Berufliche Belastungen bewältigen. Группа авторов

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bitten um eine Klärung und beginnen vielleicht mit einer Geste der Versöhnung den neuen Kontakt zu ihren AdressatInnen. Oft ist auch die vermittelnde Außensicht durch eine dritte Person hilfreich.

      Breakwell resümiert:

      »Schließlich stellt sich in unserer Untersuchung heraus, daß auch die heftigsten gewaltsamen Übergriffe verstanden und mit Hilfe der richtigen Intervention zur passenden Zeit verhindert oder zumindest abgeschwächt werden können.« (Breakwell 1998, S. 60)

      Aspekte struktureller bzw. kultureller Gewalt:

      In den ständigen Interaktionen und wechselseitigen Beeinflussungen der Beteiligten werden auch auf einen zweiten Blick die Wechselwirkungen zur Umwelt, also die Bedingungen der Einrichtungen (strukturelle bzw. kulturelle Gewalt) erkennbar. Diese wirken als indirekte Form auf die helfende Beziehung (Sozialverhältnisse). Institutionalisierte Beziehungsregeln können etwa ein permanentes Maß an Gewalt beinhalten. In diesem Sinne bestimmen die Interaktionen individueller,

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      sozialer und gesellschaftlicher Kräfte die Ausgangspunkte des Gewaltpotenzials (vgl. Gerrig 2018, S. 690 ff.).

      Sämtliche Gewaltformen bedingen und beeinflussen sich folglich gegenseitig, auch wenn sie nicht immer sichtbar sind (vgl. Rövekamp/Sommer 2016, S. 96 ff.).

      Beispiele:

      Herr Brucht ist seit drei Jahren arbeitssuchend. In seinem letzten Gespräch mit der Sozialarbeiterin im Jobcenter erfährt er, dass ihm nach SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende sein ALG-1 gekürzt wird, weil er sich zuvor weigerte, an einer ihm angebotenen Maßnahme teilzunehmen. Er versucht vergebens, die Gründe seiner Verweigerung an der Teilnahme dieser vorgeschlagenen Maßnahme zu erklären.

      Auf Anordnung des Arztes mit richterlichem Beschluss fixieren die Pflegekräfte des Altenheims die Bewohnerin Frau Kramer jetzt mittels des Bettgitters zu ihrer eigenen Sicherheit, dabei möchte sie sich doch einfach nur bewegen. Sie versteht nicht, warum sie so behandelt wird.

      Indirekte Gewalt geht nicht zwangsläufig mit einer personalen Erfahrung unmittelbarer Gewaltanwendung einher. Dennoch kann sie auf Umwegen gewalttätiges Verhalten von Menschen fördern. So mag etwa die Unterbringung in Mehrbettzimmern durch die fehlende Privatsphäre bei BewohnerInnen der Einrichtungen große Frustrationen und damit auch Aggressionen gegenüber Betreuenden zur Folge haben.

      Der Begriff strukturelle Gewalt steht speziell für solche Gewaltphänomene, welche z. B. durch das (latente) Vorhandensein behindernder Regeln einer Organisation entstehen. Fachkräfte wie auch KlientInnen können solche Bedingungen spüren, die in einer indirekten Form durch Werte, Normen, Regeln und Zwänge der Einrichtung wirken, wenn deren (Nicht-)Einhaltung sanktioniert wird. Eine solche »Einrichtungskultur« prägt in hohem Maße die stattfindenden Interaktionen (vgl. Greving 2011, S. 133 ff.). Interaktionsprozesse, so der Heilpädagoge Greving, werden durch Strukturen und Prozesse der Einrichtung prädisponiert, die wiederum durch gesellschaftliche Prozesse beeinflusst werden. Ebenso können wirtschaftliche Zwänge angeführt werden. Die Wahrnehmung, einer Fremdbestimmung zu unterliegen und eigene Bedürfnisse, Arbeitsvorstellungen oder Zeitgestaltungen nur noch unzureichend befriedigen zu können, sind Beispiele solcher Gewalterfahrungen, nicht nur auf der Seite der Helfer. Diese versuchen dann vielleicht, nach fachlichen Standards zu handeln, jedoch fühlen sie sich vorgegebenen Rahmenbedingungen unterlegen und ausgeliefert. So entsteht ein sich mehrfach wiederholender Konflikt, der sich auf psychischer oder sozialer Ebene, etwa im Umgang zwischen KollegInnen, zeigen kann. Das Erleben der alltäglichen, nicht lösbar scheinenden Gewaltsituation mündet vielleicht in einer Ohnmachtserfahrung. In solchen Momenten müssen die Ursachen der Gewalt bewusst gemacht werden. Lösungen solcher Konflikte greifen zu kurz, wenn sich die Fachkräfte lediglich den organisatorischen Bedingungen anpassen (»Da kann man ja doch nichts machen!«). Die problematischen Folgen gelten für sie selbst wie auch für die AdressatInnen. Das Kapitel zum Coolout beschäftigt sich mit dieser besonderen Thematik (image Kap. 10).

