Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg страница 255
Ihr Verstand ermahnte sie zu kühler Überlegung. Von ihrer Mutter hatte sie erst kürzlich erfahren, dass Lilo glücklich verheiratet war und zwei Kinder hatte. Dennoch flüsterte ihr eine unüberhörbare Stimme in ihrer Brust zu, dass sie in Gefahr sei, Klaus Magnus zum zweiten Mal in ihrem Leben an eine andere Frau zu verlieren.
Es geschah nicht augenblicklich. Ganz allmählich zerbröckelte das künstliche Gebäude aus Ehrgeiz und falsch verstandenem Stolz. Ich liebe ihn, gestand Gerda sich endlich ein. Mir ist alles gleichgültig. Ich will ihn wenigstens noch einmal sehen.
*
Jochen war in strahlender Laune. Er trug seinen besten Anzug und hatte sich das Haar beim Kämmen nass gemacht, sodass er beim Frühstück wie eine gebadete Maus aussah.
Auch Siegfried Werner war guter Dinge, wenn er sich auch bemühte, das vor Lilo nicht allzu deutlich zu zeigen.
»Wollt ihr etwas zu essen mitnehmen?«, fragte Lilo.
»Danke, nicht nötig, Lilo. Mach dir nur keine Mühe.«
»Vergiss heute Abend nicht, dir die Zähne zu putzen, Jochen«, ermahnte sie den Jungen.
»Klar, Mutti. Das geht in Ordnung. Schaust du nach meinen Tieren?«
»Sicher, Jochen.«
Der Vater mahnte zum Aufbruch. Lilo holte Jochens Waschlappen und putzte ihm liebevoll den Mund ab. Ihr war sterbenselend zumute.
»Kommt morgen nicht zu spät zurück«, bat sie mit erstickter Stimme. »Sonst kriege ich Jochen am Montag früh nicht aus dem Bett.«
»Keine Sorge. Wir sind rechtzeitig wieder da, Lilo«, versicherte ihr Mann hastig. »Auf Wiedersehen.«
Mit tränenblinden Augen stand Lilo vor der Haustür, als der Wagen abfuhr. Es ist aus, dachte sie mutlos und voller Bitterkeit. Ich werde ganz allein sein. Wozu lebe ich überhaupt noch? Niemand braucht mich. Mit einer Frau wie Rita Hellmann kann ich mich natürlich nicht messen. Ihr gelingt alles – mir gar nichts. Sie wird Jochen verwöhnen und mit Geschenken überschütten. Es ist nicht schwer, ein Kinderherz zu betören.
Lilos Füße waren bleischwer. Nur mit Mühe raffte sie sich auf, den Tisch abzuräumen und in der Küche Ordnung zu schaffen. Schließlich stieg sie die Treppe hinauf und richtete die Betten.
Ich muss endlich mit Klaus sprechen. Ich ertrage die Ungewissheit nicht mehr, dachte sie. Wenn ich noch eine Woche vergeblich warte, verliere ich den Verstand.
Sie ging zum Telefon und wählte die Nummer seines Hotels. Diesmal erreichte sie eine liebenswerte Sekretärin, die ihr ungefragt Auskunft erteilte. »Herr Magnus ist fast nie im Hause, gnädige Frau. Wenn Sie ihn dringend erreichen wollen, rufen Sie bitte im Kinderheim Sophienlust an. Er ist dort täglich bei seinem kleinen Sohn. Die Nummer kann ich Ihnen geben.«
Lilo dankte ihr. Sie besitze die Nummer und werde es dort versuchen.
In Sophienlust also. Die Auskunft war für Lilo verwirrend. Offenbar lehnte Klaus seinen Vater jetzt nicht mehr ab. Wäre dieser sonst ständig bei ihm?
Der Junge ist ihm wichtiger als ich, überlegte Lilo weiter. Er hätte mir wenigstens Nachricht geben müssen. Natürlich werde ich nicht in Sophienlust anläuten. Ich habe nicht die geringste Lust, mit Frau von Schoenecker zu sprechen.
Lilos Verhältnis zu dem kleinen Sohn ihrer verstorbenen Schwester war stets von Ablehnung überschattet gewesen. An diesem Samstagmorgen aber hasste sie den Jungen fast. Hellsichtig erkannte sie, dass dieses Kind zwischen ihr und Klaus Magnus stand.
