Katharina Schratt. Georg Markus
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Alle drei Zeugen dieser Eintragung sind heute tot. Doch sie berichteten zu ihren Lebzeiten mehreren ihnen nahestehenden Personen gegenüber von ihrer Beobachtung. August Maria Knoll erzählte davon seinen Söhnen Reinhold, Norbert und Wolfgang und seinem Schüler, dem heute bekannten Wiener Politologen und Universitätsprofessor Dr. Norbert Leser.
Dieser, vom Autor der vorliegenden Biographie befragt, meint über die Eheschließung:
»Für mich gibt es an der Glaubwürdigkeit der Angaben meines Lehrers August Maria Knoll keine Zweifel, es sind ihm aus dieser Behauptung niemals irgendwelche Vorteile erwachsen, er hat in der Öffentlichkeit auch nie Verwendung davon gemacht. Ich bin sicher, daß Kaiser Franz Joseph und Frau Schratt tatsächlich verheiratet waren.«
Dr. Reinhold Knoll, Historiker und Assistent an der Universität Wien, ist, ebenfalls von seinem Vater informiert, von dieser Eheschließung nicht weniger überzeugt:
»Auch meinen Brüdern und mir hat unser Vater mehrmals von seiner Wahrnehmung im Trauungsbuch der Andreaskapelle erzählt. Es gab für ihn keinen Zweifel, daß Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt verheiratet waren.«
Der Ehe Otto Wagner-Edeltraut Dobrucka (die 1936, nachdem Wagner sein Studium abgeschlossen hatte, auch »öffentlich« nachgeholt wurde) entsprangen drei Kinder: Der heutige Universitätsprofessor Dr. Otto Wagner jun. ist Oberarzt der 1. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien, seine Schwestern Dr. Edeltraud Lothaller als Zahnärztin in Wien tätig und Magister Barbara Binder-Krieglstein unterrichtet als Gymnasialprofessorin. Die Recherchen führten den Autor auch zu ihnen. Sie bestätigen:
»Ihre Information ist richtig. Unsere Eltern haben am Tag ihrer Eheschließung die Eintragung im Trauungsbuch gesehen. Sowohl unser Vater als auch unsere Mutter haben mehrmals davon erzählt und empfanden es als begrüßenswerten Zug des Kaisers, Frau Schratt geheiratet zu haben.« Das bewußte Trauungsbuch existiert vermutlich nicht mehr. Als die Nationalsozialisten 1938 in Österreich einmarschierten, wurde ein Teil der Dokumente des Geheimarchivs vernichtet, weil man im Erzbischöflichen Ordinariat Angst vor indiskreten Veröffentlichungen durch die Gestapo hatte. Monsignore Dr. Johannes Nedbal, der langjährige Ehereferent des Wiener Erzbischofs – und derzeit im Vatikan tätig – wurde mit den obigen Zeugenaussagen und Erklärungen konfrontiert. Er ging der Sache nach und meint:
»Im Erzbischöflichen Ordinariat Wien wird aufgrund der Aussagen von Gewährsleuten vermutet, daß diese Hochzeit tatsächlich stattgefunden hat. Sollte das Trauungsbuch wider Erwarten eines Tages auftauchen, wäre es denkbar, daß der Kardinal die Geheimhaltung dieser Gewissensehe aufgrund einer kirchenrechtlichen Bestimmung aufhebt.«
Auch in Klaus Mörsdorfs Lehrbuch des Kirchenrechts findet sich ein unmißverständlicher Hinweis auf diese Heirat. Über die Gewissensehe ist in dem internationalen Standardwerk der katholischen Kirche nachzulesen: »Der wichtigste Anwendungsfall ist die Mißheirat königlicher oder fürstlicher Personen (zum Beispiel das Verhältnis eines verwitweten Monarchen mit einer Schauspielerin).«
Deutlicher kann auf eine Eheschließung des römischkatholischen, verwitweten Monarchen Franz Joseph mit der Schauspielerin Katharina Schratt wohl kaum hingewiesen werden.
Dr. Michael Habsburg-Lothringen, der Urenkel Franz Josephs, ist selbst Historiker und gibt zu der Eheschließung folgende Stellungnahme ab:
»Mir ist die These über eine Gewissensehe zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Katharina Schratt bekannt und ich will sie auch gar nicht unbedingt ableugnen. Es könnte der Einstellung und dem Charakter des Kaisers durchaus entsprechen, daß er nach der jahrelangen Verbindung diese auch legalisieren wollte. Es ist ja bekannt, daß mein Urgroßvater ein sehr gewissenhafter und korrekter Mann war. Ich kann nicht für die gesamte Familie Habsburg sprechen, aber ich persönlich würde diese Heirat keinesfalls als ›Familienkatastrophe‹ bezeichnen. Man könnte eine Gewissensehe nach all den Schicksalsschlägen, die Franz Joseph erlitten hat, mit einem ihm nahestehenden Menschen wie Frau Schratt ohne weiteres verstehen und akzeptieren.«
Auch Peter Schratt, Schauspieler am Wiener Burgtheater und Großneffe der Schratt – er hatte sie in seiner Kindheit noch persönlich gekannt – hielt die Hochzeit für durchaus denkbar. »Man könnte diesen Schritt als normale Reaktion eines Ehrenmannes verstehen«, sagte er, als ich ihn vor Erscheinen der Erstauflage dieses Buches befragte.
