Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon
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Eigentlich konnte Jonathan bei Gewitter sehr gut arbeiten. Überhaupt störte ihn nicht der Lärm, den die Natur verursachte. Aber anstatt zu arbeiten, stand er am Fenster, das Herr Karsten notdürftig und unter Brummen repariert hatte, und genoß das Schauspiel. Blitze zuckten im grellen Zickzack über den Himmel und landeten im Meer, Donner füllte die Luft.
Immer wieder spähte Jonathan zu dem kleinen Häuschen hinüber, das im unheimlichen Licht beklagenswert aussah, so, als könnte der Wind es umblassen und davontragen.
Die Kinder kamen aus der Stadt, so ein Naturschauspiel hatten sie gewiß noch nie gesehen. Er holte sein Fernglas vom Bord und spähte hinüber. Nichts war von ihnen zu sehen. Natürlich fürchteten die Kinder sich, wahrscheinlich hockten sie angstvoll im dunklen Zimmer.
Eine irrsinnige Idee von dieser Mutter, mit fünf Kindern in diese unwirtliche Gegend zu ziehen. Aber was konnte man auch schon von einer Mutter, die wie ein junges Ding aussah, erwarten?«
Jonathan wußte, daß beide Häuschen einmal von Vogelwarten bewohnt gewesen waren. Aber auf für Menschen unerklärliche Weise hatten die Möwen ihre Brutstätten verlassen und bewohnte jetzt die Dünen hinter dem Wall. Auch das Meer konnte hier dem Land nicht mehr gefährlich werden. Vor ungefähr hundert Jahren war gerade diese Dünenlandschaft häufig überschwemmt worden, ja, das Wasser war sogar bis zum Dorf gekommen, Tafeln an Hausmauern erzählten noch davon.
Jetzt kam das Wasser nicht einmal mehr bei Springflut bis zu den Höhlen im Felsen, bei Ebbe lief es weit zurück.
Jonathan ertappte sich bei dem Gedanken, daß er der kleinen Lea gern davon erzählen würde. Er erinnerte sich an die großen, wißbegierigen Augen. Er sah sogar das Lachen darin.
Das Gewitter hatte sich verzogen, jetzt strömte der Regen aus dunklen, tiefhängenden Wolken, als wollte er das Land überschwemmen. Seufzend setzte sich Jonathan an den Tisch. Natürlich gab er dem Drang nicht nach, der ihn vom Schreiben abhielt. Auf keinen Fall ging er zu den Kindern hinüber. Ja, wenn sie allein wären, dann wäre es ja sogar seine Christenpflicht gewesen. Dann müßte er sich um sie kümmern.
Die Hände lagen auf den Tasten der Schreibmaschine. Er hatte das Licht angezündet, wie gut, daß die Häuschen wenigstens Strom besaßen. Jetzt konzentriere dich, Jonathan Nolde.
Wie spöttisch diese Person gesagt hatte: ein Schriftsteller dieses Namens ist mir nicht bekannt…
Aber wie zärtlich hatte sie den Arm um die Kleine gelegt und ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen.
Hatte er nicht doch die Pflicht, sich um die sechs zu kümmern? Die junge Frau war doch diesem rauhen Leben gar nicht gewachsen.
Aber er ging nicht. Er schob die Maschine von sich, holte seinen Rotwein aus dem Schrank. Er vertiefte sich in sein Lieblingsbuch und hatte Glück, daß der Roman ihn gefangennahm.
Er schlief nicht sehr gut in dieser Nacht. Einmal glaubte er sogar, Stimmen gehört zu haben, ja, es war ihm, als schlichen Menschen um sein Haus. Wenn ihm seine Nerven einen Streich spielten, dann war das der letzte Kriminalroman, den er schrieb.
Strahlender Sonnenschein umfing ihn, als Jonathan unausgeschlafen sein Haus verließ. Er reckte gähnend die Arme über den Kopf und blinzelte. Der Himmel war tiefblau, das Meer lag wie ein silbrig blitzendes Tuch darunter. Selbst die Möwen machten weniger Lärm.
Und überhaupt kein Laut klang vom Häuschen herüber. Die kleinen Fensterscheiben blitzten wie lachende Augen in der Sonne. Es kam auch kein Rauch aus dem Schornstein.
