtert, dass Frau von Schoenecker Pieter in Sophienlust aufgenommen hat«, erklärte er. »Dort wird der Junge gewiss fröhlicher und auch aufgeschlossener werden.«
»Davon bin ich sogar fest überzeugt. Nach Ihrer Beschreibung muss dieses Kinderheim ein wahres Paradies sein, Enno.«
»Das ist es auch.« Er sah sie sinnend an. Der Schein der halb heruntergebrannten Kerzen in dem Silberleuchter auf dem Couchtisch flackerte über ihr Gesicht und spiegelte sich in ihren violett schimmernden Augen. Wie schön sie ist, dachte er. »Julia, ich danke Ihnen für den wundervollen Abend«, sagte er impulsiv. »Als ich heute zurückkam, fühlte ich mich hundeelend. Nun aber fühle ich mich unendlich wohl. Das habe ich Ihrer Gesellschaft zu verdanken.« Er ergriff ihre Rechte und zog sie an die Lippen. »Aber jetzt muss ich gehen. Wie rücksichtslos von mir. Es ist gleich Mitternacht«, stellte er nach einem Blick auf seine Armbanduhr fest. »Morgen ist immerhin ein Arbeitstag.«
»Tatsächlich, es ist schon reichlich spät. Die Zeit ist wie im Flug vergangen«, wunderte sich Julia und erhob sich.
Einen Augenblick war Enno versucht, sie einfach in die Arme zu nehmen und zu küssen. Aber diese Versuchung verflog schnell. Diese Freundschaft war ihm viel zu wertvoll, um sie aufs Spiel zu setzen.
Julia brachte ihn zur Tür. Fest umschloss er ihre Hand. »Gute Nacht, Julia. Schlafen Sie gut«, sagte er leise.
»Sie auch. Und kommen Sie gut nach Hause«, erwiderte sie mit einem kleinen Lächeln.
Als sie die Sicherheitskette vorlegte, klopfte ihr Herz unvernünftig laut und schnell. Wie in Trance trug sie dann die Gläser in die Küche und schaffte noch ein wenig Ordnung. Bevor sie zu Bett ging, strich sie fast scheu über die Rückenlehne des Sessels, in dem Enno den ganzen Abend gesessen hatte.
Ich liebe ihn ja, stellte sie erregt fest. Ja, ich liebe ihn unendlich. Aber er ist nicht frei. Er wird seine Frau auch niemals verlassen – schon des Kindes wegen nicht, dachte sie voller Wehmut. Aber auch wenn meine Liebe niemals Erfüllung finden wird, will ich dem heimlich geliebten Mann doch helfen, mit seinen schwierigen Familienverhältnissen fertig zu werden, nahm sie sich vor, als sie die Nachttischlampe ausknipste.
Noch lange lag Julia wach. Jede einzelne Begebenheit dieses Abends rief sie sich noch einmal ins Gedächtnis zurück.
*
Pieter schloss sich allmählich an die Kinder von Sophienlust an und versuchte, so zu werden wie sie. Gerührt beobachteten die Erwachsenen, wie die kleine Gesellschaft sich bemühte, dem neuen Jungen, wo immer sie konnten, hilfreich zur Seite zu stehen, sodass er bald sein scheues und auch unsicheres Benehmen verlor.
Am Vormittag, wenn die größeren Kinder in der Schule waren, bildeten Pieter und Heidi ein unzertrennliches Gespann. Gleich nach dem Frühstück liefen die beiden zu Justus, der sich um diese Zeit meist in seiner Werkstätte aufhielt. Barri, der große tapsige Bernhardiner, schloss sich den Kleinen an und lief freudig neben ihnen her.
Stets begrüßte Heidi ihre beiden weißen Kaninchen Schneeweißchen und Rosenrot, die nach wie vor in der Obhut des alten Mannes waren und ihren Stall in einer Ecke der Werkstatt hatten.
»Darf ich die Häschen auch streicheln?«, fragte Pieter aufgeregt.
Heidi nickte. »Ja, das darfst du. Weißt du, die beiden sind ganz zahm. Damals, als ich so schrecklich traurig war, nach dem Tod meiner lieben Mutti, war ich sehr froh, dass ich die beiden hatte. Henrik hat sie mir nämlich geschenkt«, fügte sie erklärend hinzu.
»Ich habe mir auch immer ein Tier gewünscht, das ich liebhaben darf. Aber meine Mutti mag keine Tiere im Haus«, entgegnete der kleine Junge betrübt. »Dafür habe ich aber meinen Teddy. Am Samstag bringt mein Vati ihn mit.«
An einem Vormittag statteten die beiden Kinder auch der Huber-Mutter einen Besuch ab. Pieter saß mucksmäuschenstill auf dem Schemel. Im stillen bewunderte er Heidi, die so forsch mit der uralten Frau sprach. Niemals würde er so etwas wagen. Die Greisin flößte ihm viel zu großen Respekt ein. Jedesmal, wenn sich der Blick der von vielen Runzeln umgebenen klugen Augen auf ihn richtete, wurde ihm ganz wunderlich ums Herz. Und dann sagte die Huber-Mutter etwas ganz Komisches: »Pieter, eines Tages wird dich deine Mutti hier besuchen und heimholen.«
»Das glaube ich nicht«, entfuhr es ihm leise. »Sie ist nämlich in einem Sanatorium, weil sie krank ist.«
»Ist sie das wirklich? Nein, das muss ein Irrtum sein«, erwiderte die HuberMutter kopfschüttelnd.
Heidi stieß Pieter heimlich an und machte ihm ein Zeichen. Erschrocken senkte er den Kopf. Hatte er etwas Falsches gesagt? Ganz heiß wurde es ihm plötzlich.
Erleichtert rutschte er von dem Schemel, als Heidi aufstand und sich von der alten Frau verabschiedete. »Auf Wiedersehen, liebe Huber-Mutter«, sagte sie und machte einen Knicks. Aber sie erhielt keine Antwort. Die Greisin schien mit ihren Gedanken in diesem Augenblick weit fort zu sein.
»Auf Wiedersehen«, murmelte Pieter scheu.
Erschrocken hielt er den Atem an, als die Huber-Mutter sich ihm noch einmal zuwandte und sagte: »Glaub’ mir, mein Junge, auf dich wartet noch eine große Überraschung.«
»Komm«, wisperte Heidi und verließ mit ihm das Zimmer. Draußen meinte sie: »Die Huber-Mutter kann nämlich in die Zukunft schauen.«
»Wirklich?«, fragte Pieter, froh darüber,