Faszination Jesus. Roland Werner

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und dann wieder zusammengekommen, um Speise zu sich zu nehmen, jedoch gewöhnliche, harmlose Speise …“11

      Hier finden wir also den Bericht eines römischen Statthalters, der davon berichtet, dass eine ganze Gegend vom christlichen Glauben erfasst ist, und zwar 60 bis 80 Jahre nach Jesus. Die Christen in Bithynien priesen nach seiner Aussage Christus als Gott (quasi deo), versammelten sich an einem bestimmten Tag (dem Sonntag) frühmorgens zu einem Gottesdienst und dann abends noch einmal zu einem gemeinsamen Mahl (Abendmahl) aus ganz gewöhnlicher Speise und nicht, wie man ihnen nachgesagt hatte, zu kannibalistischen Gebräuchen. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Essen und Trinken von „Leib und Blut“ Jesu, das oft in der Antike missverstanden wurde, da zum Abendmahl hinter verschlossenen Türen nur Getaufte zugelassen wurden. Der Eid, den sie schworen, ist mit der Verpflichtung zum christlichen Leben bei der Taufe identisch. Das lateinische Wort für Eid, sacramentum, wurde später zum Fachausdruck nicht nur für die Taufe, sondern auch für das Abendmahl.

      Plinius erwähnt hier alle wesentlichen Elemente des christlichen Glaubens, ohne sie selbst ganz zu verstehen: die Gottheit Jesu Christi und daraus folgend die Weigerung, dem Kaiser oder den Göttern Verehrung darzubringen, die Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu im Abendmahl als zentraler christlicher Glaubensinhalt, die Gemeinschaft der Christen, in die man durch die Taufe aufgenommen wurde, und die hohe ethische Lebensführung.

      So ist Plinius am Übergang vom 1. zum 2. Jahrhundert ein unabhängiger Zeuge für alle wesentlichen Elemente des christlichen Glaubens, wie sie auch im Neuen Testament dargelegt sind. Allein aufgrund dieser Beschreibung – neben vielen anderen, die angeführt werden könnten – werden alle Behauptungen widerlegt, die uns weismachen wollen, die Lehre von der Gottheit Christi wäre erst Jahrhunderte später von irgendwelchen Konzilien festgelegt worden. Auch ist sein Brief ein Zeugnis für die Anziehungskraft des Christentums in der damaligen Zeit.

      Thallus

      Obwohl wir Thallus’ Original nicht haben, gibt es keinen Grund, den Hinweis bei Julius Africanus infrage zu stellen. Denn Africanus bezieht sich so nebenbei und selbstverständlich auf dieses Werk von Thallus, dass es einfach als bekannt vorausgesetzt werden muss. Wir sehen daraus, dass offensichtlich die Christen und die Ereignisse um die Kreuzigung Jesu in den Fünfzigerjahren in Rom so bekannt waren, dass ein römischer Geschichtsschreiber sie in seine Darstellung mit aufnehmen wollte. Dies steht auch im Einklang mit der oben erwähnten Vertreibung der Juden aus Rom aufgrund eines „gewissen Chrestos“ zu etwa derselben Zeit, zu der Thallus schrieb.

      Wenn die erwähnten römischen Quellen auch nicht entscheidend mehr darstellen, als wir aus den Evangelien ohnehin – und viel konkreter – wissen, so ist es doch bemerkenswert, dass Jesus und die von ihm herkommenden Christen überhaupt eine solche Erwähnung finden. Wir merken, dass wir uns hier sehr wohl auf gutem historischen Boden bewegen.

      NICHTRÖMISCHE AUTOREN

      Neben den römischen Autoren finden sich noch weitere frühe Erwähnungen von Jesus von Nazareth außerhalb der Evangelien und frühchristlichen Schriften. Die frühchristlichen Schriften wie zum Beispiel die Didache (um 90–110 n. Chr.), die Briefe von Ignatius von Antiochien (gest. 107 n. Chr.), von Polykarp von Smyrna (69/70–155/156 n. Chr.), manche andere frühchristliche Autoren sowie nicht zuletzt die Informationen, die Eusebius von Caesarea in sein Kirchengeschichtswerk eingearbeitet hat, vermitteln uns ein sehr differenziertes Bild der christlichen Gemeinden schon um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert. Alles, was sie sagen, bestätigt das allgemeine Bild. Aber das wirklich Spannende ist ja das, was Nichtchristen geschrieben haben, weil bei ihnen nicht die Gefahr besteht, dass sie den Glauben verteidigen wollen. Dass es solche Schriften gibt, ist erstaunlich. Aber hier ist auch zu bedenken, dass es sehr wohl sehr viel mehr an nicht christlichen, besonders jüdischen Schriften, die Jesus erwähnen, gegeben haben kann, dass uns aber besonders durch die Zerstörung Jerusalems sowie überhaupt antiker Stätten allgemein bedingt vieles auf immer verloren sein wird. Was jedoch erhalten geblieben ist, ist einiges.

      Der Brief des Mara bar Serapion

      Im Britischen Museum in London liegt eine im 7. Jahrhundert n. Chr. ausgeführte syrische Abschrift eines älteren Briefes, den Forscher irgendwo zwischen 72 n. Chr. und dem 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. datieren, wobei ein sehr früher Abfassungstermin der wahrscheinlichste ist. In ihm ermutigt ein syrischer Mann namens Mara bar Serapion seinen Sohn, im Streben nach Weisheit fortzufahren. Zwar ist er selbst zurzeit im Gefängnis, doch Unglück und Verfolgung seien das Los vieler weiser Männer. Als Beispiele nennt er Sokrates, Pythagoras und Christus.

      Josephus Flavius

      Der jüdische Feldherr Josephus Flavius befehligte im Aufstand gegen Rom die galiläischen Truppenverbände. Bei seiner Gefangennahme durch General Vespasian im Jahr 67 überraschte er diesen mit einer erstaunlichen Voraussage, die ihm das Leben rettete: Er verhieß Vespasian, dass er römischer Kaiser werden würde. Als das zwei Jahre später geschah, wurde Josephus freigelassen und verbrachte den Rest seines Lebens als Pensionär des römischen Kaisers damit, historische Werke zu verfassen. Neben dem „Jüdischen Krieg“ sind seine „Jüdischen Altertümer“ von höchstem Wert für die Kenntnis vieler geschichtlicher Zusammenhänge. Viele der Personen, die im Neuen Testament erwähnt werden, tauchen auch bei Josephus auf: Herodes der Große und seine ganze Familie, die Hohepriester Annas und Kaiphas, Johannes der Täufer, Jakobus, der Bruder

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