Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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darf den beigefügten Schaden beim Opfer nicht außer Acht lassen, auch wenn diese Gewaltform als legitim oder als unumgänglich bezeichnet werden könnte.

      Es können sehr verschiedene Formen von Gewalt unterschieden werden. Grundsätzlich verletzt Gewalt jedoch immer den Willen der Betroffenen, egal ob ethisch zu rechtfertigen oder rechtlich legitim durchgeführt.

      Es ist zu denken an:

      • Zwangsmaßnahmen, die umgesetzt werden, obwohl sie gegen Menschenrechte verstoßen

      • Maßnahmen, welche Schutz vor sich selbst oder anderen sichern

      • Verhältnismäßigkeiten zwischen der menschenrechtlichen Verletzung und dem Schutz.

      »Gewalt ist keine Anwendung von Macht, sondern Ausdruck ihres Scheiterns«, zitiert Caroline Bohn (2015, S. 65) den Soziologen Niklas Luhmann. So entsteht nicht der Glaube an die Vermeidung von Gewalt, sondern von einem besseren Umgang. Es wird notwendig, Kompetenzen im Umgang mit diesem Phänomen zu erlangen, um fachlich nicht zu scheitern, auch bei ethisch und rechtlich legitimen Formen von Gewalt.

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      2.2 Theoretische Erkenntnisse

      Wenn Gewalt ein häufiges Phänomen in helfenden Kontexten darstellt, ist der Versuch, in pädagogischen oder pflegerischen Zusammenhängen zu gewaltvermindernden Umgangsformen zu kommen, etwa durch Supervision oder Training, ein professioneller Umgang mit diesem. Ein erster Schritt wäre die Eingrenzung, was unter personeller Gewalt zu verstehen ist.

      Sie kann als »eine schädigende Handlung bzw. behindernde Machtausübung gegen andere Menschen – die diese als gewalttätig erleben« (Rövekamp/Sommer 2016, S. 98) bezeichnet werden. Breakwell ergänzt die Definition um den Vorsatz, einen Schaden zuzufügen, denn würde Schaden unbeabsichtigt entstehen, läge keine Gewalt vor (vgl. Breakwell 1998, S. 19). Es wird deutlich, dass die subjektive Perspektive – gerade der Opfer von Gewalt – ebenso wichtig ist wie der Versuch, objektiv zu bestimmen, um welche Tatbestände es sich bei Gewalt handelt. Gewaltakte sind grundsätzlich zu unterscheiden in körperliche und seelische Misshandlungen, ebenso in aktive und passive Vernachlässigungen sowie in angemessene sowie unangemessene Gewaltreaktionen. Das bedeutet: Personale Gewalt, etwa durch Misshandlung oder Vernachlässigung, lässt eine illegitime direkte Handlung einer oder mehrerer Personen erkennen, die andere Beteiligte ganz konkret trifft und meistens auch von Außenstehenden als grenzüberschreitend erlebt wird.

      Funktionale Gewalt stellt eine fürsorglich gemeinte Form dieser dar, die jedoch immer auf ihre Angemessenheit zu prüfen ist. Auch wenn diese von Fachkräften nicht als Gewalt verstanden würde, findet sie in der Arbeit mit Menschen – etwa in Zwangskontexten – statt. Vernachlässigungen hingegen lassen genau dieses fürsorgliche Verhalten vermissen, sie zeichnen sich durch bewusst unterlassene oder unzureichende Hilfe aus. Selbstbehauptungen können als gewalttätig empfunden werden, etwa, wenn Pflegende körperliche Abwehrmaßnahmen als eine Form von Notwehr nutzen. Abwehrmaßnahmen durch Drohungen, Kränken und Schimpfen stellen hingegen immer eine Form der Misshandlung dar, auch wenn sich Menschen im privaten Alltag anders wehren würden, sind verbale Zurückweisungen ebenso wie Anschreien oder Alleinlassen häufig unangemessen (vgl. Oelke 2012, S. 673).

