Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman - Viola Maybach страница 20
»Sie sind beide gestorben, im letzten Jahr, Tante Ina, kurz hintereinander.«
Als sie das hörte, schlug Irina beide Hände vor ihr Gesicht. »Und ich wusste nichts davon!«, flüsterte sie. »Woran sind sie gestorben?«
»Mama ist krank geworden, und Papa hat dann einen Herzinfarkt erlitten.«
»Hat deine Mutter es erfahren?«
»Ich glaube nicht, nein.« Leonid war nicht weniger erschüttert als seine Tante. »Sie waren glücklich miteinander – ich erinnere mich jetzt, dass Papa nach deinem Verschwinden eine Zeitlang sehr in sich gekehrt war, aber dann hat er sich verändert. Er war sehr liebevoll zu Mama, die beiden hatten dann ein viel innigeres Verhältnis als früher.«
»Das hatte ich gehofft«, flüsterte Irina. »Deshalb bin ich gegangen.« Sie weinte still, dann trocknete sie ihre Tränen. »Unsere Liebe hatte keine Zukunft, das weiß ich heute. Wenn ich geblieben wäre, hätte sie die Ehe deiner Eltern zerstört – und uns trotzdem unglücklich gemacht. Ich musste gehen – und zwar so, dass ich keine Möglichkeit hatte, zurückzukehren.«
Nach diesen Worten wurde es still im Salon. Selbst Konrad, sonst nie um einen frechen Spruch verlegen, blieb stumm und war sichtlich bewegt. Annas Augen wanderten von Irina zu Leonid und wieder zurück, der kleine Fürst betrachtete versonnen das Bild, während Johannes von Thalbach gegen den Wunsch ankämpfen musste, Irina in seine Arme zu ziehen und ihr zu sagen, was er für sie empfand.
Irgendwann räusperte sich der Baron, doch er kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn Eberhard Hagedorn erschien an der Tür und sagte mit gedämpfter Stimme: »Frau Baronin, Herr Baron, soeben ist Frau von Bethmann eingetroffen.«
Leonid fuhr herum, gab einen seltsamen Laut von sich und wandte sich dann mit fragendem Blick an Sofia. »Was … wie …?«, stammelte er.
»Clara ist gekommen?«, rief Irina.
»Du kennst sie?«, fragte Leonid.
»Aber ja, wir haben einander sehr gern«, antwortete Irina.
»Aber wie … wieso?« Leonids Blick irrte zurück zu Sofia, es war offensichtlich, dass er die Welt nicht mehr verstand.
Bevor Sofia etwas erwidern konnte, sagte der kleine Fürst: »Am besten wäre es, glaube ich, wenn Sie allein hinausgehen und Clara begrüßen würden, Leo.«
Irina wischte sich die Tränen ab und sagte mit einem Lächeln: »Das ist ein sehr guter Vorschlag. Nun geh schon, Leo!«
Verwirrt verließ er den Salon.
*
Clara wunderte sich, dass niemand kam, um sie zu begrüßen. Sie hatte sich doch angekündigt! Aber vielleicht kam sie jetzt doch ungelegen? Andererseits war sie von Eberhard Hagedorn wie üblich mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen worden.
Als sie Schritte hinter sich hörte, drehte sie sich um – und erstarrte. Denn der Mann, der auf sie zukam, war nicht etwa Baron Friedrich, es war Leonid von Zydar, jener junge russische Graf, der sie seit der Auktion so beschäftigte. »Ich wusste nicht, dass Sie kommen würden«, sagte er anstelle einer Begrüßung. Sein Blick war ernst, ein wenig traurig und ohne jeden Spott – das war das Erste, was ihr auffiel.
»Und ich wusste nicht, dass Sie hier sind«, erwiderte sie.
»Meine Tante hat gesagt, dass Sie sich kennen.«
»Ihre Tante?«
»Anastasia Irina Gräfin von Crolowin – hier in Deutschland hat sie sich Irina Mahler genannt.«
»Ihre Tante«, murmelte Clara. »Deshalb wollten Sie das Bild haben!«
»Ja, deshalb. Ich war auf der Suche nach ihr – und nun habe ich sie ganz plötzlich gefunden. Ich hatte natürlich keine Ahnung, dass Sie sie auch kennen. Und dass mein Freund Jo sie ausfindig gemacht hat. Hätte ich offen über meine Suche nach ihr gesprochen, hätte ich sie wohl viel früher gefunden.«
»Wieso wussten Sie denn nicht, wo sie sich aufhielt?«
»Das ist eine lange Geschichte, ich erzähle sie Ihnen später, ja?«
Clara nickte. »Es tut mir leid«, sagte sie, »dass ich Sie so beschimpft habe.«
»Mir tut es leid, dass ich Ihnen nicht gleich gezeigt habe, wie … wie hinreißend ich Sie finde, Clara. Schon bei der Auktion, als Sie so zornig auf mich waren, hatte ich nur einen Wunsch …«
»Welchen?«, fragte Clara.
»Sie haben mir schon einmal eine Ohrfeige gegeben, als ich mir diesen Wunsch erfüllt habe«, erinnerte er sie.
Sie trat einen Schritt näher. »Versuchen Sie es doch noch einmal«, flüsterte sie.
Er konnte den Blick nicht von ihren Lippen abwenden, die sich zu einem verlockenden Lächeln verzogen, und im nächsten Moment riss er sie in seine Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass Anna und Christian in ihrem Versteck den Atem anhielten. »Der geht ja vielleicht ran!«, flüsterte Anna.
»Und ihr scheint es zu gefallen«, flüsterte Christian zurück.
Er hatte Recht: Clara erwiderte den Kuss des Grafen nicht weniger leidenschaftlich. Ganz offensichtlich hatten die beiden Liebenden die Welt um sich herum vergessen.
Anna und Christian verließen ihr Versteck. Um Clara und Leonid musste man sich allem Anschein nach keine Sorgen mehr machen.
*
Später an diesem Tag machte sich der kleine Fürst auf den Weg zu dem kleinen Hügel am hinteren Ende des Schlossparks, kurz bevor der Wald begann. Dort, auf dem Familienfriedhof, hatten seine Eltern ihre letzte Ruhe gefunden, und dort besuchte er sie jeden Tag.
Togo kannte den Weg, er wusste immer, wann Christian auf den Hügel wollte, und so lief er munter voran. Wie üblich lag er schon vor der Gruft, als Christian eintraf. »Heute habe ich euch viel zu erzählen«, sagte er in Gedanken zu seinen Eltern. »Ich glaube, es wird euch gefallen zu hören, dass sich Clara und der Graf aus St. Petersburg endlich gefunden haben. Anna und ich wussten ja schon vorher, dass sie ineinander verliebt waren, aber Tante Sofia wollte uns nicht glauben. Und dann ist da noch die Geschichte mit Leonids Tante …«
Er ließ sich Zeit bei diesem Besuch, es gefiel ihm, auf diese Weise an seine Eltern zu denken, sich vorzustellen, wie sie ihm dort, wo sie sich jetzt befanden, zuhörten – und er war sicher, dass sie sich für alles, was er ihnen zu erzählen hatte, interessierten. Endlich sagte er: »Das war alles, wir sehen uns morgen wieder.«
Sobald er laut redete, war dies das Signal für Togo, aufzuspringen und zurückzulaufen. Wie üblich folgte Christian ihm langsamer. Er stand noch auf dem Hügel und sah hinunter in den Schlosspark,