Unbehagen faßte ihn. Er wollte gerade zu der höheren Düne gehen, um das Haus besser betrachten zu können, als er einen entsetzten Satz zur Seite machte. Er hatte auf etwas getreten, und ein ohrenbetäubender Knall war die Antwort gewesen.
Er stutzte, machte einen Schritt und wollte das rote Etwas, was unschuldig im Sand lag, in Augenschein nehmen, als noch ein Knall losbrach.
Knallbonbons, hatten sie als Kinder dazu gesagt. Er bückte sich und betrachtete das Corpus delicti interessiert. Aber anstatt sich zu ärgern, schmunzelte er. Er hockte auf dem Sand, spähte über den Weg und entdeckte noch drei der Dinger. Vorsichtig nahm er sie auf. Vergnügt pfeifend ging er zu seinem Haus zurück.
Also hatte er sich die flüsternden Stimmen nicht eingebildet. Aber nicht darum war er so vergnügt. Das war also die Antwort der Kinder. Sie spielten ihm Streiche.
Jonathan fühlte sich wunderbar belebt. Seine Augen funkelten vor Begeisterung. Von ihm aus konnte das Spiel beginnen. Er machte mit.
Im Grunde war Jonathan, obwohl er ein berühmter Mann war, ein Kind geblieben. Ja, im Grunde seines Herzens war er noch der unternehmungslustige anlehnungsbedürftige Bub, der gern lachte und übermütig war. Nur das Leben, das er führte, gab ihm wenig Gelegenheit dazu. Jonathan war ein begeisterter Bastler. Wäre er nicht Schriftsteller geworden, dann hätte er das Ingenieurstudium ins Auge gefaßt.
Statt zu arbeiten, bastelte er den ganzen Morgen, und dabei pfiff er begeistert vor sich hin. Aber immer wieder spähte er nach draußen. Einmal war ihm, als lugten zwischen den Dünen Gesichter. Eigentlich sollte er ihnen die Freude machen und vor Wut toben. Aber dazu hatte er keine Lust.
Sehr auffällig nahm er am Nachmittag sein Handtuch über die Schulter.
Die Badehose trug er in der einen Hand, in der anderen hielt er einen Beutel, aus dem ein Flaschenhals lugte. Jonathan war sicher, daß die Kinder ihn beobachteten. Sollten sie glauben, er würde den Nachmittag bei einem Picknick am Strand verbringen.
Aber er dachte gar nicht daran. Als er sicher war, vom Haus nicht gesehen werden zu können, ließ er sich hinter eine Düne fallen. Das harte Gras stach sogar durch seine Cordhose, kratzte über seine Arme. Jonathan achtete nicht darauf. Es war, als hätte ihn das Jagdfieber gepackt.
Er mußte nicht lange warten. Da waren sie. Geduckt wie Indianer schlichen sie über den Weg. Vermutlich hatte ihre Mutter ihnen eingeimpft, daß man in den Dünen die Wege benutzen mußte. Aber sicherlich wußte sie von den Streichen, die ihre Kinder ihm spielen wollten, nichts.
Vier waren sie. Wie die Orgelpfeifen sahen sie auf, als sie sich aufrichteten. Sie mußten sich sehr sicher fühlen.
Das Schauspiel lasse ich mir nicht entgehen, dachte Jonathan schmunzelnd. Gut, daß seine Freunde ihn jetzt nicht sahen. Die hätten vermutlich an seinem Verstand gezweifelt.
Auf allen vieren kroch er über den Sand, über Steine und Gräser und versuchte, so rasch und lautlos wie nur möglich voran zu kommen. Er duckte sich und spähte zu seinem Haus hinüber.
Sie hatten das Törchen erreicht. Er hörte ihre Stimmen, obwohl sie sich bemühten leise zu sprechen.
»Meinst du, er hat einen Hund?« Der lang aufgeschossene Bengel tippte gegen seine Stirn.
»Der doch nicht. Du bist wohl nicht ganz dicht. Der liebt doch nichts, was Geräusche macht.«
Lea streckte dem Bruder wütend die Zunge aus. Jonathan fühlte sich lächerlich gerührt.
»Du kennst ihn ja gar nicht, du hörst mir ja überhaupt nicht zu. Er ist nett, das ist mal sicher.«
»Ach, halt die Klappe«, zischte der Bub mit den