Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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ver­glei­chen, das durch sei­ne Ver­bin­dun­gen ganz Eu­ro­pa an sich zu rei­ßen droht. So ließ sich auch der alte Ven­déer nicht ab­schre­cken, im­mer neue Be­wer­ber vor­zu­stel­len, so sehr lag ihm das Glück sei­ner Toch­ter am Her­zen; aber nichts war amüsan­ter als die Art und Wei­se, mit der die­ses hoch­fah­ren­de We­sen ihr Ur­teil ab­gab und die Ei­gen­schaf­ten ih­rer An­be­ter kri­ti­sier­te. Man hät­te mei­nen sol­len, Emi­lie wäre, wie eine Prin­zes­sin aus ara­bi­schen Mär­chen, so reich und so schön, daß sie das Recht hät­te, un­ter sämt­li­chen Prin­zen der Welt ihre Wahl zu tref­fen; von ih­ren Ein­wän­den war ei­ner lä­cher­li­cher als der an­de­re: der eine hat­te zu di­cke Bei­ne oder zu kno­chi­ge Kni­en, der an­de­re war kurz­sich­tig, die­ser hät­te den Na­men Du­rand, je­ner hin­ke, fast alle wa­ren ihr zu dick. Leb­haf­ter, rei­zen­der und ver­gnüg­ter als je, stürz­te sie sich, nach­dem sie zwei oder drei Be­wer­ber ab­ge­wie­sen hat­te, in den Tru­bel der Win­ter­fes­te und Bäl­le, wo ihr durch­drin­gen­der Blick die Ta­ges­be­rühmt­hei­ten prüf­te, und wo sie ein Ver­gnü­gen dar­in fand, Be­wer­bun­gen her­aus­zu­for­dern, die sie dann im­mer zu­rück­wies. Für die­se Ce­li­me­nen­rol­le war sie von der Na­tur mit den er­for­der­li­chen Vor­zü­gen über­reich aus­ge­stat­tet wor­den. Groß und schlank, be­saß Emi­lie von Fon­taine ein nach ih­rem Be­lie­ben ho­heits­vol­les oder mut­wil­li­ges Auf­tre­ten. Ihr et­was lan­ger Hals er­laub­te ihr, eine rei­zen­de Hal­tung vol­ler Hoch­mut und Rück­sichts­lo­sig­keit an­zu­neh­men. Sie hat­te die man­nig­fal­tigs­ten Ge­sichts­aus­drücke und weib­li­chen Ges­ten, die so grau­sam und so gut zu ih­ren halb­lau­ten Wor­ten und ih­rem Lä­cheln paß­ten, zur Ver­fü­gung. Schö­nes schwar­zes Haar und sehr star­ke, kräf­tig ge­schwun­ge­ne Au­gen­brau­en ver­lie­hen ih­rer Phy­sio­gno­mie einen stol­zen Aus­druck, den sie mit Hil­fe ih­rer Ko­ket­te­rie und ih­res Spie­gels durch Fes­tig­keit oder Süße des Blicks, durch Starr­heit oder leich­te Be­we­gung der Lip­pen, durch Küh­le oder Lie­bens­wür­dig­keit des Lä­chelns schreck­lich zu ma­chen oder zu mil­dern ver­stand. Wenn Emi­lie ein Herz er­obern woll­te, dann hat­te ihre kla­re Stim­me einen me­lo­di­schen Klang; aber sie konn­te sie eben­so scharf und schnei­dend er­klin­gen las­sen, wenn sie die in­dis­kre­te Spra­che ei­nes Ka­va­liers zum Schwei­gen brin­gen woll­te. Ihr wei­ßer Teint und ihre Ala­bas­terstirn er­in­ner­ten an die durch­sich­ti­ge Ober­flä­che ei­nes Sees, die sich ab­wech­selnd un­ter