Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 11
Sie muss zu retten sein, dachte Jonas. Sie denkt doch eigentlich ganz klar. Sie forscht in sich selbst.
»Dich muss man doch mögen, Bettina«, erwiderte er lächelnd. »Du bist eine zauberhafte Frau, du hast ein süßes Kind und einen sehr netten Mann. Wir mögen Conny. Deine Mutter mag ihn auch.«
»Nein, sie mag ihn nicht«, widersprach Bettina aggressiv. »Sie wollte nicht, dass ich ihn heirate. Sie liebt nur deinen Vater und sein Geld. Sie liebt den Luxus.«
»Den liebst du doch auch«, entfuhr es ihm.
»Du etwa nicht?«, fragte sie hintergründig. »Würde es dir gefallen, irgendwo als Assistenzarzt herumzustopseln? Jetzt kannst du in eine Klinik einheiraten. Mich hat Conny geheiratet, obwohl ich nicht viel aufzuweisen hatte. Schließlich ist dein Vater nur der zweite Mann meiner Mutter.«
Er schluckte diese Anzüglichkeit schwer, aber er wusste ja, dass man nicht alles wörtlich nehmen durfte, was sie sagte.
»Ich würde Katrin auch heiraten, wenn sie nichts besäße«, sagte er. »Außerdem tut sich Dr. Dietsch mit der Klinik auch nicht leicht.«
»Das dachte ich mir schon«, sagte Bettina. »Da schaut die Prof.-Kayser-Klinik schon anders aus, und Dr. Laurin ist ein umwerfender Mann. Da hält man die Luft an. Warum hat Mama mich eigentlich veranlasst, nicht mehr zu ihm zu gehen? Ich denke immerzu darüber nach.«
Ihr Gesicht wurde plötzlich starr.
»Ach ja, ich erinnere mich. Dr. Laurin hat gesagt, dass ich zu zart für eine Schwangerschaft sei, aber Mama hat mir das ausgeredet. Aber er hatte sicher recht, ja, ganz sicher. Er hat es besser gewusst als ihr alle zusammen. Und Conny hat es auch gesagt. Dr. Laurin und Conny haben es geahnt, was ich durchmachen muss. Geh jetzt, Jonas. Ich möchte Dr. Laurin sprechen. Du hast überhaupt keine Erfahrung, und Professor Gellinger ist von gestern. Ich will Dr. Laurin haben!«, schrie sie. »Ich will gesund werden! Sandra ist vor zehn Tagen geboren, und ich kann mich nicht mal aufsetzen. Was habt ihr aus mir gemacht? Scher dich weg und heirate deine Katrin. Conny soll kommen, und Dr. Laurin soll kommen, und Mama soll mir nichts mehr vorheulen!«
Jonas wollte beruhigend nach ihrer Hand greifen, aber sie stieß ihn weg. Geh, so geh doch endlich!«, schluchzte sie. »Du kannst mir nicht helfen. Ich möchte schlafen, schlafen und nicht mehr aufwachen.«
Dr. Dietsch gab ihr wenig später eine Injektion. Ein Bündel Elend lag da im Bett. Und er fühlte sich mitschuldig, weil er ihren Zustand nicht erkannt hatte.
»Sie will Dr. Laurin sehen«, sagte Jonas deprimiert. »Vielleicht hat sie es morgen schon vergessen, aber …« Er wusste nicht mehr weiter, seine Stimme versagte.
»Dr. Laurin wird kommen, wenn ich ihn darum bitte«, sagte Dr. Dietsch. »Machen Sie sich jetzt keine Gedanken. Wir müssen mit solchen Ausbrüchen rechnen. Sie wollte vorhin aufstehen, aber sie konnte sich nicht auf den Beinen halten. Sie wollte baden oder wenigstens duschen, aber auch das durfte sie noch nicht.«
Sie hatte die Schwestern wieder herumgejagt, und man war knapp mit dem Pflegepersonal, und so geriet Dr. Dietsch auch langsam in Bedrängnis, denn für die Schwestern war Bettina eine Wöchnerin wie jede andere, und er durfte nicht sagen, dass sie eben doch anders war.
Dr. Robert Dietsch wusste, dass allen, die mit Bettina lebten, Schweres bevorstand, aber kein Arzt konnte wohl sagen, ob das Schlimmste für sie zu verhindern gewesen wäre, wenn sie das Kind nicht bekommen hätte. Es war so oder so eine Tragödie.
