Heimat bist du großer Namen. Dietmar Grieser

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Heimat bist du großer Namen - Dietmar Grieser

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Eine Art patriotischer Aufwallung schien mich erfaßt zu haben: An diesem so fernen Ort mit einer der traditionsreichsten Errungenschaften aus der Heimat konfrontiert zu werden, verschlug mir die Sprache: Ich war baff.

      Ein läppisches Beispiel, gewiß. Aber so sind wir Menschen nun einmal: Es tut uns gut, draußen in der Welt Beweise dafür zu sammeln, daß auch unsereins seinen Beitrag zur Kulturgeschichte geleistet hat – und sei es nur in Gestalt einer Torte.

      Um noch wieviel beglückender müßte es da sein, in fernen Weltgegenden auf die Spuren von Landsleuten zu stoßen, die weit weg von der Heimat Großes gewirkt und auf diese Weise Ruhm und Ansehen ihres Herkunftslandes gemehrt haben. Ja, wird nicht dem Österreicher überhaupt nachgesagt, er wisse die Verdienste der Seinen immer erst dann zu schätzen, wenn sie im Ausland errungen und vom Ausland bestätigt worden sind?

      Man mag es einem allgemeinen Mißtrauen zuschreiben oder mangelndem Selbstbewußtsein, mag es einen Minderwertigkeitskomplex nennen oder (wie der Kulturkritiker Hans Weigel im Titel eines seiner Österreichbücher) »Flucht vor der Größe«: Fest steht, daß Berühmtheit hierzulande an die Akkreditierung von außen gebunden ist. »Aus allen Fernen tönt zurück sein Ruhm«, läßt Grillparzer in seinem Trauerspiel »König Ottokars Glück und Ende« die Titelfigur verkünden und spielt damit auf das an, was man anderwärts noch bombastischer »Weltgeltung« nennt. Wie ist es diesbezüglich um Österreich bestellt?

      Das vorliegende Buch will versuchen, auf diese Frage eine Antwort zu geben – und zwar am Beispiel von 40 Namen, die allesamt eines gemeinsam haben: Ihre Träger entstammen dem österreichischen (oder auch altösterreichischen) Kulturraum. Aber nicht dort, nicht in der Heimat haben sie ihre Lebensleistung erbracht, sondern in der Fremde.

      Ein Thema von so enormem Umfang ist nicht ohne Grenzziehungen zu bewältigen: Ich bitte daher um Verständnis dafür, daß die von mir getroffene Auswahl auf historische Beispiele beschränkt bleiben muß. Kein Wort also über die noch Lebenden: Der Filmschauspieler Arnold Schwarzenegger, die Skigrößen Anderl Molterer und Pepi Grams-hammer, der Chemiker Max Perutz, der Physiker Fritjof Capra, der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick, der Maler Gottfried Helnwein, der Regisseur Billy Wilder, die Meisterphotographin Inge Morath, der Vatikanbibliothekar Kardinal Alfons Maria Stickler, der Dirigent Walter Weller, der Jazzmusiker Joe Zawinul, der Großreeder Helmut Sohmen, der Modeschöpfer Helmut Lang, der Entwicklungshelfer Karlheinz Böhm – sie alle ergäben ein eigenes Buch.

      Und ein eigenes Buch ergäbe erst recht jene große Zahl von Auslandsösterreichern, die ihre Heimat unfreiwillig verlassen haben. Gemeint ist der verheerende Aderlaß, den Österreich erlitt, als in der NS-Ära ein Großteil seiner intellektuellen und künstlerischen Elite aus dem Land gejagt wurde. Stellvertretend für diese Personengruppe seien der Schöpfer der österreichischen Verfassung, der Rechtsgelehrte Hans Kelsen, der Religionsphilosoph Martin Buber, der Wirtschaftstheoretiker Josef Alois Schumpeter, die Physiker Erwin Schrödinger, Lise Meitner und Walter Kohn, die Komponisten Ernst Krenek, Egon Wellesz und Hermann Leopoldi, der Dirigent Erich Leinsdorf, der Kinderpsychologe Bruno Bettelheim, der Marktforscher Ernest Dichter, die Schriftstellerin Gina Kaus und der Regisseur Berthold Viertel genannt. Ihrem Schicksal und dem ihrer zahlreichen Leidensgenossen gebührt selbstverständlich eine eigene Untersuchung (die es zum Teil bereits gibt).

      Wenden wir uns also zunächst jener Kategorie von Auslandsösterreichern zu, die im Lauf der letzten zwei Jahrhunderte ihre Heimat aus freien Stücken verlassen haben, um draußen in der Welt ihr Glück zu suchen – sei es, weil es ihnen im kleinen Österreich zu eng wurde, weil sie in der Fremde die besseren Chancen für ihr Fortkommen sahen oder einfach weil das Ausland nach ihnen rief.

