Heimat bist du großer Namen. Dietmar Grieser

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Heimat bist du großer Namen - Dietmar Grieser

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kocht selbst, wäscht selbst, hält sich von allem gesellschaftlichen Gepränge fern, verläßt kaum noch das Haus. Nur jeden Freitag tritt sie den Weg zum Friedhof an und verrichtet vor dem Grabmal ihres Mannes ein stilles Gebet. 27 Jahre überlebt sie ihn, knapp zweiundneunzig-jährig stirbt Franziska Rhee-Donner 1992 in Seoul.

      Für Dreizehnlinden in den Tod

       Andreas Thaler

      Von den beiden Söhnen des Loybauern ist er der jüngere: Sein Bruder erbt den Hof, er selber soll studieren. Doch auch Andreas zieht’s zur Landwirtschaft, und so verdingt er sich nach dem Gymnasialabschluß bei den Franziskanern in Hall für einige Jahre als Knecht. Und bleibt in der Heimat: Die Thalers zählen zum Tiroler Urgestein. Von ihrem stattlichen Besitz in der Wildschönau geht der Blick bis ins Tal der Kundler Ache und zum Gipfel der Hohen Salve.

      Auch das Boarstadlgut, das der junge Thaler erwirbt, ist ein Bergbauernhof. Andreas macht seine Sache gut – so gut, daß die Oberauer den erst Dreißigjährigen zum Bürgermeister wählen. Und als der Erste Weltkrieg vorüber ist, entsenden ihn die Landgemeinden des Bezirks Kufstein in den Tiroler Landtag: Keiner vertritt die bäuerlichen Interessen so engagiert wie er, auch ist er ein überzeugender Redner. So klettert er Stufe um Stufe die Karriereleiter hinauf: Bauernbundpräsident, Nationalrat der Christlich-Sozialen, schließlich Landwirtschaftsminister. Nicht weniger als vier Bundeskanzler holen ihn in ihr Kabinett: Ramek, Seipel, Vaugoin und Ender.

      Seine Landsleute, die ihn wohl schon ganz nach Wien abgedriftet sehen, tun ihm freilich unrecht: Nichts bedrückt Andreas Thaler mehr als die Not der Tiroler Bergbauern, vor allem jener vielen kleinen, die in den Krisenjahren um 1930 mit Preisverfall und Steuerrückständen kämpfen, ja am Ende vielleicht gar ihren Hof abstoßen müssen. Das Schlagwort von den »weichenden Bauernsöhnen« kommt auf – wohin mit all denen, die in der Heimat keine Zukunft für sich und die ihren sehen?

      Andreas Thaler blickt weit über die Grenzen des Landes, ja des Kontinents hinaus und startet 1931 zu einer Sondierungsfahrt nach Südamerika. Als amtierender Minister weiß er Sponsoren aufzutreiben, die es ihm ermöglichen, vom Flugzeug aus Bodenbeschaffenheit und Verkehrsverhältnisse möglicher Siedlungsgebiete zu erkunden – zuerst in Brasilien und Paraguay, im Jahr darauf auch in Argentinien und Chile. Was ihm, dieser charismatischen Verkörperung von Idealismus, Tatkraft und einem Schuß Pionierromantik, vorschwebt, ist die Gründung einer Tiroler Bergbauernsiedlung in Übersee.

      Am verheißungsvollsten verlaufen die Verhandlungen mit den brasilianischen Behörden: Die kaum besiedelte Region um Cruzeiro im Südstaat Santa Catarina bietet für bäuerliche Auswanderer ideale Verhältnisse. Hier läßt sich bei sorgfältiger Rodung fruchtbares Ackerland gewinnen, in 800 Meter Höhe ist das subtropische Klima erträglich, auch mit der Wasserqualität kann man zufrieden sein, und bis zur nächsten Bahnstation ist es nicht mehr als 15 Kilometer: Itapui liegt auf halber Strecke zwischen Sao Paulo und Rio Grande. Vor allem aber: Seitdem die Landeswährung stark abgewertet ist, kann man sich hier schon mit einem Kapital von 3000 Schilling einen bescheidenen Besitz zulegen.

      Im September 1933 wagt Andreas Thaler einen ersten Siedlertransport, und bereits einen Monat später ist die Gründungsurkunde unterzeichnet: Treze Tilias – auf deutsch: Dreizehnlinden – wird das Tiroler Bergbauerndorf im Süden Brasiliens von Stund an heißen. Und da sich das Experiment gut anläßt, kehrt Thaler im Frühjahr 1934 nach Österreich zurück, um seinen verarmten Landsleuten für einen weiteren Auswanderungsschub Mut zu machen. Raschen Reichtum, so hält er in seiner vom Katholischen Preßverein Linz verbreiteten Aufklärungsschrift vorsorglich fest, könne er den Kandidaten zwar nicht versprechen, wohl aber »ein auskömmliches Leben«. Sein Leitspruch: »Wäge! Wäge genau! Dann erst wage!«

