Wie die Zeit vergeht. Georg Markus

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Wie die Zeit vergeht - Georg Markus

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eine bestimmte Summe zu zahlen. Die Armut im biedermeierlichen Wien war so groß, dass dieses schmutzige Geschäft mit dem Wissen der Eltern blühen konnte.

      Auch später berühmt gewordene Namen finden sich in den Listen der Opfer. Zwar soll Kaunitz die Tänzerin Fanny Elßler, damals elfjährige Elevin am Kärntnertortheater, »nur geküsst« haben, ihre 14-jährige Schwester Therese wurde von ihm jedoch »fleischlich gebraucht«. Auch mit den Eltern der elfjährigen Louise Gleich – der späteren Frau Ferdinand Raimunds – hatte Kaunitz eine Vereinbarung getroffen, die jedoch nicht wirksam wurde, da sich die Mutter in letzter Minute weigerte, ihre Tochter zur Erfüllung des »Vertrags« freizugeben.

      Der Kaunitz-Prozess wurde zur Farce. Der Fürst gab an, die Mädchen »vor dem 14. Lebensjahre berührt, aber nicht gebraucht« zu haben. Dies wurde trotz gegenteiliger Aussagen sämtlicher Betroffenen vom Gericht akzeptiert, weil die Stellungnahme eines Aristokraten mehr zählte als die der einfachen Kinder.

      Schließlich wurde die Untersuchung aus Mangel an Beweisen, »unter der Bedingung, dass Kaunitz die Stadt Wien auf schnellstem Wege verlasse«, ad acta gelegt. Er begab sich auf sein Landgut bei Brünn, um dort sein Unwesen fortzuführen, wie einem örtlichen Polizeibericht aus dem Jahre 1823 zu entnehmen ist: »Eine im Kaunitzschen Dienste gestandene frühere Magd ist in Untersuchung, da sie dem Fürsten Mädchen, die Jungfrauen sein mussten, zugeführt hatte …«

      Alois Kaunitz hingegen starb 1848 im Alter von 75 Jahren in Paris als unbescholtener Mann.

      Therese Krones war die beliebteste Schauspielerin Wiens. Doch just als sie in der Rolle der Jugend in Ferdinand Raimunds »Der Bauer als Millionär« ihren größten Erfolg feierte, geriet sie in das Umfeld eines Kriminalfalls, der ihr Leben zerstörte.

      Die Tragödie der 25-jährigen Volksschauspielerin begann im Herbst 1826, als sie am Graben von einem elegant gekleideten Herrn angesprochen wurde. Der Fremde gab sich als Verehrer ihrer Schauspielkunst aus und bat, sie besuchen zu dürfen.

      Zwei Tage später klopft der Mann an ihre Wohnungstür und überreicht dem Dienstmädchen seine Visitenkarte, auf der in gestochenen Lettern »Le Comte Severin Jaroszynski« steht. Therese Krones lässt bitten, der Graf tritt ein und beginnt mit polnischem Akzent seine Lebensgeschichte zu erzählen: Aus altem Adel stammend, sei er in Galizien durch Erbschaft in den Besitz riesiger Ländereien gelangt, die große Einkünfte abwarfen und ihm ein sorgenfreies Leben erlaubten. Des Landlebens leid geworden, sei er nach Wien übersiedelt, was er noch keinen Tag bereute, vor allem seit er die Krones auf der Bühne gesehen und in sein Herz geschlossen hätte.

      Die Schauspielerin schmolz dahin. Da saß ein offensichtlich steinreicher Aristokrat und zeigte sein ernsthaftes Interesse für eine aus kleinen Verhältnissen stammende Soubrette, das war schon etwas Besonderes.

      Severin schien es ernst zu meinen, und so dauerte es nicht lange, bis Therese dem Charme des Edelmannes erlag. Die Affäre wurde zum Stadtgespräch, der verliebte Aristokrat gab für die Krones ausschweifende Gelage, bei denen der Champagner in Strömen floss.

      Doch dann geschah Unglaubliches. Am 13. Februar 1827 wurde der siebzigjährige Priester Johann Konrad Blank in seiner Wohnung an der Ecke Seilerstätte zur Annagasse von Schülern tot aufgefunden. Ein Unbekannter hatte sein wehrloses Opfer mit mehreren Messerstichen getötet und Obligationen im Wert von 60 000 Gulden geraubt. Jaroszynski sprach mit der Krones darüber und zeigte seine Erschütterung.

      Drei Tage später gibt der Graf in seiner Wohnung im Trattnerhof eine große Gesellschaft. Gerade als die Krones ihr berühmtes Lied »Brüderlein fein« anstimmt, stürmen Polizeibeamte durch die Tür, von denen einer losschreit: »Severin von Jaroszynski, Sie werden als Mörder von Professor Blank erkannt und verhaftet!«

      Die Gäste glauben ihren Augen und Ohren nicht zu trauen, Therese Krones muss fassungslos mit ansehen, wie der geliebte Mann in Ketten gelegt und abgeführt wird. Der Presse ist zu entnehmen, dass der Täter nach dem Mord versucht hätte, Wertpapiere seines Opfers beim Geldmakler Wedel am Graben zu verkaufen, der sofort Anzeige erstattete.

