Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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Berufliche Belastungen bewältigen - Группа авторов

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Bedürfnisbefriedigung im Wege stehen können. Diese strukturellen Gegebenheiten müssen von den MitarbeiterInnen zunächst erfasst und dann kontrolliert werden können. Dazu ist eine gelungene Kommunikation nötig; denn sie vermittelt eine Übersicht über die Strukturen, Arbeitsabläufe, Standards und Zielsetzungen der Einrichtung und bietet ein ungefähres Bild von den Erwartungen an Kooperation, Umgang mit der Klientel und die eigene Person. Die Qualität der Zusammenarbeit besitzt bei Helfenden eine große Bedeutung – auch hinsichtlich der Arbeitsqualität, weil sie diese fördern oder blockieren kann. Diese Blockade kann durch eine knappe Personalbesetzung mitverursacht werden, die es der einzelnen Fachkraft unmöglich macht, ihre Tätigkeit kooperativ zu gestalten. Dies führt zur Frustration aller Teammitglieder durch

      • fehlende Kapazitäten zur kollegialen Unterstützung

      • ein schlechtes Gewissen als »Einzelkämpfer«

      • das Gefühl des Versagens

      • die Abnahme des Selbstanspruchs

      • fehlende Reflexionskultur des Verhaltens

      • Vermeidung offener Kommunikation zugunsten asymmetrischer Formen

      • falsche Ersatzhandlungen und

      • übertriebene Kollegialität in anderen Bereichen.

      Es entstehen verschiedene Rollenkonflikte. Hornung und Lächler beschreiben das Problem verschiedener, sich widersprechender Rollenerwartungen, die zu Frustrationserfahrungen werden können (Hornung/Lächler 2018, S. 155 ff.). Zum Beispiel: Von einer neuen Fachkraft wird vielleicht erwartet, Gruppenregeln anzunehmen und nicht zu hinterfragen (Gruppendruck), obwohl dort geltende Regeln ihrem Fachwissen und Bestreben nach einer professionellen Arbeit widersprechen. So kann für sie ein innerer Konflikt entstehen zwischen den Anforderungen neuer KollegInnen und ihrem Selbstanspruch, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Auf Dauer zu einem nicht zu vereinbarenden Spagat verurteilt, führen Arbeitsunzufriedenheit, kollegialer Beziehungsstress und Motivationsverlustzunahme zu einer persönlich starken Belastung. Ebenso wirken informelle Machtstrukturen in Teams. Eine wesentliche Folge dieser informellen Aktivität ist Mobbing zwischen KollegInnen. So entstehen aber auch solche Gruppenregeln, die ein latentes Konfliktpotenzial des Teams verstärken, indem etwa Regeln der Einrichtungen zu konformierenden Gruppenregeln erklärt werden (sozialer Zwang), die wiederum zulasten der zu begleitenden Menschen gehen. Zweckrational geprägte Interaktionsformen, die alle Teammitglieder übernehmen, überlagern beispielsweise dann die Bedürfnisse der Klientel und führen nicht nur zu Entfremdungsprozessen. Regelmäßige Teamsitzungen sind unerlässlich, um Informationen aller am Hilfeprozess beteiligten Berufsgruppen gleichberechtigt zusammenzutragen. Nur daraus entsteht ein Gesamtbild der Team- und Klientensituation, woraus wiederum Teilziele einzelner helfender Berufsgruppen abgeleitet werden können. Die Regeln der klientenzentrierten Gesprächsführung ermöglichen einen demokratischen, einbeziehenden, kompetenzachtenden und respektierenden Umgang der Mitglieder. Ist es nicht möglich, eine akzeptable Lösung zu finden, unterstützt Supervision, bevor sich Konflikte verhärten (vgl. Menke 2015, S. 140 ff.).

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      2.3 Handlungsfeldbezogene Beispiele

      Gewalt und Aggression sind Themen, die zur Arbeit in helfenden Berufen gehören. Im Folgenden soll mittels eines handlungsfeldbezogenen Beispiels sichtbar werden, wie sich Gewalt verdeckt zeigen kann.

