Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg страница 44
»Natürlich, Mutti, nicht wahr, du fährst mich gleich nach dem Essen nach Sophienlust?«
»Meinetwegen«, erwiderte sie erheitert.
So geschah es auch. Henrik bemühte sich ebenfalls redlich, Pieter von seinem Kummer abzulenken. Aber auch ihm gelang es nicht.
Tieftraurig lag Pieter am Samstagabend in seinem Bett. »Der liebe Gott hat mich auch nicht lieb«, beschwerte er sich bei Schwester Regine. »Sonst hätte er Vati kommen lassen.«
»Dein Vati kommt gewiss am Montag oder Dienstag.«
»Das glaube ich aber nicht, Schwester Regine. Immer, wenn er verreist, bleibt er schrecklich lange fort, und dann war meine Mutti nie lieb zu mir. Und …« Pieter begann zu weinen.
Heidi stand mit traurigen Augen unter der Verbindungstür und blickte zu Pieter hinüber. Später, als die Kinderschwester fort war, kroch sie zu dem Jungen ins Bett und streichelte ihn.
Pieter hörte endlich zu weinen auf. »Ich bin froh, dass ich dich habe, Heidi. Wenn ich groß bin, werde ich dich heiraten«, erklärte er voller Ernst.
»Ich heirate dich auch«, entgegnete sie und kroch unter der Bettdecke hervor. »Nun musst du aber schlafen«, bat sie. »Ich gehe jetzt in mein Bett.«
»Ja, tu das, Heidi.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Nicht wahr, ich bin schon viel zu groß, um noch zu weinen?«, fragte er beschämt.
»Zum Weinen ist man nie zu groß«, antwortete die Kleine altklug. »Das hat neulich mal Tante Isi gesagt.«
»Aber große Männer weinen bestimmt nicht mehr.«
»Manchmal tun sie es auch. Mein Vati hat auch geweint. Gute Nacht, Pieter.«
Heidi lief schnell in ihr Zimmer hinüber und schlüpfte ins Bett.
Ob Vati auch manchmal weint? überlegte Pieter. Ob er …
Weiter kam er nicht mit seinen Überlegungen, weil er eingeschlafen war.
*
Betty Cornelius warf sich unruhig im Bett hin und her. Der Mond schien hell in ihr Zimmer und zeichnete groteske Muster auf den Boden und auf die Wände.
Die Kranke versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Aber immer wieder verwirrten sie sich, kehrten in die Zeit zurück, als Pieter geboren wurde. Damals hatte sie alles auf eine Karte gesetzt und geglaubt, mit dem Kind ihre Ehe retten zu können. Ein hoffnungsloses Unterfangen! Sie hatte gedacht, mit ihrer großen Lüge fertig werden zu können. Und wenn Martin Aarhof, der Bruder ihres Jugendfreundes, nicht eines Tages bei ihr erschienen wäre, wäre ihr das wohl auch gelungen. Doch seitdem hatte sie keine ruhige Stunde mehr. Glücklicherweise war Enno in Gelddingen sehr großzügig und kümmerte sich nicht darum, wofür sie das Geld ausgab. Sobald sie ihr persönliches Konto überzogen hatte, füllte er es wieder auf.
Wie sehr sie Enno liebte, war Betty noch niemals so bewusst geworden wie jetzt, da er sich innerlich mehr und mehr von ihr entfernte. Dass sie ihn nicht halten konnte, brachte sie an den Rand des Wahnsinns. Schon oft war sie nahe daran gewesen, ihm alles zu gestehen. Aber sie wusste, Enno würde ihr diesen Schwindel niemals verzeihen. Er würde sich sofort von ihr trennen. Doch ohne ihn würde das Leben für sie unerträglich sein. Lieber wollte sie deshalb das schwere Los weiterhin auf sich nehmen. Solange sie ihren Peiniger bezahlte, konnte ihr auch nichts geschehen.
Ja, gleich morgen wollte sie an Claus schreiben und ihn anflehen, seinen Bruder davon abzuhalten, sie zu erpressen. Ein Glück, dass sie seinen letzten Brief aus Westafrika aufgehoben und mit hierhergenommen hatte. Hoffentlich war er noch unter der gleichen Adresse zu erreichen.
