Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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Ta­ges im Ver­lauf des Le­bens zu ih­rem Er­stau­nen, daß sie ein ehe­li­ches Glück ohne die Er­fül­lung ih­rer poe­ti­schen Träu­me ge­fun­den ha­ben. Aber Fräu­lein Emi­lie von Fon­taine hat­te auf Grund sol­cher Poe­sie sich in ih­rer leicht zu er­schüt­tern­den Weis­heit ein Pro­gramm zu­recht­ge­macht, dem ihr Zu­künf­ti­ger ent­spre­chen müs­se, wenn sie ihm ihr Ja­wort ge­ben sol­le. Da­her ihr Hoch­mut und ihre Spöt­te­rei­en.

      »Jung und von al­tem Adel,« hat­te sie sich ge­sagt, »muß er auch Pair von Frank­reich oder der äl­tes­te Sohn ei­nes Pairs sein! Es wäre mir un­er­träg­lich, wenn ich nicht an mei­nem Wa­gen­schlag mein Wap­pen in­mit­ten der we­hen­den Fal­ten ei­nes him­melblau­en Man­tels se­hen und nicht beim Ren­nen von Long­champ durch die große Al­lee der Champs-Elysées eben­so wie die Prin­zen fah­ren könn­te. Mein Va­ter be­haup­tet ja auch, daß dies ei­nes Ta­ges der höchs­te Rang in Frank­reich sein wür­de. Au­ßer­dem soll er Sol­dat sein, wo­bei ich mir vor­be­hal­te, ihn sei­nen Ab­schied neh­men zu las­sen, und dann will ich, daß er de­ko­riert ist, da­mit man vor uns prä­sen­tiert.«

      Aber die­se schon an sich sel­te­nen Ei­gen­schaf­ten wür­den noch nichts be­deu­ten, wenn die­ses er­dach­te We­sen nicht auch noch be­son­ders lie­bens­wert, von gu­tem Aus­se­hen, geist­voll und schlank ge­wach­sen wäre. Die Schlank­heit, die­ser kör­per­li­che Vor­zug, so ver­gäng­lich er auch, be­son­ders un­ter der Herr­schaft des Re­prä­sen­ta­tivsys­tems, war, bil­de­te eine un­er­läß­li­che Be­din­gung. Fräu­lein von Fon­taine hat­te sich ein ge­wis­ses Ideal­maß fest­ge­setzt, das ihr als Mo­dell galt. Der jun­ge Mann, der auf den ers­ten Blick die­sen ge­stell­ten Be­din­gun­gen nicht ent­sprach, emp­fing nicht ein­mal mehr einen zwei­ten.

      »Mein Gott, se­hen Sie doch nur, wie dick die­ser Herr ist«, das be­deu­te­te bei ihr den Aus­druck äu­ßers­ter Ver­ach­tung.

      Wenn man sie hör­te, wa­ren schon die Leu­te von er­träg­li­cher Kor­pu­lenz kei­ner Emp­fin­dung fä­hig, schlech­te Ehe­män­ner und nicht wür­dig, zur zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft zu­ge­las­sen zu wer­den. Ob­gleich ein im Ori­ent hoch­ge­schätz­ter Vor­zug, er­schi­en ihr Fett­lei­big­keit bei Da­men als ein Un­glück; beim Man­ne aber war es ein Ver­bre­chen. Sol­che pa­ra­do­xen An­sich­ten wirk­ten bei ihr, dank ei­ner ge­wis­sen scherz­haf­ten Form der Fas­sung, amüsant. Trotz­dem hat­te der Graf das Ge­fühl, daß die Prä­ten­tio­nen sei­ner Toch­ter, de­ren Lä­cher­lich­keit man­chen eben­so klar se­hen­den, wie we­nig nach­sich­ti­gen Da­men klar wer­den muß­te, spä­ter ein ver­häng­nis­vol­ler An­laß zur Ver­spot­tung wer­den wür­de. Er fürch­te­te, daß die merk­wür­di­gen An­sich­ten sei­ner Toch­ter mit dem gu­ten Ton in Wi­der­spruch ge­ra­ten könn­ten. Und er zit­ter­te da­vor, daß die er­bar­mungs­lo­se Ge­sell­schaft sich viel­leicht schon jetzt über eine Per­son lus­tig mach­te, die be­reits so lan­ge auf der Sze­ne stand, ohne die Ko­mö­die, die sie spiel­te, zu ei­nem be­frie­di­gen­den Ende zu brin­gen. Man­cher Mit­spie­ler, är­ger­lich über sei­ne Ab­leh­nung, schi­en nur auf ir­gend­ei­ne Ge­le­gen­heit zu war­ten, um sich zu rä­chen. Die Gleich­gül­ti­gen und die Be­que­men fin­gen an, der Sa­che müde zu wer­den: Be­wun­de­rung hat für das mensch­li­che Ge­schlecht im­mer et­was Er­mü­den­des. Der alte Ven­déer wuß­te bes­ser als je­der an­de­re, daß man mit ge­schick­ter Kunst den rich­ti­gen Mo­ment wäh­len muß, um auf der Schau­büh­ne der Welt, des Ho­fes, des Sa­lons oder des Thea­ters auf­zu­tre­ten, daß es aber noch schwe­rer ist, zur rech­ten Zeit ab­zu­tre­ten. Da­her ver­dop­pel­te er in dem Win­ter, der dem Re­gie­rungs­an­trit­te Karls X. folg­te, im Ve­rein mit sei­nen drei Söh­nen und sei­nen Schwie­ger­söh­nen sei­ne An­stren­gun­gen, um in den Sa­lons sei­nes Hau­ses die bes­ten Par­ti­en, die sich in Pa­ris und un­ter den Be­su­chern aus den De­par­te­ments bo­ten, zu ver­sam­meln. Der Glanz sei­ner Fes­te, der Lu­xus sei­nes Spei­se­saals und sei­ne mit Trüf­feln ge­würz­ten Di­ners ri­va­li­sier­ten mit den be­rühm­tes­ten Fest­ta­feln, durch die sich die da­ma­li­gen Mi­nis­ter die Stim­men ih­rer par­la­men­ta­ri­schen An­hän­ger si­cher­ten.

