Handbuch Sozialraumorientierung. Группа авторов

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Sicht und integrierte Behandlung sozialer Probleme erfordern ein vielschichtiges Vorgehen bei Situationsanalyse, Problemdefinition und der Beschreibung von Zielen, Aufgaben und Methoden. Dazu gehören neben multidisziplinären theoretischen Grundlagen zur Generierung von Erklärungs- und Handlungswissen ein Mehrebenansatz bzgl. der Gestaltung von Lebensbedingungen und -räumen sowie die Methodenintegration zur Kooperation und Vernetzung mit allen relevanten Akteuren unter Einbezug der Betroffenen.

      Sozialraumorientierung hat sich mittlerweile zu einem, bislang noch nicht konsistenten Handlungskonzept Sozialer Arbeit entwickelt, das trotz oder wegen konzeptioneller und pragmatischer Unterschiede und Modifikationen in zunehmend vielen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit Anwendung zu finden scheint. Im Rahmen der Weiterentwicklung von der fallspezifischen über die fallübergreifende bis hin zur fallunspezifischen Arbeit geht der Adressat*innenkreis durch SRO über die klassische Klientel Sozialer Arbeit hinaus und bezieht potenziell alle Menschen in sozial- und räumlich strukturierten Lebens- und Aktionsräumen ein. Mit Beteiligung und Aktivitätsförderung Betroffener, Erschließung und Nutzung von Ressourcen des sozialräumlichen Lebensumfeldes sowie institutioneller und individueller Vernetzung versuchen Organisationen und Fachkräfte Sozialer Arbeit ihrer jeweiligen Aufgabenstellung gerecht(er) zu werden. So setzt bspw. die Ausrichtung der »gemeindenahen Psychiatrie« auf die Potenziale von Angehörigen, Nachbarschaft und sozialem Umfeld von Menschen mit psychischen Belastungen. Dies gilt auch für die Altenhilfe, in der ambulante wie stationäre Hilfen und nahräumliche Versorgung kombiniert und die spezifischen Angebote und Dienstleistungen geöffnet werden, um der Isolierung älterer Menschen entgegen zu wirken. In der Jugendhilfe wird mit »Mobiler Jugendarbeit« und »Straßensozialarbeit« versucht, sozialräumliche Akzente zu setzen oder Finanzbudgets für fallübergreifende oder fallunabhängige Arbeit auf »Soziale Planungsräume« (Noack 2015) zu beziehen. Über Multiplikator*innen sollen sozialräumliche Netzwerke zur besseren Integration von Migrant*innen geschaffen werden. Im Rahmen der Inklusionsbemühungen wird unter dem Begriff »Diversity Management« versucht, mit Unterschiedlichkeiten von Menschen so umzugehen, dass Teilhabe ohne systematische Benachteiligungen oder gar Stigmatisierung gelingt und der Fokus weniger auf personalen Merkmalen von Behinderung, sondern stärker auf der alltäglichen Hinderung an Teilhabe gelegt wird. Dies wird – wie oben erwähnt – auch von der UN-Behindertenrechtskonvention speziell für Menschen mit Behinderungen eingefordert. Die einzelnen Beiträge in diesem Band versuchen, den Handlungsfeldspezifischen Bezug zum hier explizierten Handlungskonzept SRO systematisch herzustellen und zu beschreiben.

      1.6.1 Sozialraumorientierung und Raumbezug

      SRO richtet den Blick sowohl auf territorial begrenzte Räume wie statistische Bezirke, Stadtteile oder per subjektiven Zuschreibungen zu identifizierende Quartiere als auch auf unterschiedliche Lebens- und Aktionsräume von Menschen. Stadtteile, Stadtviertel und Quartiere existieren jedoch weder isoliert für sich noch als mit Gebäuden und Menschen gefüllte Behälter, denn gesamtstädtische, regionale, nationale und globale Entwicklungen manifestieren sich auf lokaler Ebene mit z. T. gravierenden Auswirkungen (vgl. Becker 2016: Kap. 3). Das Leben von Menschen spielt sich nicht nur in ihrem räumlichen Wohnumfeld ab, je nach Interessen und Mobilität gehören ganz unterschiedliche Aktivitäten an unterschiedlichen Orten zur individuellen Lebenswelt. Neben territorialen Aspekten werden im Handlungskonzept SRO auch kategoriale Perspektiven, also die Fokussierung auf Merkmale von Personen wie Geschlecht, Ethnie oder Alter, beachtet. Daneben finden funktionale Perspektiven, rund um die Themen Infrastruktur, Arbeit, Wohnen, Gesundheit/Krankheit etc. in den diversen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit konstituierende Bedeutung.

      Die ›Brille‹ der SRO kann und darf daher nicht zur Scheuklappe werden, die ausblendet, was außerhalb eines fokussierten geografischen oder amtlich festgelegten Gebietes und den vorwiegend institutionell zu bearbeitenden Themen liegt, sondern sie erweitert den Blick von der Mikroebene der Orientierung auf Einzelpersonen und deren Primärkontakte auf die Mesoebene sozialer Beziehungen im räumlich und sozial strukturierten Umfeld, wohl wissend, dass dieses wiederum von der Makroebene gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen beeinflusst wird.

