Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Was? Herr Heym? – Ja, ich komme sofort.«
Eckart Sternberg lief im Eilschritt die fünfzig Meter zum Haus von Patrick Heym, das inmitten eines parkähnlichen Grundstücks lag. Ein solches Grundstück konnten sich nur sehr reiche Leute leisten, aber Patrick Heym hatte es geerbt, wie vieles andere auch. Noch keine dreißig Jahre alt, war er ein schwerreicher Mann, der sich alles leisten und seine Tage im süßen Nichtstun verbringen konnte.
Und das tat er auch. Patrick Heym war als Playboy stadtbekannt. Dr. Eckart Sternberg hatte für solche Typen nicht viel übrig, und gerade deshalb hatte er sich gewundert, dass er schon bei der ersten Begegnung Sympathie für Patrick empfunden hatte.
Als Dr. Sternberg ihn nun an diesem Morgen wiedersah, erkannte er ihn fast nicht wieder. Wie ein Geist stand Patrick da und brachte kein Wort über die Lippen. Er deutete nur auf das Sofa.
Dem Arzt bot sich ein erbarmungswürdiger Anblick. Er sagte auch nicht viel, sondern griff gleich zum Telefon und bestellte einen Krankenwagen.
»Es ist besser, wenn das in der Klinik erledigt wird«, sagte er zu Patrick.
»Sie wird doch am Leben bleiben? Mein Gott, es wäre furchtbar …« Er unterbrach sich und fuhr dann stockend fort: »Ich bin eben erst nach Hause gekommen. Wer weiß, wie lange sie schon vor meiner Haustür gelegen hat.«
Dr. Sternberg konnte über den Zustand des Mädchens noch gar nichts sagen – außer, dass sie übel dran war.
»Kennen Sie die junge Dame?«, fragte er.
Patrick schüttelte benommen den Kopf. »Man kann ja gar nichts erkennen«, stammelte er. »Es ist entsetzlich. Bitte, tun Sie, was möglich ist, Herr Doktor. Ich übernehme alle Kosten.«
Später musste Dr. Sternberg daran denken, dass er nicht einen Augenblick lang misstrauisch gegenüber Patrick Heym gewesen war.
Eine Stunde später stand auch Dr. Leon Laurin am Krankenlager der Fremden. Das Gesicht war inzwischen vom Blut gereinigt worden. Die beiden Platzwunden, die von Schlägen oder einem Sturz herrühren konnten, waren geklammert.
Eine Gehirnerschütterung hatte Dr. Sternberg auch diagnostiziert, aber das Schlimmere war die Tatsache, dass das Mädchen vergewaltigt worden war, und das hatte Dr. Laurin festgestellt.
Das Kleid war zerfetzt, ein gewiss nicht billiges Modell.
»Eine merkwürdige Geschichte«, sagte Dr. Laurin nachdenklich. »Heym genießt keinen besonders guten Ruf.«
»Aber so etwas traue ich ihm nicht zu«, widersprach Dr. Sternberg. »Und was heißt guter Ruf? Er hat mehr Geld, als er ausgeben kann, und das macht schnell leichtsinnig. Jedenfalls werden wir mal wieder die Polizei am Hals haben.«
»Wäre auch zu schön, wenn es mal so ginge, aber eine solche brutale Tat kann man nicht ungesühnt lassen.«
»Hoffentlich wird der Täter bald gefasst, sonst habe ich auch keine Ruhe mehr«, meinte Dr. Sternberg.
»Hoffen wir auch, dass Heym nicht doch in die Sache verwickelt ist«, fügte Dr. Laurin hinzu. »Ein sehr apartes Mädchen, wenn man sich die Wunden wegdenkt.«
Ein solches Unglück konnte die Ärzte der Prof.-Kayser-Klinik nicht kalt lassen. Sie wussten ja auch um die psychischen Folgen, die ein junges Menschenkind durchmachen musste – selbst wenn es organisch geheilt werden konnte.
Inzwischen würde das Mädchen wohl auch von besorgten Eltern vermisst werden, von einem Freund oder Verlobten, denn am linken Ringfinger steckte ein schmaler Weißgoldring, der eine Bindung bedeuten konnte. Ein Ehering konnte es kaum sein, denn aus den Verletzungen, die das Mädchen erlitten hatte, konnte man schließen, dass sie vorher keine intimen Beziehungen zu einem Mann gehabt hatte.
