Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach
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»Hereinkommen?« Lili sah aus, als sei sie einer Ohnmacht nahe. »Aber …«
»Sie geniert sich«, erklärte der Junge. »Sie hat uns schon oft erzählt, wie schön es bei Ihnen ist – und bei uns ist immer Chaos, weil wir zu wenig Platz haben.«
»Sei still, Patrick«, wies Lili ihn zurecht. Ihre Gesichtsfarbe erinnerte jetzt an die einer reifen Tomate.
»Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen, Lili«, sagte Irina rasch. »Es interessiert mich überhaupt nicht, ob bei Ihnen Chaos herrscht. Ich will nur mit Ihnen reden – und mit Ihren Geschwistern eigentlich auch. Ihre Eltern sind wohl noch nicht zu Hause?«
»Die arbeiten noch«, erklärte der Junge, von dem Irina jetzt
wusste, dass er Patrick hieß.
Nun erschienen auch die weiteren Geschwister, die Lili hastig und noch immer verlegen vorstellte: die fünfjährigen Zwillinge Mara und Tom, die zwölfjährige Sandra und der achtjährige Oliver.
Alle staunten Irina unverhohlen an.
Endlich hatte sich Lili durchgerungen, ihren Besuch ins Haus zu bitten. »Wir müssen in die Küche gehen, da ist am meisten Platz«, sagte sie.
Dort stand in der Tat ein großer zerschrammter Holztisch, an dem offenbar gerade Hausaufgaben gemacht wurden. Lili stellte Teewasser auf und bat ihre Geschwister, eine Ecke des Tischs freizuräumen, was sie bereitwillig taten. Es kam nicht allzu oft vor, dass sie Gäste hatten – und eine so elegante und offensichtlich wohlhabende Frau wie Irina hatte ihr kleines Haus noch nie betreten.
Schnell erkannte Irina, dass es zwar chaotisch aussah, aber nicht schmutzig, und das war ohne Zweifel Lili zu verdanken.
Der Tee war gut und stark, sie tranken ihn aus angestoßenen Tassen, andere gab es vermutlich nicht. Auf Irina ruhten sechs aufmerksame Augenpaare, in allen stand die Frage: Was willst du hier, warum bist du gekommen?
»Seid ihr gut in der Schule?«, erkundigte sie sich zum allgemeinen Erstaunen bei Sandra, Oliver und Patrick, obwohl sie ja die Antwort schon wusste, von Lili.
»Nee«, gab Patrick ganz unumwunden zu. Er wirkte am wenigsten eingeschüchtert. »Hier kann man nicht in Ruhe lernen – nie. Und weil wir sowieso schlecht mitkommen, macht die Schule auch keinen Spaß.«
»Würdest du denn gern in Ruhe lernen?«
»Ich weiß nicht«, murmelte Patrick, plötzlich verlegen. »Ich weiß gar nicht richtig, wie das geht.«
Unerwartet meldete sich die zwölfjährige Sandra zu Wort. »Ich möchte das schon gern«, sagte sie leise. »Dann könnte ich vielleicht doch Tierärztin werden.«
Ihr achtjähriger Bruder Oliver fing an zu lachen. »Du und Tierärztin! Dafür muss man studieren, Sandra.«
»Ich bin gekommen, um euch einen Vorschlag zu machen«, sagte Irina ruhig. »Ich lerne mit euch, jeden Tag nach der Schule, während eure jüngsten Geschwister noch im Kindergarten sind.«
»Das geht nicht«, sagte Lili nach einer Weile verwirrt.
»Natürlich geht das«, entgegnete Irina. »Von jetzt an wird jeden Tag zwei bis drei Stunden bei mir zu Hause in Ruhe gelernt – und dann wollen wir doch mal sehen, ob ihr nicht richtig gute Schüler werdet.«
»Aber …«, begann Lili erneut, doch Sandra unterbrach ihre ältere Schwester. Sie hatte vor Aufregung rote Wangen bekommen. »Wir dürfen zu Ihnen kommen? In die schöne Wohnung?«, fragte sie.