      1.6.2 Perspektivenwechsel sozialraumorientierter Sozialer Arbeit

      Die Bearbeitung komplexer Zusammenhänge bedingt und erfordert ganzheitliche Herangehensweisen unter Berücksichtigung menschlicher Verhaltensdispositionen und Entscheidungen, ebenso wie deren gesellschaftlicher (Rahmen-)Bedingungen. Die Qualität sozialer, verkehrlicher und ökonomischer Infrastruktur am Lebens- und Wohnort wird für Menschen immer wichtiger, auch wenn sie bislang keine Adressat*innen Sozialer Arbeit waren oder sind. So bezieht sich das Handlungskonzept SRO nicht nur auf die Beseitigung sozialer Missstände in bestimmten Gebieten mit höheren Konzentrationen benachteiligter Menschen, sondern sieht die Verantwortung zur Bewältigung sozialer Probleme bei der gesamten Gesellschaft, sucht Ressourcen auch da, wo diese am umfänglichsten und häufigsten vorhanden sind, und versucht diese zur Verringerung der Belastungen dort einzusetzen, wo sie am ehesten gebraucht werden. Ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung menschlicher Lebensräume und -verhältnisse bedarf der gleichwertigen Betrachtung und Beachtung sozialer, ökonomischer und ökologischer Ziele, was durch eine sozialräumliche Perspektive gefördert werden kann. Interdisziplinäre Kooperation, institutionelle Vernetzung und gemeinsame Ressourcennutzung sind hierfür notwendige Bedingungen und scheinen sich, wo bislang praktiziert, zu bewähren.

      Innerhalb der ausdifferenzierten Handlungsfelder Sozialer Arbeit arbeiten im Idealfall Sozialarbeiter*innen, Verwaltungsfachkräfte und Angehörige weiterer Professionen im Rahmen integrierter Handlungskonzepte beim Aufbau von Strukturen und der Gestaltung von Prozessen zusammen, um ihren jeweiligen Adressat*innen ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben in ihrem sozialen und räumlichen Umfeld zu ermöglichen. Gelegentlich werden Fachkräfte und Bevölkerung durch einschlägige Europa-, Bundes- und Länderprogramme oder Stiftungsförderungen, die integrierte Handlungskonzepte befördern sollen, darin unterstützt, ganzheitliche und nachhaltige Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Nachhaltige Entwicklungen sind allerdings nicht mit befristeten, Projekt finanzierten Maßnahmen zu erreichen. Für die Bewältigung der vielschichtigen sozialen Probleme braucht es qualitätssichernde Bedingungen, verlässliche und dauerhafte Finanzierungen und standardisierte Maßnahmen auf der Basis plausibler Konzepte.

      Wegen der Veränderungen des vormals korporatistischen hin zum eher wettbewerbsorientierten Wohlfahrtsstaat sind im Hinblick auf die verschärfte Konkurrenzsituation unter den »Leistungserbringern« gerade die Finanzierungsfragen sozialräumlicher Konzepte Sozialer Arbeit derzeit noch weitgehend ungelöst und bedürfen daher der Klärung. Dazu zählen insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten fallübergreifender und fallunspezifischer Arbeit (Budde u. a. 2006). Hierzu bedarf es der Entwicklung und Umsetzung von Ideen und Modellen sozialraumorientierter Arbeitsgestaltung in den diversen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit und deren gesetzlicher Verankerung.

      Mit dem Handlungskonzept SRO sind durchaus auch Anforderungen bzgl. Berufsrollen, Kompetenzen und Aufgaben verbunden. SRO bringt – wie oben erwähnt – in Ergänzung zu individueller Fallorientierung die Kombination funktionaler (Themenbezug: z. B. Behinderung, Wohnen, Arbeitslosigkeit etc.) mit kategorialen (Adressat*innenbezug: junge/alte, weibliche/männliche Menschen etc.) und territorialen Zuständigkeitsbereichen mit sich. Für interdisziplinäre Zusammenarbeit und selbstbewusstes Auftreten auf den unterschiedlichen politischen Ebenen sind sowohl Kenntnisse als auch Verständnis disziplinärer Kulturen und Fachsprachen erforderlich. Um sowohl mit Vertreter*innen staatlicher, ökonomischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen als auch mit Menschen unterschiedlicher Milieus gedeihliche Arbeitsbeziehungen gestalten zu können, braucht es entsprechende Empathie und Rollenvielfalt. Dies und noch einiges mehr an Kompetenzen sowie eine reflektierte und professionelle Haltung gehören zu den Anforderungen an Fachkräfte Sozialer Arbeit, die nach dem Handlungskonzept SRO arbeiten möchten.

      1.7 Anforderungen des Handlungskonzepts Sozialraumorientierung

      Um

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