      So können Fachkräfte wie auch AdressatInnen folgende Gewaltformen erleben (image Tab. 1):

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      Zahlreiche Beispiele für Misshandlungen und Vernachlässigungen auf beiden Seiten der helfenden Beziehung – als eine Gewaltspirale – finden sich ebenfalls bei Rövekamp und Sommer (image Tab. 2). Dazu zählen:

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      Können Sie diese Ausführungen ergänzen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht hinsichtlich der Eskalation von Gewalt, welche Beteiligten waren vielleicht noch betroffen?

      Mit einer eher systemisch orientierten Perspektive bieten deshalb Rövekamp und Sommer (Rövekamp/Sommer 2016, S. 96 ff.) ein Verständnis von Gewalt als einem Regelkreislauf in der helfenden Beziehung an, in dem die Begriffe »Täter« und »Opfer« unschärfer werden (image Abb. 1). Dabei wird zunächst nachgespürt, wie sich die Beteiligten einerseits als Opfer fühlen, aber gleichzeitig auch zu Tätern werden. Einseitige Schuldzuweisungen wirken so reduziert. Betroffene sind vielmehr oft Beteiligte in einem Teufelskreis der Gewalt. Dieser ist zudem von umgebenden strukturell bzw. strukturellen Belastungen beeinflusst. Diese wirken prädisponierend auf die Beziehung. Insofern kann Gewalt als illegitime und behindernde Machtbeziehung zwischen Menschen und ihren Bedürfnissen verstanden werden. Daran können mehrere Menschen beteiligt sein, auch wenn das folgende Schaubild lediglich zwei Beteiligte darstellt. Natürlich darf ein solches Erklärungsmodell nicht zur Rechtfertigung gewalttätigen Verhaltens missbraucht werden.

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      Im Einzelnen:

      Frustrationen entstehen bei Beteiligten immer dort, wo der Austausch zwischen ihnen als unfair erlebt wird. Behindernde Machtbeziehungen, die Bedürfnisse unbefriedigt lassen, lösen bei Menschen u. U. das Gefühl aus, zum Opfer zu werden, unabhängig davon, ob sie es tatsächlich sind. Eine daraus folgende aggressive Durchsetzung einer als »logisch empfundenen Reaktion« ihrerseits empfinden andere Beteiligte wiederum als Frustration und sehen sich in der Opferrolle. Aggressiv Handelnde werden zu TäterInnen, wenn sie Ohnmachtsgefühle entstehen lassen. Äußerungen wie etwa »Ab heute lass ich mir das nicht mehr gefallen« dokumentieren einerseits das Gefühl, Opfer zu sein, und gleichzeitig die Bereitschaft, Täter zu werden. Somit entsteht ein Kreislauf zwischen Beteiligten, die sich als Opfer fühlen und zum Täter werden. Wo dieser Zyklus begann und »wer angefangen hat«, lässt sich von den Betroffenen oft nicht objektiv feststellen. Die Beteiligten haben jedoch das subjektive Empfinden, ihre Reaktion sei nachvollziehbares Verhalten auf das Frustrationserlebnis, was wiederum beim »Anderen die gleiche Kette freisetzt und damit einen Teufelskreis in Gang hält.« (Rövekamp/Sommer 2016, S. 97)

      Personale Übergriffe können als das Ergebnis von Frustrationen, etwa durch eigene Gewalterfahrungen, als Ergebnis mangelnder Fachlichkeit oder erlebter Provokation verstanden werden. Das systemische Verständnis zur Erklärung des Phänomens, mittels dessen die Arbeitsbeziehung als ein soziales System, »in dem sich die handelnden Personen aufeinander beziehen« (Rövekamp/Sommer 2016, S. 96), verstanden wird, zeigt: Gewalt wird in solchen sozialen Räumen wahrscheinlich, in denen Frustrationen erzeugt oder Professionalität verhindert wird,

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