Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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Berufliche Belastungen bewältigen - Группа авторов

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sie die gerontopsychiatrische Station betritt, wird sie bereits von der Wohnbereichsleitung Lea Ahmann erwartet. Sie wird mit den Worten begrüßt, dass es heute die »reinste Waschstraße« sei. Der Versuch der WBL, weiteres Personal zu organisieren, sei aufgrund der Tatsache gescheitert, dass das Haus ansonsten personaltechnisch an diesem Dienstwochenende schlecht besetzt sei, so Frau Ahmann. Die beiden Pflegenden beginnen gemeinsam ihre Arbeit. Im ersten Zimmer angekommen, beginnt Mia Geißner während der Körperpflege ein Gespräch mit der Bewohnerin Frau Albrecht. Die genervten Blicke von Frau Ahmann ignoriert sie einfach. Nachdem die erste Bewohnerin versorgt ist, ziehen die beiden Pflegerinnen weiter. Vor dem nächsten Zimmer wird Mia darauf aufmerksam gemacht, dass die Zeit für ausgiebige Gespräche nicht ausreiche und sie einfach nur das Nötigste machen solle: »Was quatschst du so lange, wir müssen doch arbeiten!« Verdutzt nickt Mia die Anweisung ab. Ohne viele Worte beginnt sie im nächsten Zimmer rasch mit der Körperpflege eines älteren, bettlägerigen Mannes. Herr Meier macht jedoch mit einigen deutlichen Handbewegungen klar, dass er nicht gewaschen werden möchte. Genervt wirft Mia den Waschlappen zurück in die Waschschüssel mit den Worten, dass er an diesem Tag dann halt gar nicht mehr gewaschen werde. Sie schaut Herrn Meier zornig an und sagt: »Wenn der Popo eben dreckig bleiben soll, dann ist das Ihr Problem!« Herr Meier schließt daraufhin seine Augen.

      Übung zum Perspektivwechsel und zur Reflexion

      1. Wenn Sie sich in die Lage der Beteiligten versetzen, was können Sie gut verstehen und was weniger gut?

      2. Welche Bedeutung hat der Personalengpass für diese Situation?

      3. An welcher Stelle hätte diese Frustrationskette unterbrochen werden können?

      4. Was sollten die beiden Pflegefachkräfte nach dieser Erfahrung besprechen?

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      Lernsituation 2: Fallbeispiel Umgang mit Aggressionen im Gespräch

      Für die Pflegestudentin Nicole Kern ist es mittlerweile der zwölfte Frühdienst in Folge. Glücklicherweise ist heute Freitag und dem Start ins Wochenende steht nichts mehr im Weg. Es muss lediglich noch eine angekündigte Neuaufnahme ausgearbeitet und das Mittagessen verteilt werden. Um circa 11:45 Uhr wird Herr Becker in Begleitung der Aufnahmeschwester im Bett auf die Station gefahren. Er hat einen dicken Gipsverband um sein rechtes Bein. Während Praktikantin Mona Hartz den Patienten auf sein Zimmer bringt, hört Frau Kern der Übergabe zu. Die Aufnahmeschwester erzählt, dass Herr Becker auf dem Weg zum Supermarkt gestürzt sei und sich eine Fraktur des Wadenbeines zugezogen habe.

      Nicole Kern verschiebt das Ausarbeiten der Unterlagen auf später und beginnt mit dem Verteilen des Mittagessens. Als sie bei Herrn Becker angekommen ist, bringt sie ihm ein Zugangsessen. Er hebt die Abdeckung des Tellers hoch und zeigt mit seiner Mimik deutlich, was er davon hält. Es ist Freitag und da gibt es in katholischen Krankenhäusern immer Fisch – Herr Becker hasst Fisch! Das erkennt Frau Kern sofort an seiner Mimik. Herr Becker fordert die Pflegerin barsch auf, etwas anderes zu bringen: »Du blöde Kuh bist zu dumm, ein gescheites Essen zu besorgen!« Die Pflegerin sichert ihm das Essen zu und ruft direkt in der Küche an. Gestresst gibt die Küchenaushilfe jedoch zu verstehen, dass es heute nichts anderes mehr gebe, da die vegetarischen Gerichte bereits vergriffen seien. Damit kehrt Frau Kern zu Herrn Becker zurück. Dieser gibt ihr trotzig die Anweisung, das Tablett wieder mitzunehmen, und bittet darum, dass jemand ihn aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität in die Cafeteria begleiten möge, damit er sich dort etwas holen könne. Frau Kern muss jedoch noch vor der Übergabe seine Unterlagen ausarbeiten und die Praktikantin ist damit beschäftigt, einer weiteren Dame das Essen anzureichen. Frau Kern bleibt also nichts anderes übrig, als Herrn Becker seine Bitte zu verwehren und ihm schlechten Gewissens Zwieback anzubieten: »Es tut mir leid, aber da kann ich auch nichts mehr für Sie tun!« Sie wendet ihren Blick von ihrem Patienten und verlässt das Zimmer ohne ein weiteres Wort.