      »… entscheidend ist der Einzelfall!«

      Beispiel:

      Auf der chirurgischen Station eines Klinikums ist es die Norm, beim Rücktransport der PatientInnen aus dem OP zur Normalstation die Bettgitter beidseits hochzuziehen. Frau Papazyan, eine 65-jährige Patientin mit armenischen Wurzeln, wird von der gerade examinierten Pflegefachfrau Clara Deister nach einer Strumaresektion zurück auf das Zimmer gebracht. Einige Minuten nachdem die Patientin wieder in ihrem Zimmer ist, hören die Pflegenden laute Hilferufe, sie eilen in das Zimmer von Frau Papazyan und finden diese, total aufgelöst, auf dem Boden liegend vor. Aufgrund der Sturzhöhe durch die Bettgitter ist die Patientin sehr tief gefallen und hat sich einige Prellungen und Hämatome zugezogen. Erst als ihre Angehörigen am Nachmittag zu Besuch kommen, erfährt das Personal, dass Frau Papazyan im Armenienkrieg in den 90er Jahren verschleppt und in Gefangenschaft gehalten wurde. Seitdem hat sie große Angst vor geschlossenen und begrenzten Räumen.

      Gerade dieses Beispiel zeigt: Clara Deister ist einer Norm der Station gefolgt, ohne deren Sinn und Nutzen im konkreten Fall zu prüfen. Sie hat gelernt, dass diese Handlungsweise seitens der Station von ihr erwartet wird. Anweisungen ist Folge zu leisten – wenn dieser Grundsatz befolgt wird, gerät aus dem Blick, wie Helfende auch fachlich-ethisch verantwortlich handeln können. Sie befindet sich in einem Dilemma zwischen Patientensicherheit und dem Willen der Patientin. Hätte eine kontinuierliche Beobachtung der Patientin, die durch die standardmäßige, regelmäßige Vitalzeichenkontrolle postoperativ ohnehin gewährleistet worden wäre, den Sturz verhindern können? Eine sorgfältigere Erhebung der Patientenanamnese und ein Gespräch mit der Klientin im Voraus über mögliche Handlungsabläufe nach der Operation hätte die Ängste von Frau Papazyan erkennen lassen können. Kontinuierliche Teamsitzungen mit Evaluation einzelner Abläufe und Bewertungen von Einzelsituationen aus der Vergangenheit tragen dazu bei, Normen als Verhaltens- und Handlungsregeln in Beziehung zu setzen.

      Neben den bisher genannten Belastungen gibt es noch zahlreiche weitere Einflussfaktoren auf die Entstehung von Gewaltsituationen, die strukturell mit den Berufen verbunden sind. Darunter fallen nicht zuletzt die Konfrontation mit körperlicher Nähe, der Umgang mit Krankheit, Ängsten, Leid und Tod sowie der erlebte Widerspruch von institutionellen Abläufen und individuellen Bedürfnissen der AdressatInnen. Ebenso ist das Balancehalten zwischen dem Mut zur Nähe und der Kraft zur Distanz oder die Mandatsproblematik zwischen Hilfe und Kontrolle zu nennen. Hohe Kommunikations- und Beziehungsanforderungen, die sich etwa bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder fremder sprachlicher Herkunft überfordernd gestalten können, fordern die Fachkraft in weiterem Maße. Zudem sinkt bei vielen HelferInnen die Motivation im Laufe der Berufsjahre, wenn sie sich durch die Gesellschaft kaum wertgeschätzt fühlen und die Bezahlung in Relation zur geleisteten Arbeit auch noch als relativ gering erlebt wird. Weitere Faktoren sind schlecht ausgestattete Räumlichkeiten, fehlende Bereitstellung von Geräten oder dringende Umbaumaßnahmen. Darüber hinaus wird die Arbeit durch unnötige Laufarbeiten oder beengte Verhältnisse in Büros zusätzlich erschwert. Möchten Helfende Verbesserungsvorschläge einbringen und entdecken jedoch dabei, wie gering ihre berufliche Autonomie ist, oder werden ihnen ihre geringen Einflussmöglichkeiten auf grundsätzliche Entscheidungen deutlich, werden dysfunktionale Strukturen erkennbar, die gewaltbegünstigend wirken können.

      2.4 Beispiele gelungener und weniger gelungener Arbeit in Lernsituationen

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      Lernsituation 1: Fallbeispiel strukturelle Gewalt

      Pflegestudentin Mia Geißner betritt den Wohnbereich 2 eines Altenpflegeheims. Mittlerweile ist es bereits ihr drittes Dienstwochenende dort und sie freut sich jetzt auf die Frühstückspause mit den Kolleginnen. Der praktische Einsatz gefällt ihr. Nach der morgendlichen Übergabe durch den Nachtdienst bleibt ihr und den anderen Pflegenden noch Zeit, in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Nach einigen Minuten klingelt das Telefon: Eine Kollegin des gerontopsychiatrischen Bereiches bittet um Unterstützung bei der Morgenpflege der BewohnerInnen, da es ansonsten für die vorhandene Besetzung heute unmöglich sei, bis zum Frühstück die alten Menschen zu versorgen. Frau

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