      Der eh­ren­wer­te De­pu­tier­te wur­de da­her als ei­ner der ein­fluß­reichs­ten Ver­der­ber der par­la­men­ta­ri­schen Ehr­lich­keit der be­rühm­ten Kam­mer be­zeich­net, die an ei­ner Ma­gen­ver­stim­mung zu Ende zu ge­hen schi­en. Ein merk­wür­di­ger Um­stand! Die Ver­su­che, sei­ne Toch­ter zu ver­hei­ra­ten, er­hiel­ten ihn auf­fal­lend in Gunst. Vi­el­leicht be­saß er ins­ge­heim ein Mit­tel, um sei­ne Trüf­feln zwei­mal zu ver­kau­fen. Aber die­se An­schul­di­gung von Sei­ten ge­wis­ser li­be­ra­ler Spöt­ter, die mit ih­rem Wort­schwall über ih­ren ge­rin­gen An­hang in der Kam­mer hin­weg­täu­schen woll­ten, fand kei­ner­lei An­klang. Das Ver­hal­ten des poi­tou­er Edel­manns war ein so durch­aus vor­neh­mes und eh­ren­haf­tes, daß kein ein­zi­ger der An­grif­fe, mit de­nen die bos­haf­ten Zei­tun­gen in die­ser Epo­che die drei­hun­dert Stim­men des Zen­trums, die Mi­nis­ter, die Kö­che, die Ge­ne­ral­di­rek­to­ren, die Eß­fürs­ten und die of­fi­zi­el­len Ver­tei­di­ger des Mi­nis­te­ri­ums Villèle zu über­häu­fen pfleg­ten, ge­gen ihn laut wur­de.

      Am Ende die­ser Kam­pa­gne, wäh­rend der Herr von Fon­taine mehr­mals alle sei­ne Trup­pen auf­ge­bo­ten hat­te, glaub­te er, daß dies­mal die Ver­samm­lung von Be­wer­bern von sei­ner Toch­ter nicht mehr wie ein Blend­werk an­ge­se­hen wer­den wür­de. In­ner­lich emp­fand er eine ge­wis­se Ge­nug­tu­ung dar­über, daß er sei­ne Va­ter­pflicht ge­treu er­füllt hat­te. Nach­dem er sol­che Mühe auf­ge­wendet hat­te, hoff­te er, daß sich un­ter so viel Her­zen, wie dies­mal der lau­nen­haf­ten Emi­lie dar­ge­bo­ten wür­den, we­nigs­tens ei­nes fän­de, das sie aus­zeich­nen wür­de. Nicht im­stan­de, die­se An­stren­gun­gen noch ein zwei­tes­mal zu ma­chen, und im üb­ri­gen durch das Be­neh­men sei­ner Toch­ter er­schöpft, be­schloß er ge­gen Ende der Fas­ten­zeit ei­nes Mor­gens, als die Kam­mer­sit­zung sei­ne An­we­sen­heit nicht all­zu dring­lich er­for­der­te, mit ihr zu re­den. Wäh­rend ein Kam­mer­die­ner kunst­voll auf sei­nem gel­ben Schä­del das Del­ta aus Pu­der ab­grenz­te, das zu­sam­men mit den her­ab­hän­gen­den Tau­ben­flü­geln die ehr­wür­di­ge Fri­sur ver­voll­komm­ne­te, be­fahl Emi­li­ens Va­ter, nicht ohne eine ge­wis­se Auf­re­gung, sei­nem al­ten Kam­mer­die­ner, dem stol­zen Fräu­lein zu mel­den, daß es so­fort vor dem Fa­mi­li­en­haup­te er­schei­nen möch­te.

      »Jo­seph,« sag­te er, als sei­ne Fri­sur be­en­det war, »neh­men Sie die Ser­vi­et­te fort, zie­hen Sie die Vor­hän­ge vor, stel­len Sie die Ses­sel an ih­ren Platz, schüt­teln Sie den Ka­min­tep­pich aus und le­gen Sie ihn recht or­dent­lich wie­der hin und ma­chen Sie al­les sau­ber. Vor­wärts! Und dann ma­chen Sie das Fens­ter auf und las­sen Sie et­was fri­sche Luft her­ein.«

      Der Graf traf noch ver­schie­de­ne An­ord­nun­gen, die Jo­seph au­ßer Atem brach­ten, der, die Ab­sicht sei­nes Herrn ver­ste­hend, die­sem im gan­zen Hau­se na­tur­ge­mäß am meis­ten un­or­dent­li­chen Zim­mer ei­ni­ge Fri­sche ver­lieh, und dem es schließ­lich ge­lang, et­was Har­mo­nie in die Hau­fen von Rech­nun­gen, Map­pen, Bü­cher und Mö­bel in die­sem Hei­lig­tum zu brin­gen, wo die Ge­schäf­te der kö­nig­li­chen

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