Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Doch die Ärztin winkte nur ungerührt ab.
»Ich hab doch schon mehr als einmal bewiesen, dass Unkraut nicht vergeht«, lächelte sie versöhnlich und griff nach ihrer Tasche. »Und bitte informiert mich, sobald ihr was von Dan hört. Sein Handy ist aus, und ich mach mir große Sorgen.« Obwohl sich Felicitas tatsächlich nicht so gut fühlte, wie sie vorgab, winkte sie zum Abschied und machte sich auf den Weg in die Behnisch-Klinik.
Lenni starrte ihr erbost nach.
»Warum ist diese Frau so stur?«
Diese Bemerkung brachte Felix zum Lachen.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«, fragte die langjährige Haushälterin ungehalten. Immer noch grinsend legte Felix den Arm um ihre Schultern.
»Das fragen Sie noch?« Er drückte sie tröstend an sich. »Dabei dachte ich, dass gerade Sie diese Eigenart besonders gut verstehen können. Immerhin sind Sie ja selbst eine Frau.« Er hatte noch nicht, ausgesprochen, als er vorsichtshalber einen großen Schritt zur Seite machte, um Lennis gutmütigem Hieb auszuweichen.
Dabei entging ihm ihr Lächeln nicht und zufrieden damit, die Sorge wenigstens vorläufig aus ihrem Gesicht vertrieben zu haben, machte er sich auf den Weg, den Auftrag seiner Mutter auszuführen und darüber hinaus das klaffende Loch in der Scheibe mit Plastik abzukleben, um die unangenehme Kühle draußen zu halten.
*
»Ricarda!« Die Krankenschwester hörte ihren Namen, als sie gerade in das Taxi steigen wollte, und erkannte die Stimme sofort. Trotzdem wunderte sie sich.
Sie hatte Sebastian gebeten, nicht zum Flughafen zu kommen. Auf das erste Treffen nach so langer Zeit wollte sich die Krankenschwester in aller Ruhe vorbereiten. Ausgiebig baden, die widerspenstigen, rotblonden Haare zähmen, sich sorgfältig schminken und schick anziehen. Sebastian hatte ihr versprochen, ihren Wunsch zu respektieren. Deshalb hielt sie das Rufen für einen Irrtum.
»Ricarda! Nicht einsteigen! Ich bin hier, um dich abzuholen!«
Die Hand auf dem Türholm des Taxis drehte sie sich doch ungläubig um.
»Ist das …?«, stammelte sie. »Nein. Das kann nicht … das kann nicht sein.«
Doch es war wirklich Sebastian, der im Laufschritt und mit strahlendem Lächeln auf sie zu rannte. Augenblicklich zog sich Ricardas Herz zusammen.
Er sah herzergreifend gut aus. Sein welliges Haar war tiefschwarz und reichte ihm bis zu den Schultern. Seine seidige Haut hatte diesen italienischen Braunton, der in unwiderstehlichem Kontrast zu den tiefblauen Augen stand. Daran hatte sich in all den Jahren nichts geändert, und Ricarda konnte es kaum fassen, dass er wirklich vor ihr stand. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie im Gegensatz zu ihm wie eine Vogelscheuche aussehen musste.
»Was machst du hier?«, fragte sie deshalb schroffer als beabsichtigt, als er sie ohne Umschweife in die starken Arme zog.
So dicht an seiner Brust konnte sie sein Herz schlagen fühlen.
»Gott sei Dank!«, raunte er ihr heiser ins Ohr. »Ich hatte solche Angst um dich. Geht’s dir gut?«
»Aber Basti, was machst du hier?«, wiederholte Ricarda ihre Frage. »Du weißt doch, dass ich erst ins Hotel gehen wollte.«
»Nicht böse sein. Aber ich konnte nicht anders.« Noch immer hielt er sie so fest, als wollte er sie nie mehr loslassen. »Als der Sturm losgebrochen ist, habe ich am Flughafen angerufen, um zu erfahren, ob alles in Ordnung ist. Sie haben mir gesagt, dass ihr in Turbulenzen geraten seid. Da konnte ich nicht anders und musste einfach herkommen.« Endlich löste er sich von ihr und schob sie ein Stück von sich, um sie zu betrachten. Sein Blick fühlte sich an wie ein Streicheln auf der Haut, und ein Schauer rann über Ricardas Rücken. »Ricky, ich habe die Rettungswagen hier am Flughafen gesehen. Und dann konnte ich dich nirgends entdecken. Es war schrecklich. Wenn dir was passiert wäre … Das hätte ich mir nie verzeihen können. Schließlich bist du ja nur wegen mir hierher geflogen.« Erst jetzt erkannte Ricarda die Spuren der ausgestandenen Angst auf seinem Gesicht, und vor Rührung zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen.