      Übung zum Perspektivwechsel und zur Reflexion

      1. Wenn Sie sich in die Lage der Pflegefachkraft Frau Kern und des Patienten Herrn Becker versetzen, was können Sie gut verstehen und was weniger gut?

      2. Wie kann sich Frau Kern verhalten?

      3. Welche Folgen sehen Sie für Frau Kern, wenn sich solche Situationen wiederholen?

      4. Welche Formen kultureller Gewalt sind Ihnen bekannt und welche Lösungen sind denkbar?

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      2.5 Perspektivische Lösungsansätze

      Beide Fälle zeigen die Bedeutung professioneller Kommunikation in den helfenden Berufen, um auftretender Gewalt und ihren Folgen begegnen zu können. Mit ihr kann es gelingen, Lösungen für gewaltbelastete Situationen zu finden (vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson 2007, Wingchen 2006). »Stimmt« die Kommunikation dann wieder, können Bedürfnisse erkannt und aneinander angepasst oder eventuelle Veränderungen vorgenommen werden, um empfundener Gewalt zu begegnen (vgl. Hausmann 2014, S. 215 ff.). So mag es etwa Frau Kern gelingen, »die Ursache der Aggression zu erkennen und das problematische Verhalten einzudämmen. Keinesfalls sollte man selbst aggressiv reagieren oder Gleiches mit Gleichem vergelten. Bei persönlichen Angriffen kann dem Patienten gegenüber eine Klarstellung nötig sein, dass man so von ihm nicht angesprochen werden will« (Hausmann 2014, S. 220). So kann es für Herrn Becker auch möglich werden, seine Frustration zu bewältigen, wenn er erkennt, warum sich die Pflegende so verhält. Ebenso werden die wechselseitigen Gewalterfahrungen Frau Ahmann, Frau Geißner und Herrn Meier als eine Gewaltspirale sichtbar, wenn den Beteiligten die gewaltbefördernden Bedingungen klar werden. Professionelle Kommunikation zielt auf die Veränderung gewaltfördernder Kommunikation in Richtung alternativer Umgangsformen sowie der Umgestaltung intrapsychischer Frustrationsprozesse ab. Dabei ist es wichtig, voreilige Lösungsversuche zu identifizieren, die das Problem verschärfen, statt es zu beseitigen. Solche »Lösungen erster Ordnung« (Rövekamp/Sommer 2016, S. 101) unterdrücken nur die Symptome, verändern aber die Beziehung nicht. Hierzu zählen etwa Strategien wie

      • das Herunterspielen der empfundenen Gewaltsituation (»So schlimm war es ja gar nicht« oder »Das muss man aushalten lernen«)

      • pessimistische Grundhaltungen (»Man gewöhnt sich daran«, »Das ist nun mal so«)

      • die Unterstellung von Böswilligkeit, ohne eigene Anteile am Konflikt erkennen zu wollen (»Der ist schuld«),

      weil die Fachkraft sich selbst schadet und die Möglichkeit der Verständigung verstellt. Demgegenüber bieten Rövekamp und Sommer Lösungen zweiter Ordnung an, die Zusammenhänge erkennen lassen und alternative Verhaltensweisen bei allen Beteiligten anregen, z. B. indem sie

      • intrapsychisch einladen, die eigenen Gedanken und Vermutungen hinsichtlich des Verhaltens des Gegenübers zu hinterfragen und zu ändern

      • sozial auffordern, im Sinne der Verhaltenskontrolle aufkommende Aggressionsgefühle kurzfristig abzuwehren, um später mittels alternativer Copingstrategien diese »verrauchen« zu lassen, oder schließlich

      • durch eine Entschuldigung dazu beitragen, die Gewaltspirale zu unterbrechen (vgl. Rövekamp/Sommer 2016, S. 101 f.).

      Zusammengefasst: Es geht um das Gestalten förderlicher Kommunikation. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Menschen immer auf mehreren Ebenen kommunizieren. Der direkte Austausch von Gedanken, Informationen, Meinungen,

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