Wasserschloss zu vererben. Usch Hollmann

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Wasserschloss zu vererben - Usch Hollmann cabrio

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Gespräch zwischen Großmutter und Enkelin geht noch eine Weile hin und her. Erst als Wegener aus dem hinteren Teil des Parks mit entsprechenden Handzeichen signalisiert, dass er die am offenen Fenster stehende Fürstin um ein Gespräch bittet, beendet diese das Telefonat.

      „Hallo, Herr Wegener, welch herrlicher Frühlingstag. Bei dem Wetter sieht man dem ganzen Park deutlich an, dass Sie nicht nur einen, sondern zwei grüne Daumen haben. Sie wollten mich sprechen?“

      Der alte Gärtner nimmt die Mütze vom Kopf und versucht, mit der linken Hand seine grauen Haare zu einer Frisur zu glätten. Gleichzeitig zieht er die bislang hinter seinem Rücken versteckte rechte Hand nach vorn und reicht seiner Chefin einen kleinen Strauß aus Zwerghyazinthen, Schlüsselblumen und Leberblümchen.

      „Wenn Sie die vielleicht Fürst Raimund aufs Grab bringen würden? Er hat sich über die ersten Frühlingsblüher immer so sehr gefreut.“

      Die Fürstin ist gerührt.

      „Ach, Sie treue Seele … Nun ist mein Mann schon seit vier Jahren tot, aber die Natur kümmert sich nicht um unsere Trauer und erwacht jedes Jahr zu neuem Leben. Die Zeit vergeht unaufhörlich und …“

      Der alte Gärtner unterbricht. „Fürstin, bei allem Respekt, ich denke nicht, dass die Zeit vergeht, sondern wir vergehen. Die Zeit …“ Er sucht nach den passenden Worten. „… also die Zeit ist doch irgendwie ein abstrakter Begriff, den wir benutzen, um Struktur in unser Dasein zu bringen …“

      Er setzt seine Mütze wieder auf und rückt sie zurecht.

      „Nein, nicht die Zeit vergeht, sondern wir vergehen“, wiederholt er nachdenklich. „Nichts für ungut, Fürstin, aber man macht sich als alter Mensch so seine Gedanken. Genießen wir den Tag, so lange wir genussfähig sind, besonders wenn der Tag so sonnig und verheißungsvoll ist wie dieser. Da macht die Arbeit noch mehr Spaß …“

      Mit einer angedeuteten Verbeugung wendet er sich zum Gehen und tippt mit dem Zeigefinger Abschied nehmend an den Rand seiner Mütze.

      Die Fürstin sieht ihm erstaunt lächelnd nach.

      „Sieh an, mein alter Gärtner ist ein Philosoph, wer hätte das gedacht.“

      Sie hebt den Frühlingsstrauß an ihr Gesicht und atmet den feinen Duft der Schlüsselblumen ein. „Ich werde euch ins Wasser stellen, bevor auch ihr vergeht“, flüstert sie, ehe sie ins Haus zurückkehrt. „Und heute Nachmittag bringe ich sie dir, Raimund“, sagt sie zu dessen Foto, das in silbernem Rahmen auf einem Sidebord steht.

       4

      „Dahlmann, du hast das Päckchen für Esther doch früh genug zur Post gebracht, nicht wahr?“ Fürstin Henriette geht unruhig in der Eingangshalle von Schloss Wallburg auf und ab. „Esther müsste es heute, pünktlich zu ihrem Geburtstag, bekommen haben. Wie spät ist es? Schon vierzehn Uhr? Die Post streikt doch wohl nicht schon wieder?“

      Agnes Dahlmann tritt mit einem Glas Wasser und der für die Mittagszeit vorgesehenen Tabletten an die Seite ihrer Chefin.

      „Seien Sie beruhigt, Fürstin, die Post ist rechtzeitig abgegangen und Esther hat ihr Geschenk ganz sicher bekommen, aber Graf Michael hat den Flieger für dreizehn Uhr bestellt und sie sind vermutlich gerade auf dem Flug nach Juist. Und da weder er noch Claudia zur Feier des Tages das Handy oder Smartphone in Betrieb nehmen wollten, hat sicher auch das Geburtstagskind keines dabei und kann Sie deshalb gar nicht anrufen. Nehmen Sie also ruhig ihre Medikamente und dann legen Sie sich ein Weilchen hin. Ich mache Ihnen später wie gewohnt einen Tee. Und falls das Telefon klingelt … ich bin ja im Hause.“

      Gehorsam nimmt die Fürstin die Tabletten und das angebotene Glas Wasser an.