Betty tastete im Dunkeln nach dem Schälchen mit den Tabletten. Aber es waren keine mehr da. Dabei brauchte sie dringend welche.
Sie knipste die Nachttischlampe an. Ohne ihre gewohnten Tabletten würde sie noch verrückt werden. Mit beiden Händen umfasste sie ihren Hals und rang nach Luft. Sie begann zu wimmern. Dann aber verließen sie die Nerven endgültig. Ihre Schreie lockten den Stationsarzt und die Nachtschwester in ihr Zimmer.
»Beruhigen Sie sich doch, Frau Cornelius«, bat der junge Arzt gütig.
»Ich bekomme keine Luft mehr«, keuchte Betty. »Bitte, bitte, helfen Sie mir doch. Ich ersticke sonst.«
Die Schwester reichte dem Arzt eine Spritze. »Ich brauche meine …«
Weiter kam die Süchtige nicht. Die Wirkung der Injektion setzte blitzschnell ein. Bettys Gesicht entspannte sich. Sie streckte sich aus und schlief ein.
»Wir werden mit dieser Patientin viel Mühe haben«, meinte die Nachtschwester draußen auf dem Korridor.
»Davon bin ich ebenfalls überzeugt. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sie sich die gewohnten Tabletten irgendwie verschafft. Süchtige Menschen sind oft erstaunlich findig, wenn es darum geht, an die verbotenen Medikamente heranzukommen.«
»Abgesehen von ihrem Mann darf sie doch niemand besuchen«, erwiderte die Schwester sorglos, ohne zu ahnen, dass gerade diese Patientin sie alle überlisten sollte.
*
Enno traf mit der Frühmaschine in Frankfurt ein. Sein Chauffeur Erwin holte ihn am Rhein-Main-Flughafen ab und fuhr ihn auf seinen Wunsch hin direkt ins Werk.
Auf dem Weg nach Essen beschäftigten sich Ennos Gedanken ausschließlich mit seinem Sohn. Es tat ihm bitter leid, dass er Pieter am Wochenende hatte enttäuschen müssen. Deshalb wollte er noch an diesem Tag nach Sophienlust fahren, nahm er sich vor.
Dann dachte er an Julia. Vielleicht sollte er sie nach Sophienlust mitnehmen? Pieter und sie kannten sich ja schon. Und er hatte den Eindruck, dass der Kleine sie besonders gern mochte. Ja, er wollte Julia mitnehmen.
Wie mochte es wohl Betty gehen? überlegte er weiter. Auch sie würde er in den nächsten Tagen besuchen. Noch am Vormittag würde er im Sanatorium anrufen und sich nach ihrem Befinden erkundigen.
Julia begrüßte ihn mit strahlender Miene. »Wenn Sie ein paar Minuten eher gekommen wären, hätten Sie mit der Kinderschwester von Sophienlust und Pieter telefonisch sprechen können. Der Kleine hat große Sehnsucht nach Ihnen. Ja, und die Kinderschwester hat mir besonders ans Herz gelegt, Sie daran zu erinnern, dass Sie den Teddy und einige andere Spielsachen nicht vergessen sollen.«
»Ich schaue nur die Post durch und fahre dann gleich nach Hause. Anschließend komme ich wieder hierher. Julia, es wäre nett, wenn Sie mich nach Sophienlust begleiten würden. Wollen Sie?«
»Aber die Arbeit hier?« Sie deutete auf ihren mit Schriftsachen überladenen Schreibtisch.
»Die läuft Ihnen gewiss nicht fort. Mir liegt sehr viel daran, dass Sie mitkommen.«
»Also gut, dann fahre ich vorher noch heim, um mich wenigstens umzukleiden.«
Aus dem Lautsprecher der Sprechanlage auf dem Schreibtisch ertönte eine Stimme. »Herr Petersen und Herr Weidemann sind da! Sie möchten zu Herrn Cornelius.«
Enno seufzte und entgegnete dann: »Gut, schicken Sie die beiden Herren herauf.« Er wandte sich an Julia. »Ich glaube, die beiden