      Ein weiterer Aspekt dieser Gewaltform ist ihr latentes Vorhandensein. So bemängeln z. B. die Fachkräfte in Betreuungseinrichtungen die knappen personalen Ressourcen: Doppelschichten, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, eine geringe Mitbestimmung sind Gründe, die Betreuende in einen Konflikt führen (vgl. Rövekamp-Wattendorf u. a. 2018b). Systemzeiten, also Zeitvorgaben, nach welchen dortige Arbeitsabläufe eingeteilt werden, bestimmen das Leben und Arbeiten. Geht der versuchte Lösungsweg der Sozialberuflichen jedoch zu Lasten der BewohnerInnen, erleben diese das Verhalten als Gewalt. Klar wird: Die Systemzeit in einer Einrichtung steuert offen oder verdeckt die Handlungen der AkteurInnen (Visiten- und Sprechzeiten, Essenszeiten, Zeiten für Körperpflege usw.), sie fordert die Menschen auch auf, ihre persönlichen Zeittakte damit in Übereinstimmung zu bringen. Dies gelingt nicht immer ohne das Empfinden, Opfer von Gewalt zu werden.

      Raumkonzepte, die eine aktive und persönliche Gestaltung von Arbeits- und Lebensplätzen verhindern, haben ebenso negative Folgen für die dort Handelnden, wenn etwa eine abwechslungsarme, reizlose Lebenswelt negative Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden ausübt.

      Kulturelle Gewalt kann als eine Sonderform struktureller Gewalt verstanden werden. Sie wirkt ebenso indirekt auf die Beteiligten durch ihre Prägung, etwa auf Menschen in Wohnstätten. Sie prädisponiert ihr soziales Handeln, indem sie eine Handlungsorientierung vorgibt. So entstehen etwa Denk-, Sprach- und Handlungsmuster von MitarbeiterInnen gegenüber Menschen mit einer Behinderung, die diese u. U. gar nicht teilen wollen, z. B.: Jede Region pflegt ihre typischen Bräuche, die jedoch nicht von allen Menschen geteilt werden müssen. Die Berücksichtigung kultureller Eigenarten von BewohnerInnen statt »Menschenblindheit« (Sedmak 2013, S. 112) gilt in solchen Einrichtungen als eine transkulturelle Kompetenz.

      Auch Bräuche, religiöse Überzeugungen oder kulturelle Symbole haben für Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe große Bedeutung, sind aber genauso individuell zu hinterfragen. Gerade ältere Menschen sollten derartige kulturelle Symbole mit ihrer eigenen kulturellen Identität (etwa aufgrund vorhandener Lebenserfahrungen) nicht in Einklang bringen müssen.

      Zwei Beispiele:

      Während Herr Hein das Mitsingen alter Volkslieder und die Gedichte in der Morgenrunde eines Altenheims liebt, weil sie ihn an seine schöne Kindheit erinnern, ist Frau Mühlen immer ganz unruhig und steht ständig auf, um die Runde zu verlassen, während die Pflegenden es als ihre pflegerische Aufgabe ansehen, sie bei diesem Angebot zu halten. Die Erfüllung ihrer kulturellen Bedürfnisse wird durch fehlende fachliche Biografiearbeit verhindert.

      Bei der Inobhutnahme eines Kindes aus einer ausländischen Familie erlebt Frau Mittag vom Jugendamt, dass ihr Handeln im Sinne einer sogenannten Staatsgewalt mit den Werten und Vorstellungen der betroffenen Eltern nicht übereinstimmt. Sie ist mit Sprachproblemen und einem ihr fremden kulturell bedingten Lebensstil konfrontiert. Sie beginnt zu überlegen, ob die Menschenrechte tatsächlich universal sind.

      Wie bei der strukturellen Gewalt prädisponiert auch kulturelle Gewalt die professionelle Beziehung. HelferInnen sind aufgefordert, sensibel dafür zu werden, dass Menschen, die sich nicht (un-)geschriebenen Normen anpassen wollen oder können, nicht stigmatisiert werden. Sprachkonflikte begegnen ihnen, wenn Menschen aus fremden Kulturkreisen ausgegrenzt werden. Darüber hinaus ist anzuerkennen, dass soziale Diskriminierung durch unterschiedliche »Behandlung von Menschen, die sich nach Religion, Muttersprache, sexueller Orientierung, Alter, Bildung, Erfahrungshorizont« (Sedmak 2013, S. 140) etc. von der Fachkraft unterscheiden, eine Form kultureller Gewalt ist.

      Da strukturelle

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