»Jetzt musst du keine Angst mehr haben, Basti. Mir geht’s gut. Aber es war wirklich schlimm und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich wieder beruhigt habe. Zum Glück ist neben mir ein ganz netter Arzt gesessen. Er heißt Daniel Norden und hat einen Dachschaden …« Lachend hielt Ricarda inne. »Ich meine natürlich, dass der Sturm einen Schaden an seinem Praxis-Dach verursacht hat. Deshalb hab ich ihm deine Karte gegeben. Er wird sich mit dir in Verbindung setzen. Du musst ihm unbedingt helfen. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich vor Angst gestorben. Er hat mir quasi das Leben gerettet«, purzelten die Worte nur so aus ihrem Mund.
Kopfschüttelnd lauschte Sebastian ihrer wortreichen Erklärung.
»Immer noch dieselbe Plaudertasche wie früher«, bemerkte er amüsiert, und Ricarda erschrak.
»Herrje, darüber hast du dich ja damals schon lustig gemacht«, erinnerte sie sich schlagartig an die Vergangenheit.
Doch Sebastian beruhigte sie sofort wieder.
»Keine Sorge. Damals war ich ein dummer Junge und wusste nicht, wie schön es ist, wenn ein Mensch so lebendig und fröhlich ist wie du. Wenn jemand etwas zu sagen hat. Und wenn es dann noch auf so charmante Art und Weise passiert, ist das umwerfend.« Er machte eine Pause und betrachtete sie zärtlich. »Außerdem gibt es da ein probates Mittel, dich zum Schweigen zu bringen«, erklärte er und schloss sie wieder in seine Arme. Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er sie zu sich. Ricarda bekam Herzklopfen, und als sich ihre Lippen berührten, war sie wieder einer Ohnmacht nahe. Diese Küsse waren es gewesen, nach denen sie so lange gesucht hatte. Nach Sebastian hatte sie kein Mann mehr so berührt …
»Oh, Basti, ich kann es gar nicht glauben«, stammelte sie, als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit voneinander lösten. Es kam selten vor, dass ihr die Worte fehlten. Doch Sebastian hatte es ihm Handumdrehen geschafft, ihr den Verstand zu rauben. »Das ist …, das ist …«
»Was denn?«, gab er heiser zurück und strich ihr eine wirre, krause Strähne aus dem Gesicht. »Was kannst du nicht glauben?«
»Dass ich nicht weiß, was ich sagen soll«, erwiderte sie treuherzig. »Du verstehst es wirklich, mich zum Schweigen zu bringen.«
Einen Moment lang starrte Sebastian sie ungläubig an. Er hatte mit einer tiefschürfenden Liebeserklärung gerechnet. Aber das war es wohl auch in Ricardas Augen, und er warf den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus.
»Und du bringst mich zum Lachen!«, erklärte er, als er wieder Luft bekam. »Weißt du eigentlich, dass du erfrischend anders bist als alle anderen Frauen, die ich nach dir getroffen habe? Kein Wunder, dass mir keine gut genug war.« Er legte den Arm um Ricardas Schultern, griff nach dem Koffer und zog sie mit sich zu seinem Wagen. Wegen der umgestürzten Bäume und des Chaos‘ auf den Straßen würde es dauern, bis sie zu Hause waren. Doch das war Sebastian gerade recht.
*
»Starker Blutverlust! Schnell, wir brauchen sofort einen Arzt«, rief Noah Adam, als er, einen Rollstuhl vor sich herschiebend, in die Notaufnahme der Behnisch-Klinik raste. Er wurde von einer Menschenmenge aufgehalten, die sich in den Fluren vor der Notaufnahme angesammelt hatte.
Eine ältere Schwester drehte sich zu ihm