Wie die Zeit vergeht. Georg Markus

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Wie die Zeit vergeht - Georg Markus

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befand sich unmittelbar unter dem Dach und ließ starke Risse erkennen, durch die sich bei Schlechtwetter wohl Regen in Strömen ergoss.«

      Beethoven bemerkte zunächst nicht, dass ein Gast eingetreten war. »Er blieb weiter sitzen, über Korrekturen gebeugt, die er zu Ende las. Dann hob er den Kopf und sagte in anständigem Italienisch: ›Ah, Rossini, der Komponist des ‚Barbier von Sevilla‘. Meine herzlichen Glückwünsche! Das ist eine ausgezeichnete Opera buffa. Ich habe mit großem Vergnügen darin gelesen und alles sehr genossen.‹«

      Rossini kritzelte seinem Gastgeber ein paar Worte auf ein Blatt Papier, die ihn seiner grenzenlosen Bewunderung versicherten, worauf Beethoven mit einem tiefen Seufzer erwiderte: »O, ich Unglücklicher!«

      Als der Italiener nach kurzem Gedankenaustausch zum Abschied aufbrach, rief Beethoven ihm noch nach: »Und machen Sie noch vieles wie den ›Barbier‹!«

      Rossini beendete seinen Bericht mit den Worten: »Als ich die verfallene Treppe hinabstieg, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.«

      Beethoven wurde von mehreren Frauen, vor allem von seinen Schülerinnen, umschwärmt, blieb aber einsam. Sehr nahe kam er den Schwestern Therese und Josephine Brunswick, die sich in ihn – vor allem wohl in sein Genie – verliebt hatten, jedoch eine dauerhafte Beziehung ebenso wenig zuließen wie die von ihm verehrte Gräfin Julie Guicciardi.

      An seinem Begräbnis nahmen 20 000 Menschen teil. Der »Vollender der Wiener Klassik« hatte seit Längerem über Schmerzen im Unterleib, Appetitlosigkeit und Durstgefühle geklagt. Am 24. März 1827 reichte man ihm die Sterbesakramente, zwei Tage später verschied er im Beisein seiner Schwägerin Johanna und seines Freundes, des Komponisten Anselm Hüttenbrenner, in seiner Wohnung in der Schwarzspanierstraße. Im Gegensatz zu Mozart hatte er seinen Weltruhm noch erleben können.

      Im Obduktionsbericht des Arztes Dr. Johann Wagner wird Leberzirrhose als Todesursache genannt, die im Nachruf der »Wiener Zeitung« als Wassersucht abgemildert wurde.

      Dass sein Schüler Beethoven und sein Freimaurer-Bruder Mozart ihm einmal den Rang ablaufen würden, hätte Joseph Haydn vermutlich nicht für möglich gehalten, galt er doch in seiner Zeit als bedeutendster Komponist. Joseph »Papa« Haydn war am 31. März 1732 im niederösterreichischen Rohrau als Sohn eines Bauern und Wagnermeisters zur Welt gekommen und schon als Kleinkind durch seine Musikalität aufgefallen. Er erhielt Gesangs- und Instrumentalunterricht und wurde mit acht Jahren Chorknabe im Stephansdom.

      Mit Einsetzen des Stimmbruchs nahm er das Studium bei dem berühmten, aus Neapel stammenden und in Wien lebenden Komponisten Niccolo Antonio Porpora auf. Als er von seinem Lehrer Abschied nahm, sagte Haydn: »Jetzt erst weiß ich, wie schwer die italienische Leichtigkeit ist.«

      Wie Mozart heiratete auch Haydn die Schwester der Frau, die er eigentlich liebte, wurde aber in seiner Ehe nicht glücklich. 1761 holte ihn Fürst Paul Esterházy als Kapellmeister nach Eisenstadt, wo er seinen musikalischen Stil entwickeln konnte.

      Auf den beiden England-Reisen, die er im Alter unternahm, wurde Haydn wie ein König gefeiert. In London ereignete sich ein Zwischenfall, der Geschichte schrieb: Haydn legte am Ende eines Konzerts den Taktstock aus der Hand und verbeugte sich. Da erhoben sich die Besucher und strömten zum Orchester, um dem Meister aus der Nähe zuzujubeln. Kaum waren die Sitze in der Mitte des Parketts geleert, löste sich der schwere Kronleuchter aus der Verankerung, stürzte eben dort zu Boden und zerstörte Teile des Konzertsaales. Abgesehen von wenigen Besuchern, die durch Kristallsplitter leicht verletzt wurden, kam niemand zu Schaden. Haydn dankte der Vorsehung, dass ein gütiges Geschick so viele Menschenleben gerettet hat. Die Symphonie wurde fortan unter dem Beinamen »Mirakel« aufgeführt.