      Jaroszynski stammte aus adligem, nicht jedoch aus gräflichem Hause. Er war mit einer Polin verheiratet, die ihm drei Kinder und ein großes Vermögen geschenkt hatte, das durch seine Verschwendungssucht und Spielleidenschaft verloren ging. Als man ihm in seiner Heimat die Veruntreuung von Staatsgeldern nachwies, flüchtete er nach Wien, wo er Affären mit mehreren Frauen hatte. Die Krones war nur eine von ihnen.

      Als er dem Abbé Blank, der einst sein Lehrer war, einen Besuch abstattete, kam er auf die Idee, ihn zu töten und mehrere in der Wohnung frei herumliegende Aktien an sich zu nehmen. Mit dem Raubmord glaubte Jaroszynski seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren zu können.

      Die Geschichte von der schönen Schauspielerin und dem Mörder füllte die Zeitungsseiten. Und das Publikum war empört, als die Krones einige Tage später im Leopoldstädter Theater ihren nächsten Auftritt im »Bauer als Millionär« absolvierte. Bisher immer mit Applaus bedacht, brach jetzt lautstarker Tumult aus. Therese Krones stand im Kostüm der Jugend unter Buhrufen und lautem Getrampel wie gelähmt da, ehe sie sich Hilfe suchend dem als Fortunatus Wurzel neben ihr stehenden Ferdinand Raimund zuwandte. Doch die Situation war nicht zu retten, die Schauspielerin verlor das Bewusstsein, und die Vorstellung musste abgebrochen werden.

      In den folgenden Tagen wurde der seelisch und körperlich niedergeschlagenen Künstlerin zugetragen, dass viele Wiener ihr die Schuld an dem Verbrechen gaben. Die grenzenlose Eitelkeit der Krones hätte den verliebten Mann zur Erfüllung ihrer unverschämten Wünsche nach Schmuck und teuren Kleidern verführt, weshalb er sich in Schulden gestürzt und keinen anderen Ausweg gesehen hätte, als den Raubmord zu begehen. Mehr noch, viele Menschen sahen die Krones als Mitwisserin oder gar Anstifterin zur Tat.

      Auch wenn sich derlei Anschuldigungen als haltlos erwiesen, änderte das nichts daran, dass das Renommee und die Popularität der Künstlerin dahin waren.

      Severin von Jaroszynski gestand die Tat, er wurde zum Tod verurteilt und hingerichtet.

      Die ahnungslose Diva zog sich vom Theater zurück, sie starb am 26. Dezember 1830 im Gasthaus »Zur Weintraube« auf der Praterstraße im Alter von 29 Jahren an den Folgen einer Blinddarmentzündung – vier Jahre nach der Tat, die ihr Leben zerstörte.

      Als Folge der Revolution des Jahres 1848 musste der gefürchtete Polizeipräsident zurücktreten, was von der Bevölkerung Wiens mit großer Erleichterung aufgenommen wurde. Nach Auflösung der von Sedlnitzky gegründeten Militärpolizei war eine Zeitlang die Städtische Wache für die Sicherheit der Bevölkerung verantwortlich, es dauerte aber nicht lange, bis Kaiser Franz Joseph wieder eine »Militärpolizeiwache« ins Leben rief.

      1870 wurde die Wiener Kriminalpolizei gegründet – doch ein geradezu unglaublicher Betrugsfall aus der näheren Umgebung des Kaisers ist dieser nie zu Ohren gekommen: Dem für Wirtschaftsfragen bei Hof zuständigen Hofrat Franz Wetschl war 1896 nach Durchsicht der Auftragsbücher aufgefallen, dass die für die aufwendigen Hoffeste angeschafften Delikatessen, darunter Hummer, Lachs, Kaviar und Champagner, in immer kleineren Mengen einlangten, ohne dass sich der Preis vermindert hätte. Hofrat Wetschl ging der Sache nach und konnte unter Beiziehung mehrerer Privatdetektive einen Ring von Betrügern ausforschen, der sich in die kaiserliche Küche eingeschlichen hatte. Wie sich im Zuge der Überprüfung herausstellte, hatte der Chefkoch des Kaisers seit Jahren Lebensmittel in großen Mengen »abgezweigt« und unter der Hand an Restaurants weiterverkauft. Neben dem Chefkoch gab es in der Hofküche eine Reihe von Mitwissern, die von den Unregelmäßigkeiten informiert waren.

      Da die Affäre für den Hof äußerst peinlich war, achtete man darauf, nichts nach außen dringen zu lassen. Weder wurde die Kriminalpolizei eingeschaltet, noch der Haupttäter oder seine Mitwisser

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