Dr. Jonas Bernulf fürchtete sich davor, Charlotte und seinen Vater darauf vorzubereiten, wie schwierig sich das Leben für Bettina gestalten würde. Er wollte die beiden nicht noch mehr deprimieren.
*
Charlotte reagierte sehr aggressiv, als Jonas sie mit den notwendigsten Tatsachen vertraut machte. Aber schließlich musste das sein, denn niemand konnte Augen und Ohren vor der Wahrheit verschließen.
»Ihr dramatisiert das alles«, sagte Charlotte heftig. »Ich glaube es nicht, nein, das glaube ich nicht!« Man konnte ihr diesen Ausbruch nicht verübeln, schließlich war Bettina ihr einziges Kind.
Ihr Mann blieb ruhig. »Jedenfalls können die jungen Leute nicht in einer Wohnung leben, zu der sie mit dem Lift hinauffahren müssen«, erklärte er. »Sie brauchen ein ebenerdiges Haus. Ich werde mich darum bemühen.«
Er war ein Mann der Tat und brachte alles zustande, was er in die Hand nahm. Für Conny war dies allerdings bedrückend, denn dadurch musste er sich noch abhängiger fühlen. Aber er musste seinen Stolz hintenan stellen, da das Leben für Bettina so bequem wie möglich gemacht werden sollte.
Etwas erleichtert fühlte er sich, als Dr. Laurin ihm mitteilte, dass sie eine Kinderpflegerin für die kleine Sandra gefunden hätten.
Antonia Laurin hatte Eva Keller aufgesucht und ihr Anliegen ohne jede Verniedlichung geschildert. Eva war, obwohl erst vierundzwanzig, ein sehr ernstes Mädchen, das wusste, was Multiple Sklerose bedeutete.
Sie hatte das Leiden ihrer um vier Jahre älteren Schwester mit durchlebt. Sie hatte erfahren, welche psychische und auch finanzielle Belastung dieses Leiden für ihre Eltern mit sich brachte, die noch immer sehr zurückgezogen lebten und unter Depressionen litten, wohl auch deshalb, weil sie der jüngeren, gesunden Tochter keine bessere Ausbildung bieten konnten.
Eva hatte auch einige Zeit gebraucht, um mit diesen bitteren Erlebnissen fertig zu werden, aber der Aufenthalt in Toronto, in einer Familie, die alles besaß und dennoch nicht zufrieden war, hatte ihr zu anderen Erkenntnissen verholfen.
Sie überlegte nicht lange, als Antonia Laurin mit ihrer Bitte zu ihr kam.
Antonia arrangierte dann ein erstes Zusammentreffen mit Constantin Hammilton in ihrem Haus. Die Kinder hatte sie zu den Großeltern geschickt, damit dieses Kennenlernen ungestört verlaufen konnte.
Befangen war Eva ebenso wie der Man, als sie einander vorgestellt wurden. Constantin betrachtete das schlanke, zurückhaltende Mädchen forschend.
»Hat Frau Dr. Laurin Ihnen bereits erklärt, worum es sich handelt?«, fragte er heiser.
Eva nickte. »Meine Schwester litt an der gleichen Krankheit«, erwiderte sie leise.
»Und wie hat Ihre Schwester diese Krankheit ertragen?«, fragte er.
»Wechselhaft«, erwiderte sie zögernd. »Am Ende hatte sie sich damit abgefunden.«
»Am Ende«, wiederholte er gequält.
Eva sah ihn offen an. »Manche Menschen klammern sich auch in solchen Leiden an das Leben«, sagte sie so ruhig, dass es fast kühl klang. »Meine Schwester resignierte, als ihr bewusst wurde, dass es keine Hilfe für sie gab. Leider gibt es ja keine. Es ist eine harte Tatsache. Es tut mir leid für Sie, Herr Hammilton. Und für Ihr Kind«, fügte sie nach einer kleinen Pause hinzu.
»Aber Sie würden dennoch die Pflege des Kindes übernehmen?«
»Ja«, erwiderte sie.
Er atmete auf. »Ich danke Ihnen, Frau Keller«, erwiderte er. »Und Ihnen danke ich auch,