      Seine letzten Lebensjahre verbrachte Haydn in der heutigen Haydngasse 6 in Wien-Gumpendorf. Als Napoleon – dessen Truppen die Hauptstadt des Kaiserreichs gerade besetzt hielten – erfuhr, dass Haydn im Sterben lag, ließ er vor dessen Haustor eine Ehrenwache aufstellen und die Straße mit Stroh bestreuen, damit der Meister nicht durch das Rumpeln der Wagenräder gestört würde. Er starb am 31. Mai 1809 in seinem 78. Lebensjahr.

      Nur wenige Tage nach der Beerdigung am Hundsturmer Friedhof wurde sein Schädel aus dem Grab gestohlen – wie sich später herausstellte von Fanatikern, die anhand der Kopfform Rückschlüsse auf das Genie ziehen wollten. Der Schädel tauchte erst 1954 wieder auf und wurde dann in die Bergkirche Eisenstadt überstellt, wo der Körper bereits 1820 beigesetzt worden war.

      Im Biedermeier entwickelte sich der Musikgenuss vom Privileg des Adels hin zum allgemeinen Bildungsgut. Die Hausmusik eroberte die Salons des Bürgertums und erlebte ihre Blüte. Philharmoniker, Musikverein, Salzburger Mozarteum und Wiener Männergesang-Verein wurden gegründet, und an den Vorstadtbühnen in der Leopoldstadt, der Josefstadt und im Theater an der Wien erlangte das Singspiel weite Verbreitung.

      Franz Schubert kam 1797 als Sohn eines Lehrers am Wiener Alsergrund zur Welt und wuchs in beengten Verhältnissen auf. Mit elf Jahren wurde er von den Sängerknaben aufgenommen, nachdem er die musikalische Grundausbildung bereits von seinem Vater erfahren hatte. Da es von Schubert nur wenige Lebenszeugnisse gibt, bleibt ein Großteil der überlieferten Lebensumstände Spekulation. Auch viele Geschichten um seine angeblich unerfüllten Liebschaften sind erfunden. Nur zwei Beziehungen sind gesichert: Seine Jugendliebe Therese Grob wartete drei Jahre auf ihn, ehe sie einen anderen heiratete. Diese Affäre widerlegt also den »Dreimäderlhaus«-Romanstoff ganz klar, demzufolge ihn »keine wollte«. Nachweisbar ist nur, dass Schubert seine Schülerin Comtesse Carolin Esterházy verehrte, diese seine Liebe jedoch nicht erwiderte. Dass er deswegen gleich zum unglücklichen Liebhaber auf Lebenszeit gestempelt wurde, ist das Produkt einer unbarmherzigen Kitsch-Industrie.

      Seine Bescheidenheit geht aus einem Brief hervor, in dem er sich seiner Kindheit erinnerte: »Zuweilen glaubte ich wohl selbst im Stillen, es könne etwas aus mir werden – aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen.«

      Schubert gab seine Stellung als Hilfslehrer bald auf, weil ihm diese Tätigkeit keine Zeit zum Komponieren ließ, es fanden sich auch kaum Verleger, die seine Noten druckten, und nur drei seiner Bühnenstücke wurden zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Aber gerade dem tragischen Umstand, dass er keine feste Anstellung fand, ist die Fülle seines Werks zu danken, denn nur dadurch konnte sich Schubert Tag und Nacht seinen Kompositionen widmen. Obwohl Beethoven fast doppelt so alt wurde wie er, ist Schuberts Oeuvre noch umfangreicher. In den wenigen Jahren, die ihm zur schöpferischen Arbeit blieben, schuf er mehr als tausend Lieder, Klavierstücke, Ouvertüren, Kammermusiken, Messen, Chöre, Tänze, Bühnenstücke sowie acht Symphonien. »In einem halbdunklen, feuchten und ungeheizten Kämmerlein, in einen alten, fadenscheinigen Schlafrock gehüllt, frierend und komponierend«, so behielt ihn ein Freund in Erinnerung. »Die Schwierigkeiten

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