      „Ich habe vorhin den Wetterbericht gehört – es bleibt sonnig, wenn auch etwas windig. Sie werden einen schönen Tag zusammen erleben, ich gönne es ihnen.“

      Dahlmann nicht zustimmend.

      „Ja, die Nordsee soll um diese Jahreszeit besonders reizvoll sein. Nicht umsonst ist Juist Esthers Lieblingsinsel, weshalb sie schon einige Male dort waren. Und dass der Pilot ein Freund der Familie ist und nach mehr als fünfhundert Flügen genug Erfahrung gesammelt haben dürfte, ist ebenfalls gut zu wissen. Esther wird morgen eine Menge zu erzählen haben.“

      Sie schiebt die Fürstin mit sanftem Druck in Richtung Treppe. Auf der dritten Treppenstufe bleibt sie kurz stehen.

      „Ich habe es Claudia nie wissen lassen, dass ich seit Fürst Raimunds Tod meine Tablettendosis fast verdoppeln musste … du weißt, dass ich immer öfter am Rande einer neuen Psychose herumkrauche – ich fühle mich manchmal so alleingelassen und nutzlos – das ist keine simple Altersdepression, was mich oft fast lebensmüde macht.“

      Sie sieht sich in der Halle um, nimmt die Ahnenporträts derer von Wallburg in den Blick, die ihrerseits mit ernstem Gesichtsausdruck aus den kostbaren Goldrahmen schauen, und streicht mit müder Handbewegung eine ergrauende Haarsträhne aus der Stirn.

      „Mit knapp sechzig Jahren ist man doch eigentlich noch zu jung für Altersdepressionen. Die Leute denken immer, wenn man in einem so schönen Schloss lebt und keine Existenzangst haben muss, dann hätte man für immer und ewig das Glück an seiner Seite. Sie lesen in den bunten Blättern von unseren schönen Kleidern, von unentwegten prunkvollen gesellschaftlichen Ereignissen, von Glanz und Gloria, sie beneiden uns womöglich, dabei …“

      Dahlmann unterbricht energisch.

      „Schluss jetzt, Fürstin, darüber reden wir notfalls nach Ihrem Schönheitsschläfchen – jetzt ruhen Sie sich erst einmal aus.“

      „Jaja, Dahlmann, ich gehorche!“

      Die Fürstin greift nach dem Geländer und geht mit müden, kurzen Schritten endgültig nach oben.

      Agnes Dahlmann bleibt in der Halle stehen, lauscht und wartet. Erst als sie hört, dass die Tür des Schlafzimmers geschlossen, noch ein Stuhl gerückt wird und dann Ruhe einkehrt, setzt sie sich in einen der Sessel vor dem Kamin und gibt sich ihren Gedanken hin:

      Die Fürstin ist trotz ihres Standes nicht zu beneiden, auch wenn Außenstehende das vielleicht anders sehen, geht es ihr durch den Kopf. Wenn Weggi und ich nicht täglich um sie herum wären, liefe sie die meiste Zeit alleine durch dieses altehrwürdige Gemäuer. Die Verwaltung des Schlosses liegt bei Bovermann in guten Händen – sie ist die Fürstin und ich bin ihre Dahlmann, die Haushälterin – wir sind fast gleich alt, aber ich glaube, dass ich im Vergleich zu ihr den besseren Teil erwählt habe. Ich habe keine Depressionen und für mich gibt es handfeste Aufgaben. Ich bin manchmal sogar unentbehrlich, besonders, wenn es der Fürstin so schlecht geht wie jetzt. Claudia und Esther hängen an mir, als gehörte ich zur Familie – ich werde gebraucht und geliebt – Ob ich mit meinem Traumprinzen Richard glücklicher geworden wäre? Ist Claudia mit ihrem Michael eigentlich glücklich? Oder hat sie sich mit ihm nur arrangiert? Wer mag das gewesen sein, dem sie das erste Mal „Schmetterlinge im Bauch“ zu verdanken hatte?

      Motorengeräusch reißt sie aus ihren Gedanken. Durch ein schmales Fenster neben der breiten Eingangstür sieht sie, wie ein unauffälliger Wagen vor der Gräfte anhält. Wagentüren öffnen und schließen sich mit dumpfem Geräusch, zwei Männer steigen aus. Mit eiligen Schritten überqueren sie die Brücke, laufen über den Kiesweg und steigen die alte Steintreppe empor.

      Dahlmann

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