Heimat bist du großer Namen. Dietmar Grieser

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Heimat bist du großer Namen - Dietmar Grieser

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hat auch noch die Familie ein Wörtchen mitzureden! Erst nachdem Gatte und Geschwister den Text »approbiert« haben, kann das Buch »Reise einer Wienerin in das Heilige Land« erscheinen (und auch nur anonym). Bei der 4. Auflage endlich löst man sich von dem gängigen Vorurteil, die Veröffentlichung des Erlebnisberichtes einer alleinreisenden Frau für etwas Unschickliches anzusehen.

      Ida Pfeiffer hat nunmehr Blut geleckt. Nicht nur, daß ihr das Debüt als Schriftstellerin 700 Gulden Tantiemen eingebracht hat, die einen schönen Grundstock für weitere Unternehmungen dieser Art abgeben, sind inzwischen auch die Söhne aus dem Haus, außerdem hat Ida Pfeiffer ihre Fremdsprachenkenntnisse vervollkommnet und sich in der jungen Kunst der Daguerrotypie (Photographie auf Metallplatte) unterweisen lassen: Sie fühlt sich reif für ihre erste Weltumseglung! Zweieinhalb Jahre ist sie in Südamerika, China, Ostindien, Persien, Kurdistan und zahlreichen europäischen Ländern unterwegs, und träfen nicht plötzlich beunruhigende Nachrichten aus der Heimat ein (wo die Revolution von 1848 ihre Schatten vorauswirft), hätte sie wohl keine Eile, nach Österreich zurückzukehren.

      Diesmal bringt sie nicht nur ein Buchmanuskript mit, sondern auch allerlei Fundgegenstände: seltene Pflanzen und Mineralien, Insekten-, Vögel- und Reptilienpräparate, und mit dem Erlös, den ihr die einschlägigen wissenschaftlichen Sammlungen dafür zahlen, füllt sie ihre Reisekasse auf. Denn schon 1851 zieht sie neuerlich los – und nun gleich für über vier Jahre. Die österreichische Regierung gewährt ihr einen Zuschuß von 150 Pfund Sterling, und Alexander von Humboldt, dem sie in Berlin ihre Aufwartung macht, verhilft ihr nicht nur zu der Auszeichnung, als erste Frau in die »Gesellschaft für Erdkunde« aufgenommen zu werden, sondern erwirkt der Kollegin sogar eine Audienz beim preußischen König: »Sie haben Unglaubliches durchgesetzt!«

      Ja, das hat sie, die Ida Pfeiffer aus Wien. Nur bei ihrer zweijährigen Reise nach Madagaskar, wo sie unter anderem Zeugin grausamster Christen-Hinrichtungen wird, in einen Staatsstreich verwickelt wird und froh sein kann, mit bloßer Abschiebung davonzukommen, stößt sie erstmals an ihre Grenzen: Außerstande, sich von dem Tropenfieber zu befreien, das sie sich am Indischen Ozean geholt hat, stirbt Ida Pfeiffer einundsechzigjährig am 27. Oktober 1858 in ihrer Vaterstadt Wien. Fünf mehrbändige Werke sind ihre Hinterlassenschaft, in vielen führenden Zeitungen erscheinen Nachrufe auf sie, nur das Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof läßt auf sich warten. Erst 34 Jahre nach ihrem Tod gelingt es dem »Verein für erweiterte Frauenbildung«, die Umbettung der Gebeine und die Errichtung eines Ehrenmals durchzusetzen, das Ida Pfeiffers Verdienste auf seine Weise würdigt: ein Obelisk, auf dem die von zwei Delphinen gestützte Weltkugel ruht.

      Niemals aufgeben!

       Julius von Payer

      Während seiner Pariser Jahre kann er sich, den Sommer über, sogar einen eigenen Landsitz leisten; es ist die Villa »La Guillette« in dem mondänen Seebad Être-tat in der Normandie, die er von Guy de Maupassant, dem Autor des Romans »Bel Ami«, übernommen hat. In Wien hingegen, wo er seinen Lebensabend verbringt, langt’s nur für eine einfache Mietwohnung im III. Bezirk: Bechardgasse 14.

      Die Rede ist von Julius von Payer, Österreichs Polarforscher Nr. 1.

      Vom alpinen Gipfelstürmer zum wagemutigen Expeditionsleiter und einem der bedeutendsten Kartographen seiner Zeit aufsteigend, der sein Lebenswerk mit der Entdeckung und Erforschung des »Kaiser-Franz-Joseph-Landes« im nördlichen Eismeer krönt, ist er am Ende seiner Tage ein nicht nur siecher und verbitterter, sondern auch ein fast mittelloser Mann. Als der schwedische Asienforscher Sven Hedin auf Einladung der Geographischen Gesellschaft in Wien weilt, um über die Entdeckung des Trans-Himalaja zu referieren, erhebt der 24 Jahre Jüngere in einem leidenschaftlichen Exkurs Anklage gegen sein Gastland, das es zugelassen habe, daß ein von der gesamten Fachwelt Bewunderter »wie ein Händler umherreisen und für wenig Geld Vorträge halten mußte, um sich seinen kargen Lebensunterhalt zu verdienen«.

