Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach
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Danach konnte Irina sich nicht mehr auf ihr Buch konzentrieren. Sie kommt schon seit einem Jahr zu mir, und ich hatte keine Ahnung, wie ihr Leben aussieht, dachte sie erschüttert. Es wird Zeit, dass ich aufhöre, ständig um mich selbst und mein eigenes Schicksal zu kreisen.
Sie dachte noch länger über das nach, was Lili ihr soeben erzählt hatte – und am Ende fasste sie einen Entschluss.
*
Leonid blieb vor dem Bild, das seine Aufmerksamkeit fesselte, nicht länger stehen als vor allen anderen Bildern auch. Nichts an seinem Gesicht verriet sein Interesse an diesem speziellen Gemälde, obwohl ihn der Anblick der abgebildeten Frau wie ein Blitzschlag getroffen hatte. Die Bildlegende gab keine brauchbaren Informationen her, aber die brauchte er auch nicht, er kannte das Bild gut genug.
Verstohlen sah er sich um. Die unbekannte Schöne, die sich das Bild vorhin ebenfalls angesehen hatte, stand jetzt bei den Sternbergern, die sie offenbar gut kannte, der herzlichen Begrüßung nach zu urteilen. Ihr Blick war kühl gewesen, vielleicht sogar ein wenig herausfordernd. Natürlich, sie wusste, wer er war, und sie hatte bereits eine festgefügte Meinung über ihn – wie viele andere Menschen auch, denen er noch nie begegnet war. Sie war eine bemerkenswerte Schönheit, das war ihm nicht entgangen, besonders, wenn sie sich bewegte, denn das tat sie mit großer Eleganz und Geschmeidigkeit.
Kümmere dich nicht weiter um sie, Leonid, sagte er streng zu sich selbst. Du kannst keine Ablenkung gebrauchen, du musst dich auf dein Ziel konzentrieren, und diesem Ziel bist du heute ganz offensichtlich einen Schritt näher gerückt.
»Wen guckst du denn so interessiert an?«, erkundigte sich Johannes von Thalbach und folgte seinem Blick. »Etwa die schöne Clara von Bethmann?«
»Ist das die Dunkelhaarige da drüben, die mit den Sternbergern spricht?«, fragte Leonid betont beiläufig.
»Ja, das ist sie, und du brauchst gar nicht den Gleichgültigen zu spielen, ich habe dich beobachtet, mein Freund.«
Leonid lächelte. »Ertappt«, gab er zu. »Sie hat so einen funkelnden Blick – und sie bewegt sich wie eine Raubkatze. Das war es wohl vor allem, was mir aufgefallen ist.«
Johannes versagte sich eine Erwiderung, er lächelte nur still in sich hinein.
*
Das Collier war zunächst heiß umkämpft, doch ganz plötzlich sprangen die Konkurrenten von Baron Friedrich von Kant ab – sie hatten wohl begriffen, wie ernst es ihm war. Als der Auktionator nach einem gedehnten: »Zum Ersten … zum Zweiten … meine Damen und Herren, letzte Möglichkeit für dieses wundervolle Collier …. niemand mehr? Zum Dritten!« den Hammer niedersausen ließ, hatte Friedrich um einiges weniger bieten müssen als befürchtet. Nun strahlte er, nahm Küsse und Glückwünsche seiner Familie entgegen und freute sich, dass es ihm gelungen war, ein ehemals zum Sternbergschen Vermögen zählendes Schmuckstück zurückzukaufen.
Eigentlich gab es danach keinen Grund mehr, der Auktion noch länger beizuwohnen, doch da Clara bei etlichen Stücken eifrig mitbot, beschlossen sie, zumindest noch eine Weile zu bleiben und ihr Gesellschaft zu leisten.
Zu Sofias und Friedrichs Erstaunen stieg Clara auch bei einem Portrait ein, das zwar gut gemalt war und eine sehr schöne Frau zeigte, doch der Wert des Bildes schien unklar zu sein, konnte doch weder der Maler angegeben werden, noch wusste man, wer die abgebildete Frau war. Noch erstaunlicher war, dass Graf Leonid ebenfalls mitbot. Innerhalb kürzester Zeit waren alle anderen Interessenten ausgestiegen und verfolgten mit wachsender Verwunderung das Duell zwischen der schönen Clara und dem russischen Grafen. Es dauerte nicht lange, da war die gebotene Summe bereits Schwindel erregend hoch, doch weder Clara noch Leonid machten Anstalten, sich zurückzuziehen.