»Ja, das dürft ihr, aber ich verlange von euch, dass ihr fleißig arbeitet – so wie eure große Schwester. Sie ist der fleißigste Mensch, den ich kenne.« Irina wandte sich an Lili. »Sie sind nachmittags hier, Lili, und von jetzt an haben Sie hier wenigstens ein paar Stunden Ruhe. Sie können also auch einmal etwas anderes tun, als zu arbeiten – und ich hoffe, diese Gelegenheit nehmen Sie wahr.«
»Aber warum wollen Sie das für uns tun?«, stammelte Lili.
Irina lächelte. »Erstens, weil ich Sie gern habe. Und zweitens, weil mir klar geworden ist, dass ich zu jung bin, um gar nichts zu tun. Ich erwarte nicht, dass mein Vorschlag sofort angenommen wird. Sie sollten sich vielleicht auch mit Ihren Eltern besprechen, Lili – es kann ja sein, dass sie Einwände haben. Wenn sie mit mir reden möchten, stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung.«
»Ich will Ihren Vorschlag annehmen«, sagte Sandra sofort.
Patrick schlug sich auf ihre Seite. »Ich auch – sonst sehe ich ja Ihre tolle Wohnung nicht.«
»Und du, Olli?«, fragte Lili den Achtjährigen.
Oliver ließ sich Zeit mit der Antwort – er war ohnehin, wie Irina bereits bemerkt hatte, der Ruhigste von allen, von den fünfjährigen Zwillingen abgesehen, die dem Gespräch mit offenen Mündern gefolgt waren, aber bisher nichts gesagt hatten.
»Gestern hat der Marco zu mir gesagt, dass ich zu blöd zum Rechnen bin«, antwortete Oliver endlich. »Ich möchte das gerne lernen, damit er so was nie wieder sagen kann und damit er nie wieder über mich lacht.«
In die darauf folgende Stille hinein stellte Irina fest: »Ich schätze, das lässt sich machen. Aber wie gesagt, Ihre Eltern, Lili …«
Die Neunzehnjährige fasste einen schnellen Entschluss. »Sie sind garantiert einverstanden«, sagte sie. »Alles, was die Kinder angeht, überlassen sie sowieso meistens mir, weil sie abends viel zu kaputt sind, um sich noch groß Gedanken darüber zu machen.«
»Dann wäre das ja geklärt«, meinte Irina. »Fangen wir gleich morgen an?«
Die drei, an die diese Frage gerichtet war, nickten.
Als Irina sich verabschieden wollte, brachte Lili sie allein zur Tür – sie scheuchte ihre Geschwister, die sie alle begleiten wollten, zurück in die Küche. »Das können wir nie wieder gutmachen, Frau Mahler«, sagte sie. »Nie wieder.«
»Das sollen Sie ja auch gar nicht, Lili. Und Sie schicken wir irgendwann auf eine gute Schule, damit Sie das mit dem Kochen von Grund auf lernen. Sie haben mir doch neulich mal gesagt, dass Sie das am liebsten machen.«
Lilis Gesicht war schon wieder feuerrot. »Ich muss Geld verdienen, Frau Mahler, meine Eltern schaffen das nicht allein, und mein Vater hat sowieso schon gesundheitliche Probleme. Er macht sich ständig Sorgen, weil er sieht, dass das Haus langsam zerfällt, und wir können es nicht machen lassen.«
»Das Haus gehört Ihnen?«
»Zum Glück, ja, es war das Haus meiner Großeltern, von denen hat mein Vater es geerbt. Aber Sie haben ja gesehen, in welchem Zustand es ist.«
»Ja, das habe ich«, erklärte Irina. »Das Dach muss gemacht werden.«
»Und die Heizung ist alt, der Putz bröckelt, von unten zieht Feuchtigkeit in die Mauern – das ist ein Fass ohne Boden«, murmelte Lili. »Und es tut mir weh, wenn ich sehe, wie sich meine Eltern kaputt machen, damit wir durchkommen. Ich kann nicht aufhören, Geld zu verdienen, Frau Mahler – und die Stelle bei Ihnen ist das Beste, was uns