      Der zweiten Gruppe, die er noch im selben Jahr nach Südamerika führt, gehört auch seine vielköpfige eigene Familie an: Thaler, der selber keinen Grund hätte, Österreich den Rücken zu kehren, weiß genau, daß sein persönlicher moralischer Rückhalt für das Gelingen des Experiments von größter Bedeutung ist, und so siedelt auch er sich mit den Seinen in Dreizehnlinden an. Ja, er opfert ihm sogar sein Leben: Als im Sommer 1939 der hochwasserführende Rio Sao Bento den tiefer gelegenen Teil des Dorfes zu überschwemmen droht, muß zwecks Abdrängung der Fluten die über den Fluß führende Brücke abgetragen werden. Thaler legt selber mit Hand an. Und da passiert das Unglück: Die Brücke birst vorzeitig und reißt ihn und drei weitere Männer aus dem Ort in die Tiefe. Während jedoch die anderen sich allesamt retten können, wird Thaler von den Sturzwellen des Wildwassers verschlungen. Erst am Tag darauf wird man einige Kilometer flußabwärts die Leiche des Fünfundfünfzigjährigen bergen.

      So tragisch das Leben des Gründers von Dreizehnlinden endet, eines bleibt Thaler durch seinen frühen Tod erspart: mitanzusehen, wie mit Österreichs Anschluß an Hitler-Deutschland und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gewaltige neue Probleme auf das Tirolerdorf zukommen. Nicht nur, daß schlagartig die Verbindung zur Heimat abgeschnitten ist, bringen die offen mit den Nationalsozialisten sympathisierenden Deutschbrasilianer anderer Siedlungen auch Dreizehnlinden in Verruf. Außerdem tritt im August 1942 Brasilien in den Krieg gegen die Achsenmächte ein.

      Doch allen Rückschlägen zum Trotz: Unsere Exil-Tiroler wissen sich zu behaupten, und als bei Kriegsende ganz Österreich Hunger leidet, schicken sie sogar Lebensmittelpakete und Geldspenden in die alte Heimat. Ihre landwirtschaftlichen Betriebe florieren, ihre Produkte finden Absatz, neue Siedlertransporte rücken nach. 1956 ist es so weit, daß Dreizehnlinden mit den Nachbardörfern Babenberg und Rosengarten zu einem eigenen Bezirk von knapp 6000 Einwohnern vereinigt wird. Außer Kirche, Schule und Spital verfügt man nun auch über ein Sportstadion, ein Kulturhaus und ein Gymnasium. Und schließlich entdecken auch die Touristen die exotischen Reize der im alpenländischen Stil errichteten Tirolerhäuser mit den blumengeschmückten Balkons: Nicht weniger als 600 Fremdenbetten stehen den Gästen des Höhenluftkurortes Treze Tilias zur Verfügung. Dreizehnlinden macht Österreich alle Ehre. Andreas Thaler, der dafür sein Leben hingegeben hat, könnte auf sein Werk wahrlich stolz sein.

      Der Kamelienmann

       Georg Joseph Kamel

      Sie teilt das Schicksal von Reseda und Levkoje: Die Kamelie ist aus der Mode gekommen, auch Blumen unterliegen Trends. Doch dafür haben die rosenähnlichen Blüten des ostasiatischen Zierstrauchs mit den immergrünen Blättern ihren festen Platz in der Literatur: Alexandre Dumas hat sie in seinem Gesellschaftsroman »La Dame aux Camélias«, Giuseppe Verdi in seiner Oper »La Traviata« verewigt. Und auf dem Friedhof von Montmartre pilgern manche Touristen nach wie vor ans Grab jener mit 23 Jahren von der Schwindsucht dahingerafften Pariser Kurtisane Alphonsine Plessis alias Marguérite Gautier, die ihren Liebhabern mit einem ebenso offenherzigen wie blumigen Signal zu verstehen gab, wann sie mit ihr zu rechnen hätten: 25 Tage jeden Monats heftete sie sich eine weiße Kamelienblüte an den Busen, die restlichen fünf eine rote.

      In den botanischen Lehrbüchern findet man alles Nähere: 1739 taucht die Kamelie zum erstenmal in Europa auf, und Carl von Linné, der berühmte schwedische Pflanzenforscher, gibt dem floralen Import den Namen, den er von nun an in aller Welt tragen wird.

      Fragt sich nur: Wieso nennt er ihn (lateinisch, wie sich’s gehört) Camellia?

      Er tut es, um dem Mann zu huldigen, der sie entdeckt und als erster beschrieben hat. Und dieser Mann heißt Georg Joseph Kamel und ist ein mährischer Ordensmann.

      In Brünn kommt er als Sproß einer alten deutschsprachigen Sippe am 21. April 1661 zur Welt. Die Eltern schicken ihn aufs Gymnasium, mit 21 tritt er als Novize in die »Societas Jesu« ein. In den böhmischen Jesuitenkollegs von Neuhaus und Krumau wird er dem »Infirmarius« zugeteilt, erlernt das Apothekerhandwerk. Frater Georgius Josephus begnügt

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