Soweit die Aussagen der direkten und indirekten Zeugen und die Stellungnahmen der betroffenen Familien Habsburg und Schratt.
Nun muß man sich trotz all der Indizien mit den geschilderten Fakten nicht unbedingt identifizieren, das Trauungsbuch für Gewissensehen wird vermutlich nie wieder auftauchen. Durchaus seriös kann aber festgestellt werden, daß die Berichte beziehungsweise eidesstattlichen Erklärungen der – durchwegs honorigen – Zeugen äußerst glaubwürdig sind. Dazu kommt, daß auch noch weitere Schriftstücke und historische Unterlagen für eine Ehe Kaiser-Schauspielerin sprechen:
So hat Kaiserin Elisabeth, die ja diese Beziehung überhaupt in die Wege leitete, mehrmals – zuletzt in Bad Kissingen, kurz vor ihrem Tod – davon gesprochen, daß ihr Mann, falls sie vor ihm sterben würde, Frau Schratt in zweiter Ehe heiraten sollte. Klar läßt sich das aus den Tagebüchern der Erzherzogin Marie Valerie – der Tochter des Kaiserpaares – ersehen. Bereits am 28. Mai 1890, also acht Jahre vor der Ermordung ihrer Mutter, trug Marie Valerie ein, daß sie von Elisabeth aufgefordert wurde, »falls sie stürbe … Papa zuzureden, Schratt zu heiraten.«
Und kurz nach Elisabeths Tod vermerkte Marie Valerie – datiert mit dem 11. Juli 1899: »Lossagen wird er sich nie und nimmer von ihr (gemeint ist Frau Schratt, Anm. d. A.), und heiraten kann er sie ja leider nicht, denn sie ist ja ganz rechtmäßig verheiratet.«
Dieses »Ehe-Hindernis« änderte sich zehn Jahre später, als nämlich am 21. Mai 1909 der immer noch rechtmäßige Ehemann der Schratt, Nikolaus von Kiss, einem Herzschlag erlag. Die eventuelle Hochzeit zwischen Kaiser und Schauspielerin könnte also – nach Verstreichen des Trauerjahres der Katharina Schratt – zwischen den Jahren 1910 und 1916, dem Todesjahr Franz Josephs, stattgefunden haben.
Ein weiteres Indiz scheint die Hochzeits-Theorie zu bestätigen. Als der Kaiser am Abend des 21. November 1916 verstorben war, ereignete sich – nachzulesen in den Aufzeichnungen von Arthur Graf Polzer-Hoditz, dem Kabinettschef des Franz Joseph nachfolgenden Kaisers Karl I. – folgendes: Nachdem der alte Kaiser bereits entschlafen war, kam Frau Katharina Schratt ins Schönbrunner Schloß, »jene Frau«, meint Polzer-Hoditz, »die den Lebensabend des von der Vorsehung schwer heimgesuchten Monarchen durch ihre Herzensgüte, ihren unversiegbaren Humor erhellt und sich die Freundschaft des Kaisers durch Takt und Selbstlosigkeit zu erhalten gewußt hatte. Alle Würdenträger des Reiches hatten sich vor dieser Frau tief verbeugt, solange ihr hoher Gönner noch am Leben war. Nun wollte man ihr den Zutritt zur Bahre des toten Kaisers verwehren. Tief erschüttert und von Schmerz gebeugt, stand sie ausgeschlossen im Vorgemach des Sterbezimmers. Da sah sie Kaiser Karl. Sofort trat er auf sie zu, bot ihr den Arm und führte sie an die Bahre des toten Freundes.«
Im Sterbezimmer nahm sie – wie die Familienmitglieder – Abschied von Franz Joseph. Als Kaiser Karl und Katharina Schratt aus dem Sterbezimmer traten, kam ihnen Kaiserin Zita entgegen und nun stellte er seine Frau der Schratt vor und nicht umgekehrt. Was aus heutiger Sicht kaum bedeutsam erscheint, ist nach den strengen Regeln des damals geltenden Spanischen Hofzeremoniells eindeutig: Eine solche Geste – ausgeführt durch den bereits regierenden Kaiser Karl – wäre einer »Normalsterblichen« gegenüber völlig ausgeschlossen gewesen. Dieser Meinung war auch Österreichs wohl bedeutendster Habsburg-Kenner, der Historiker Universitätsprofessor Dr. Adam Wandruszka, der aufgrund dieser Reaktion des jungen Monarchen zur Überzeugung gelangte, »daß Franz