      Die Payers stammen aus Böhmen, der Vater ist Rittmeister bei den Ulanen, in Schönau bei Teplitz kommt Julius am 2. September 1841 zur Welt. Mit 18 bezieht er die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Bei einem Monatssalär von 36 Gulden zum Infanterieregiment Nr. 36 ausgemustert, geht der junge Leutnant in Jägerndorf, Frankfurt, Mainz und Venedig in Garnison; für seinen Einsatz bei der Schlacht von Solferino wird er mit dem österreichischen Verdienstkreuz ausgezeichnet. Aber nicht militärische Ehren sind es, auf die es der nunmehr in Verona Stationierte anlegt: Die Berggipfel, die er von seinem Exerzierplatz aus sieht, haben es dem Zwanzigjährigen angetan. Und noch etwas: Wenn er auf den Monte Baldo, auf den Pasubio oder in die Lessini-Gruppe aufsteigt, steckt er nicht nur Schneebrille und Kompaß in sein Marschgepäck, sondern auch Zeichenstift und Skizzenblock. Er will, was er sieht, unbedingt festhalten: in naturgetreuen Bildern, in exakten Vermessungen, in selbsterstellten Karten.

      Zunächst also in eigener Regie und nur während der Freizeit, nimmt er sich bald auch in offizieller Mission die zum Teil noch unerschlossenen Abschnitte der Ostalpen vor, dokumentiert im Auftrag des Militärgeographischen Instituts an die dreißig Erstbesteigungen und wird so zu einem der Pioniere der modernen Hochgebirgskartographie. Sein Dienst als Geschichtslehrer am Eisenstädter Kadetteninstitut bleibt ein Zwischenspiel: Julius Payer zieht’s in die Natur. Und Natur – das müssen nicht unbedingt Berggipfel sein. Als 1869/70 Karl Koldewey zur zweiten deutschen Nordpolexpedition aufbricht, nimmt er den jungen Österreicher als Topographen und Schlittenführer nach Nordost-Grönland mit. Unter den Materialien, die Payer von diesem ersten Großeinsatz im äußersten Norden mit heimbringt, werden auch Aufnahmen und Karten eines bis dato unbekannten Meeresarmes sein – als loyaler Untertan seines Monarchen wird er ihm den Namen »Kaiser-Franz-Joseph-Fjord« geben.

      Was liegt da näher, als daß man auch in Österreich über einen Einstieg in die Polarforschung nachzusinnen beginnt? Zwei über bedeutende Mittel verfügende und der Förderung von Kunst und Wissenschaft zugetane Männer, die Grafen Wilczek und Zichy, kümmern sich um die Finanzierung, Kriegsminister Freiherr von Kuhn stellt das vierundzwanzigköpfige Team – angeführt von Julius Payer und dem drei Jahre älteren k.k. Schiffsleutnant Karl Weyprecht – vom Dienst frei. Bei der Reederei Tecklen-borg in Bremerhaven wird ein den besonderen Anforderungen entsprechendes Expeditionsschiff in Auftrag gegeben. Der Dreimast-Schoner »Admiral Tegetthoff« ist 32 Meter lang, 7 Meter breit, hat einen Tiefgang von 3,47 Meter und eine Wasserverdrängung von 520 Tonnen, seine Motorleistung beträgt 100 PS, die Geschwindigkeit 6 Knoten.

      Am 13. Juni 1872 sticht – nach erfolgreicher Absolvierung einer Vorexpedition zur Erkundung der Witterungs- und Eisverhältnisse – die »Tegetthoff« von Bremerhaven aus in See. Das Ziel, das man sich gesteckt hat, ist mehr als kühn: Es soll versucht werden, übers Polarmeer bis zum Pazifik vorzustoßen.

      Von Frühsommer 1872 bis Spätsommer 1874 ist das Expeditionsteam unterwegs, immer wieder ist das selbstmörderische Unternehmen von Scheitern und vorzeitigem Abbruch bedroht, schon binnen kurzem reißt auch die letzte Verbindung zur Heimat ab: »Nun ist’s aus, kein Brief mehr möglich!« lautet die am 14. August 1872 aufgegebene Depesche nach Wien. »Ungeheure Eismassen drängen das Schiff an die Küste.« Von Stund an gelten Payer & Co. als verschollen – und dabei wird es volle zwei Jahre bleiben.

      Der extrem starke Frost des Jahres 1872 läßt die das Schiff umschließenden Eisplatten zur festen Scholle erstarren, der weder mit Sägen noch mit Sprengen beizukommen ist. Aber auch, als Monate später endlich Mildluftströme auf Befreiung hoffen lassen, gelingt es nicht, die bis zu 13 Meter dicken Eistafeln zu zertrümmern: Die arktische Wüste hält die Besatzung der »Tegetthoff« gefangen. Man ist zwar in Gebiete vorgedrungen, die vor ihnen keines Menschen Auge erblickt hat, aber man sitzt fest – ohne jede Chance auf Weiterkommen. Oder doch?

      In Julius Payers Tagebuchaufzeichnungen wird sich später, was sich da an jenem 30. August 1873 in 79º 43' nördlicher Breite und 59º 33'

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