      Zwischen allen Stühlen

       Slatin Pascha

      Welcher siebzehnjährige Österreicher, der noch nie im Ausland gewesen ist, nur über das bißchen Schulenglisch verfügt und von seinen Eltern nicht einmal das Fahrgeld vorgestreckt bekommt, käme heute auf die Idee, von einem Tag auf den anderen seine Ausbildung an der Handelsakademie abzubrechen, sich nach Ägypten durchzuschlagen und eine Stelle als Buchhändlergehilfe in Kairo anzutreten?

      Rudolf Slatin ist eine Abenteurernatur: Als er erkennt, daß er wohl doch nicht für den Kaufmannsberuf taugt, schließt er sich einem in Kairo ansässigen deutschen Konsularbeamten an und durchstreift mit ihm über ein Jahr lang die riesigen Wüstengebiete des unter englischer Hoheitsverwaltung stehenden Nachbarlandes Sudan. Forschungsreisender – ja, das wäre ganz nach seinem Geschmack! Da erreicht ihn aus der Heimat der Einberufungsbefehl, und im September 1876 tritt der mittlerweile Neunzehnjährige beim 12. Feldjägerbataillon der österreichisch-ungarischen Armee seinen Wehrdienst als einfacher Rekrut an.

      Als er, 15 Monate darauf zum Reserveleutnant befördert, im Sommer 1878 mit seinem Regiment an der bosnischen Grenze stationiert ist, erreicht ihn Post aus Nordafrika: Sollte die seinerzeit geknüpfte Verbindung zu dem Arzt Dr. Eduard Schnitzer, den der Khedive von Khartum in sein Land geholt und dem Generalgouverneur des Sudan, dem Engländer Charles George Gordon, unterstellt hat, tatsächlich Früchte tragen? Schnitzer teilt seinem Schützling mit, er habe ihn, überzeugt von seinen besonderen Fähigkeiten, dem allmächtigen Gordon empfohlen, und in dessen Stab sei der Posten eines Finanzinspekteurs frei, dem es obliege, das chaotische Verwaltungssystem des Sudan von Steuerwillkür und Korruption zu befreien.

      Rudolf Slatin, der als Sohn eines kleinen Wiener Seidenfärbers in der Heimat wenig Zukunft für sich sieht, erkennt die einzigartige Chance, die ihm da geboten wird, und besteigt in Triest das Schiff nach Kairo. Der Abschied von Österreich fällt ihm nicht schwer: Die Eltern sind getaufte Juden, die schon ihrer vielen Kinder wegen nur ein kümmerliches Dasein fristen, auch ist vor einigen Jahren der Vater gestorben.

      Rudolf Slatins neues Leben muß ihm selber wie ein Traum vorkommen: Dem Einundzwanzigjährigen, der sich schon zuvor, auf die Frage nach seinem Beruf, gern als »Erforscher der Wildnis« ausgegeben hat, wird an seiner neuen Wirkungsstätte allseits größte Hochachtung entgegengebracht, als dem »Neffen von Gordon Pascha« (wie er auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit mit seinem obersten Vorgesetzten genannt wird) öffnen sich ihm alle Türen, bald schon befehligt er, um seinen Auftrag durchführen zu können, eine eigene 300 Mann starke Truppe, und keine drei Jahre später ist er Gouverneur der Provinz Darfur.

      Die eigentliche Bewährungsprobe hat Rudolf Slatin allerdings noch vor sich: Im Sudan bricht ein Aufstand fanatischer Moslem-Rebellen rund um den selbsternannten »Wüsten-Messias« Mahdi alias Mohammed Achmed aus. General Gordon, der mit den Regierungstruppen dem blutigen Religionskrieg ein Ende machen soll, wird von den Aufständischen ermordet, sein Adlatus soll das Kommando übernehmen. Um in dieser gefährlichen Situation seine Mitstreiter auf ihn einzuschwören, ringt sich der junge Österreicher zu einem schweren Entschluß durch: Er tritt zum Islam über. Das Verhängnis ist gleichwohl nicht aufzuhalten: Am 24. Dezember 1883 – in der fernen Heimat werden gerade die Christbäume angezündet – fällt der sechsundzwanzigjährige Rudolf Slatin in die Hände seines Gegners und wird in der inzwischen von den Mahdi-Truppen eroberten Hauptstadt Khartum in Haft genommen. Nicht weniger als elf Jahre wird sie dauern …

      Zwar darf er nach einiger Zeit das neun Kilo schwere Fußeisen, mit dem er an seine Kerkerzelle gefesselt ist, gegen Hausarrest tauschen, sogar Dienerschaft und Konkubinen werden ihm gnädig gewährt, und wenn ihn Post aus der Heimat erreicht (die allerdings bis zu 20 Monate unterwegs ist), erfährt er, was draußen in der Welt vorgeht: der Tod seiner Mutter, das Drama von Mayerling.

      Erst im März 1895 gelingt es, den prominenten Gefangenen aus den Fängen der Derwische zu befreien: Der britische Geheimdienst hat einen abenteuerlichen Fluchtplan ausgearbeitet. 1000 Pfund Belohnung winken jenem arabischen Kaufmann, dem mit Kamel und Führer die 24tägige Gewalttour durch

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