Draußen erklang das Geräusch eines Wagens. Der Motor wurde abgestellt. Die Tür schlug zu.
War es Klaus Magnus? Kam er nun doch noch zu ihr?
Lilo stürzte so eilig zur Haustür, dass sie beinahe gefallen wäre. Doch es war nicht Klaus Magnus – es war Gerda Ahlsen. Obwohl sie sie so viele Jahre nicht gesehen hatte, erkannte sie sie sofort.
»Darf ich – Lilo? Ich muss dich unbedingt sprechen.«
»Ja, komm nur.«
Im Wohnzimmer, wo das volle Licht auf Lilos Gesicht fiel, fragte Gerda bestürzt, ob sie krank sei.
»Nein, nein, es geht mir gut«, behauptete Lilo.
»Dein Mann, die beiden Buben? Alles in Ordnung?«
Lilo konnte sich nicht länger beherrschen. Tränen rannen über ihre Wangen. »Ja, alles in Ordnung«, schluchzte sie. »Siegfried ist mit Jochen übers Wochenende weggefahren, damit der Junge seine neue Mutter kennenlernt.«
»Was willst du damit sagen?« So rasch verstand Gerda nicht.
»Wir lassen uns scheiden«, stöhnte Lilo auf. »Es geht ganz vernünftig zu und ohne jeden Streit. Siegfried hat die Frau seines Lebens getroffen. Was will man da machen?«
»Das tut mir leid, Lilo. Ich hätte besser nicht kommen sollen. Jetzt verstehe ich, dass dir der Besuch von Klaus Magnus gleichgültig sein musste. Ich hatte einen ganz anderen Eindruck. Entschuldige, bitte.«
Lilo zuckte die Achseln. »Vielleicht war dein Eindruck richtig, Gerda. Klaus stand plötzlich vor der Tür, genau wie du. Er fragte nach Gabi.«
»Ja, das hatte er vor.«
»Zuerst wollte ich ihn hinauswerfen. Aber dann merkte ich, dass er wirklich nichts gewusst hat.«
Gerda blickte Lilo gespannt und erwartungsvoll an, und Lilo sprach weiter, ohne dass die Besucherin eine Frage zu stellen brauchte. Viel zu lange schon hatte Lilo schweigen und warten müssen.
So erfuhr Gerda von Gabis Tragödie und von deren Jungen, der bei Lilo und deren Mann aufgewachsen war. Auch von ihrer Freundschaft zu Klaus Magnus sprach Lilo mit verhaltenen Worten.
»Als Siegfried heimkehrte und mich um die Scheidung bat, war ich überzeugt, dass dies für uns alle eine glückliche Lösung sei, Gerda. Aber Klaus Magnus ist seitdem nicht mehr in dieses Haus gekommen. Ich habe mit seinem Sohn große Schwierigkeiten gehabt. Als Klaus Magnus sich dem Buben als sein Vater zu erkennen gab, ist der schreckliche Bengel aus lauter Trotz ausgerissen. Seither befindet er sich in einem Kinderheim. Anfangs wollte er nichts von seinem Vater wissen. Das scheint sich jedoch jetzt geändert zu haben. Klaus Magnus hält sich von früh bis spät in dem Kinderheim auf. Was ich nun tun soll, weiß ich nicht. Hältst du es für möglich, dass ein Kind zwei Menschen, die sich lieben, auseinanderbringen kann?«
Gerda verbarg ihre eigenen Gefühle. »Nein, Lilo, das erscheint mir undenkbar. Du wirst sehen, es klärt sich alles auf.«
»Ich habe keine Kraft mehr, Gerda. Als du anriefst, fürchtete ich, du könntest ihn mir wegnehmen. Deshalb wollte ich nicht, dass du mit ihm Verbindung aufnimmst.«
»Ich …, ich möchte gern noch einmal mit ihm sprechen, Lilo.« Gerdas starrem Gesicht war nicht anzusehen, was in ihrem Inneren vorging.
»Daran kann ich dich nicht hindern. Das Kinderheim heißt Sophienlust, der zugehörige Ort Wildmoos. Es ist nicht weit von hier.«
»Danke,