*
Im Haus des Industriellen Arnold Heltcamp herrschte gewaltige Aufregung. Agnes Heltcamp konnte nicht schlafen, wenn ihre Tochter nicht zu Hause war, zumindest nicht ruhig schlafen. Immer wieder hatte sie in dieser Nacht zur Tür gelauscht, mehrmals war sie aufgestanden und hatte zu Anja ins Zimmer geschaut, aber als dieses gegen fünf Uhr noch immer leer war, hatte sie ihren Mann geweckt.
»Anja ist noch nicht daheim«, berichtete sie nervös. »André sollte doch wissen, dass es sich nicht gehört, mit ihr so lange auf einer Party zu bleiben.« Erregung und Empörung machten ihre sonst so angenehme Stimme ein wenig schrill.
Arnold Heltcamp, aus tiefem Schlummer gerissen, starrte seine Frau erst mal betroffen an.
»Das ist gar nicht Anjas Art«, bemerkte er heiser. »Es wird doch nichts passiert sein? Wo wollten sie doch gleich hingehen?«
»Zu Bekannten von André. Ich komme nicht gleich auf den Namen.«
»Frag Uwe, oder ist er auch nicht zu Hause?«
Uwe Heltcamp, der Sohn, war daheim. Er brauchte viel Schlaf, denn er stand kurz vor seinem Examen. Da er sehr tüchtig war, brauchte er sich keine Sorgen zu machen und konnte tief und fest schlafen.
»Was, Anja ist noch nicht zu Hause?«, entfuhr es ihm, als er von der Mutter geweckt wurde. »Da stimmt was nicht.«
Dieser Ausruf trug gewiss nicht dazu bei, Agnes Heltcamp zu beruhigen. Jetzt brach sie in Tränen aus.
»Weine doch nicht gleich, Mama«, sagte Uwe, »ich ziehe mich an und fahre zu André. Und wehe, wenn er Anja vernascht hat.«
Agnes war entsetzt, aber die Angst um ihre Tochter war noch größer als das Entsetzen. In ihrer Familie wurde recht frei gesprochen, und man war auch nicht prüde. Man hatte nur gewisse Grundsätze, wie sie eben zum Stil eines Hanseaten gehörten, auch wenn er nach München verschlagen worden war. In München hatte er seine Agnes kennengelernt, die Tochter eines kleinen Unternehmers, der Arnold eine Stellung bot. Sie hatten bald geheiratet, und Arnold hatte aus dem kleinen Unternehmen eine Weltfirma gemacht. Die Kinder waren ersehnt worden. Uwe war jetzt vierundzwanzig, Anja hatte gerade ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Gleichzeitig war ihre Verlobung mit André Malten bekannt gegeben worden. André studierte zwar noch, obwohl er älter war als Uwe, aber er stammte aus bester Familie, und man hatte nichts gegen ihn einzuwenden. Nur Uwe meckerte an ihm herum, weil er so lange mit dem Studium trödelte.
Dafür wiederum hatte Agnes eine Entschuldigung gehabt, denn Andrés Vater war früh gestorben, und seine Mutter hatte ihnen erklärt, wie sehr der Junge darunter gelitten und wie lieb er sich dann um sie gekümmert hätte. André entsprach so ganz dem Bild, das man sich von einem lieben, wohlerzogenen, sensiblen Jungen machte.
Uwe hatte sich schnell angekleidet und war losgefahren. Eine gute Viertelstunde war er unterwegs, bis er das Haus der Maltens erreichte. Da war es noch nicht sieben Uhr. Er musste mehrmals läuten, bis sich ein Fenster öffnete.
»Verzeihung, Frau Malten«, sagte Uwe, »ist André zu Hause?«
»Natürlich«, kam die Antwort. »Was ist denn los, Uwe?«
»Anja ist noch nicht daheim«, erklärte er, »ich muss André sprechen.«
Frau Malten öffnete ihm endlich die Tür. Und sie klopfte dann auch lautstark an Andrés Tür, den selbst das Läuten und Rufen anscheinend nicht hatte wecken können.
»Was