dem Hauch ei­ner Bri­se kräu­selt und ihre hei­te­re Ruhe wie­der­ge­winnt, wenn der Luft­zug nach­ge­las­sen hat. Mehr als ei­ner von den jun­gen Män­nern, die von ihr ab­ge­lehnt wor­den wa­ren, hat­te sie be­schul­digt, daß sie Ko­mö­die spie­le; aber sie war da­durch ge­recht­fer­tigt, daß sie auch de­nen, die übel über sie re­de­ten, den Wunsch ein­flö­ßte, ihr zu ge­fal­len und sich ih­rer ko­ket­ten Ge­ring­schät­zung zu un­ter­wer­fen. Keins der jun­gen Mäd­chen, um die man sich dräng­te, ver­stand es bes­ser, den Gruß ei­nes be­gab­ten Man­nes ho­heits­voll zu er­wi­dern, oder ih­res­glei­chen mit be­lei­di­gen­der Höf­lich­keit wie Un­ter­ge­ord­ne­te zu be­han­deln und ihre Nicht­ach­tung alle die füh­len zu las­sen, die sich mit ihr auf glei­che Stu­fe stel­len woll­ten. Wo sie sich auch be­fand, über­all schi­en sie mehr Hul­di­gun­gen ent­ge­gen­zu­neh­men als Lie­bens­wür­dig­kei­ten, und selbst im Sa­lon ei­ner Prin­zes­sin hät­te ihr We­sen und ihre Hal­tung, den Stuhl, auf dem sie Platz ge­nom­men, in einen Kai­serthron ver­wan­delt.

      Zu spät er­kann­te Herr von Fon­taine, wie sehr die Er­zie­hung sei­ner Lieb­ling­s­toch­ter durch die zärt­li­che Ver­wöh­nung der gan­zen Fa­mi­lie ver­dor­ben wor­den war. Die Be­wun­de­rung, mit der ei­nem jun­gen Mäd­chen zu­erst von der Ge­sell­schaft ge­hul­digt wird, für die sie sich aber spä­ter un­ver­meid­lich rächt, hat­te den Stolz Emi­li­ens noch er­höht und ihr Selbst­be­wußt­sein noch wach­sen las­sen. Der all­sei­ti­ge Dien­stei­fer hat­te bei ihr den na­tür­li­chen Ego­is­mus ver­wöhn­ter Kin­der ent­wi­ckelt, die, ähn­lich den Kö­ni­gen, sich über al­les, was sich ih­nen nä­hert, lus­tig ma­chen. Jetzt ver­bar­gen noch ihre ju­gend­li­che Gra­zie und der Reiz ih­res Geis­tes vor al­len Au­gen die­se bei ei­nem weib­li­chen We­sen um so häß­li­che­ren Feh­ler, als die Frau ja nur durch Hin­ge­bung und Selbst­ver­leug­nung wahr­haft ge­fal­len kann; da aber dem Blick ei­nes gu­ten Va­ters nichts ent­geht, so mach­te Herr von Fon­taine oft­mals den Ver­such, sei­ner Toch­ter die ers­ten Sei­ten in dem rät­sel­haf­ten Bu­che des Le­bens zu er­klä­ren. Das war aber ein ver­geb­li­ches Un­ter­neh­men. All­zu­oft muß­te er über die lau­nen­haf­te Un­be­lehr­bar­keit und die iro­ni­sche Weis­heit sei­ner Toch­ter seuf­zen, als daß er bei den schwie­ri­gen Ver­su­chen, eine so schlim­me Na­tu­r­an­la­ge zu bes­sern, hät­te ver­har­ren kön­nen. Er be­gnüg­te sich da­mit, ihr von Zeit zu Zeit Ratschlä­ge vol­ler Lie­be und Güte zu ge­ben; aber er muß­te zu sei­nem Schmer­ze er­ken­nen, daß auch sei­ne zärt­lichs­ten Wor­te von dem Her­zen sei­ner Toch­ter wie von