»Clara!« Sofia legte ihr behutsam eine Hand auf den Arm. »Das ist völlig verrückt! Lass ihn das Bild doch kaufen – warum willst du so viel Geld dafür ausgeben?«
Clara schien die Baronin nicht einmal zu hören, sie gab ein neues Gebot ab. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen sprühten zornige Funken. Er machte sich über sie
lustig, dieser russische Graf! Auf Geld kam es ihm offenbar nicht an, aber er wollte unbedingt als Sieger aus diesem Duell hervorgehen, doch genau das war auch ihr Ziel.
Er ging jetzt gleich um zehntausend hoch mit seinem neuen Gebot, und plötzlich wurde es mucksmäuschenstill im Saal, während sich alle Augen auf Clara richteten. Wie würde sie reagieren? Längst hatte der Preis des Bildes jede vernünftige Grenze überschritten, nie im Leben war es so viel wert, wie nun einer von ihnen dafür würde bezahlen müssen.
Mit einem Mal stellte sich bei Clara Ernüchterung ein. Es war eine verrückte Idee gewesen, dieses Portrait Irina Mahler zu schenken, mehr nicht. Es wäre schön gewesen, ihrer älteren Freundin eine Überraschung zu bereiten – aber dermaßen viel Geld war diese Überraschung dann wohl doch nicht wert. Sie schüttelte also nur den Kopf, und damit ging das Bild an Leonid von Zydar, der seinen Sieg mit unbewegtem Gesicht quittierte. Dennoch hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst vor lauter Zorn darüber, dass er ihr diese Freude kaputt gemacht hatte. Was konnte er schon für ein Interesse an dem Bild haben?
»Nicht traurig sein, Clara«, bat die Baronin, als wenig später eine Pause ausgerufen wurde.
»Traurig? Das bin ich nicht, ich bin wütend. Er hat doch gemerkt, wie wichtig mir das Bild ist – warum konnte er es mir nicht überlassen?«
»Vielleicht ist es ihm auch wichtig«, gab der kleine Fürst zu bedenken.
Clara sah ihn erstaunt an, schüttelte dann jedoch den Kopf. »Das glaube ich nicht«, erklärte sie.
»Aber sicher sein kannst du nicht. Vielleicht wollte er es genau so gern haben wie du.«
Doch Clara schüttelte erneut den Kopf, sie hielt das für ausgeschlossen. Der russische Graf hatte nur gewinnen wollen, das war ihre feste Überzeugung. Sie schimpfte nach allen Regeln der Kunst über ihn, was Sofia und Friedrich aber eher amüsierte, sie kannten ja Claras Temperament. Und da ihr nun die Laune gründlich verdorben worden war, hatte sie es plötzlich eilig, die Auktion zu verlassen. Abgesehen von dem Bild hatte sie alles bekommen, was sie hatte haben wollen, und so gab es keinen Grund, noch länger zu bleiben.
Als sie sich bereits von der jungen Frau verabschiedet hatten, nahm die Baronin sie noch einmal beiseite. »Willst du uns nicht bald wieder einmal besuchen, Clara?«, fragte sie. »Wir würden uns freuen, und du warst lange nicht mehr bei uns. Heute hatten wir ja kaum Gelegenheit, in Ruhe miteinander zu reden.
Clara nickte. »Das ist eine gute Idee, danke für die Einladung, Sofia.«
»Komm doch gleich am nächsten Wochenende«, schlug Sofia vor. »Mir scheint, du könntest eine kleine Luftveränderung gut gebrauchen.«
»Es tut mir leid, dass ich meinem Unmut so deutlich Ausdruck verliehen habe«, sagte Clara, nun doch ein wenig verlegen. »Aber ich habe einen solchen Zorn auf diesen … auf diesen …«
»Schon gut«, versuchte Sofia sie zu besänftigen. »Also bis zum nächsten Wochenende, Clara.«
»Danke, Sofia.« Clara gab der Baronin einen Kuss und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Als