Mar­mor ab­glit­ten. Vä­ter­li­che Au­gen öff­nen sich so spät, daß es für den al­ten Ven­déer mehr als ei­nes Be­wei­ses be­durf­te, bis er merk­te, mit wel­cher Herab­las­sung sei­ne Toch­ter ihm ihre sel­te­nen Zärt­lich­keits­be­zeu­gun­gen zu­teil wer­den ließ. Sie glich dar­in den klei­nen Kin­dern, die ih­rer Mut­ter zu sa­gen schei­nen: »Mach schnell mit dei­nem Küs­sen, ich will spie­len ge­hen.« Ge­wiß be­saß Emi­lie auch zärt­li­ches Emp­fin­den für ihre An­ge­hö­ri­gen. Aber häu­fig über­kam sie eine plötz­li­che Lau­ne, wie sie sonst bei jun­gen Mäd­chen un­er­klär­lich er­scheint; sie blieb dann für sich al­lein und ließ sich nur sel­ten bli­cken; sie be­klag­te sich dar­über, daß sie die vä­ter­li­che und müt­ter­li­che Lie­be mit All­zu­vie­len tei­len müs­se und war auf alle, selbst auf Brü­der und Schwes­tern, ei­fer­süch­tig. Und wenn sie dann mit größ­ter Mühe Ein­sam­keit um sich ge­schaf­fen hat­te, dann klag­te das merk­wür­di­ge Mäd­chen die gan­ze Welt we­gen die­ser frei­wil­li­gen Ver­ein­sa­mung und we­gen ih­res Kum­mers, den sie sich selbst ver­ur­sacht hat­te, an. Mit der Er­fah­rung ei­ner Zwan­zig­jäh­ri­gen be­klag­te sie ihr Los, ohne zu be­grei­fen, daß die wah­ren Be­din­gun­gen des Glückes in uns sel­ber lie­gen, und ver­lang­te, daß die Din­ge der äu­ße­ren Welt es ihr ge­wäh­ren soll­ten. Bis ans Ende der Welt wäre sie ge­flo­hen, um sol­chen Hei­ra­ten, wie sie ihre Schwes­tern ge­macht hat­ten, zu ent­ge­hen; aber trotz­dem ver­spür­te sie eine ab­scheu­li­che Ei­fer­sucht in ih­rem Her­zen, daß sie sie reich und glück­lich ver­hei­ra­tet se­hen muß­te. Und manch­mal muß­te ihre Mut­ter, die eben­so­sehr wie Herr von Fon­taine das Op­fer ih­res Ver­hal­tens war, auf den Ge­dan­ken kom­men, daß sie eine Spur von Irr­sinn in sich tra­ge. Eine sol­che Ver­ir­rung ist nicht un­er­klär­lich: denn nichts ist ver­brei­te­ter als die­ser heim­li­che Stolz im Her­zen jun­ger Per­so­nen, die zu Fa­mi­li­en ge­hö­ren, die auf der so­zia­len Lei­ter eine hohe Stu­fe ein­neh­men, und von der Na­tur mit großer Schön­heit be­schenkt wor­den sind. Fast alle die­se sind da­von über­zeugt, daß ihre Müt­ter, wenn sie das vier­zigs­te oder fünf­zigs­te Le­bens­jahr er­reicht ha­ben, mit den jun­gen See­len we­der mit­füh­len noch ihre Träu­me ver­ste­hen kön­nen. Sie re­den sich ein, daß die meis­ten Müt­ter auf ihre Töch­ter ei­fer­süch­tig sind, daß sie sie nach ih­rem Ge­schmack klei­den, mit der aus­ge­spro­che­nen Ab­sicht, sie bei­sei­te zu schie­ben und ih­nen die für sie be­stimm­ten Hul­di­gun­gen zu rau­ben. Da­her rüh­ren häu­fig die heim­li­chen

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