Ohne Gnade. Helmut Ortner

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die Berührung mit dem Scharfrichter zu ersparen. Die Strafe wurde aber auch bei einfachen Leuten verhängt. Einmauern ist jedoch nicht wörtlich zu verstehen, dass also der Missetäter in einer Zelle eingemauert wurde, weder Essen noch Trinken erhielt und so einen qualvollen Tod erlitt, sondern als lebenslängliches Gefängnis. Dieses Gefängnis konnte eine Zelle am Haus des Scharfrichters sein, der den Gefangenen dann auch zu versorgen hatte, oder – bei Höhergestellten – ein Raum im eigenen Haus oder dem eines Familienmitgliedes. Die Familie hatte ihn dann bis an sein Lebensende zu versorgen. Gleich wo sich dieses Verließ befand, der Gefangene durfte es bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen, war also eigentlich für seine Mitmenschen schon nicht mehr auf dieser Welt. Sehr selten fand, vom Gericht aus Gnade angeordnet, eine vorzeitige Freilassung statt, freilich immer verbunden mit der Auflage, das Land oder die Stadt zu verlassen und nie mehr wiederzukehren, andernfalls drohte die Todesstrafe.

      Bei Vierteilung ist zwischen zwei Arten der Ausführung zu unterscheiden. Zum einen das Vierteilen bei lebendigem Leibe, zum anderen nach vorhergehender Tötung. Die ursprünglichste Form ist wohl die erstere. Die Alemannen vollzogen diese Strafe für Verräter mit der Axt. Bekannter war die Art der Vierteilung, bei der Arme und Beine jeweils an den Schweif eines Pferdes gebunden, die vier Pferde auseinandergetrieben und der Delinquent buchstäblich zerrissen wurde. Hierbei handelte es sich eigentlich um ein Zu-Tode-Schleifen. Gregor von Tours, Bischof und Historiker (540–594), beschreibt diese Tortur in Gesta Francorum, seinem wichtigsten Werk. Er berichtet hier von der Hinrichtung der Königin Brunehild, die am Schweif eines Pferdes gebunden, in Stücke gerissen wurde. Aber auch in der neueren Zeit fand diese grausame Todesart Anwendung, so 1757 bei der Hinrichtung des erfolglosen Königsattentäters Robert Daumiens in Paris.

      Im Mittelalter und in der Neuzeit wurde diese Strafe aber fast immer nach vorheriger Tötung des Delinquenten vollzogen. Der Verbrecher wurde erst enthauptet, erhängt oder erdrosselt und dann anschließend in vier Teile zertrennt. Die Vierteilung war also Schlussakt einer Hinrichtung und galt als Strafverschärfung oder zweite Strafe bei Vorliegen mehrerer Delikte, die den Tod verdienten. Zeitgenössische bildliche Darstellungen zeigen die widerlich makabre Art und Weise solcher Vorgänge. Die vier Körperteile wurden dann zur Abschreckung an eigenen Galgen oder an Landstraßen aufgehängt, etwa in Frankfurt am Main im Jahre 1616 als Schlusspunkt des Fettmilchaufstandes.

      Hatte ein Mensch mehrere, jedes für sich aber todeswürdige Verbrechen begangen, so enthielt das Urteil eine Aneinanderreihung von Strafen, also eine Kumulation der Todesstrafen. Für jedes einzelne Delikt wurde also dem Gesetz entsprechend die dafür bestimmte Todesart ausgesprochen. Die Reihenfolge der Ausführung zu bestimmen war Sache des Gerichtes. Da jeder Mensch aber nur ein Leben hat, konnte letztlich auch nur eine der Strafen zum Tod führen. Die Schwere der begangenen Verbrechen mag für die Wahl der Reihenfolge der Strafen ausschlaggebend gewesen sein. Zum Verständnis der Kumulation von Todesstrafen hier ein willkürliches Kombinationsbeispiel: Der Verbrecher wurde zur Richtstätte geschleift, unterwegs mit glühenden Zangen gezwickt (Strafverschärfung), dann gerädert (für Mord), noch lebend auf das Rad gelegt und an einem beim Rad stehenden Galgen erhängt (für Diebstahl), anschließend mit Rad und Galgen verbrannt (für Sodomie) und schließlich wurde die Asche in den Fluss geworfen. Was dieser arme Sünder bis zu seinem endgültigen Tod am Galgen an Qualen erlitten hat, ist unvorstellbar.

      Schließlich soll hier noch von einer Hinrichtungsart die Rede sein, die in die graue Vorzeit gehört, in eine Ära, als Menschen zu Steinen griffen, um den Missetäter und Friedlosen aus der Gemeinschaft zu vertreiben, weil er sich den Hass der Stammesangehörigen zugezogen hatte: die Steinigung. Getroffen von den Steinen brach der Verurteilte blutend zusammen und starb. Diese archaische Strafe hat bis heute ihren Platz im islamischen Recht, das von der altmosaischen Gesetzgebung stark beeinflusst ist. Gegenwärtig wird diese barbarische Hinrichtungsart im Iran, im Jemen sowie im Königreich Saudi-Arabien, in Pakistan und im Sudan praktiziert.

      Im Juli 1982 verabschiedete der Iranische Rat das islamische Strafgesetzbuch. Als todeswürdige Verbrechen gelten seither unter anderem Mord, Vergewaltigung und Verstöße gegen Moralvorschriften wie Ehebruch, aber auch der wiederholte Konsum alkoholischer Getränke. Artikel 119 des islamischen Strafgesetzbuches bestimmt: Die Steine, die bei der Steinigung verwandt werden, dürfen nicht so groß sein, dass die Person, wenn sie von einem oder zwei Steinen getroffen wird, stirbt; sie dürfen nicht so klein sein, dass man sie nicht mehr als Steine bezeichnen kann.“

      Auf diese Weise wird eine archaische Strafe bis in die Gegenwart ausgeführt. Eine der seltenen Schilderungen findet sich in dem Buch Die gesteinigte Frau, in dem der in Frankreich lebende Journalist Freidoune Sahebjam eine Steinigung beschreibt, die am 15. August 1986 in seinem Heimatland Iran an einer 35-jährigen Mutter von neun Kindern vollzogen wurde. Die Anklage: sie hatte Ehebruch begangen. Die Vollstreckung leitete der Bürgermeister, der zuvor das Urteil verkündet hatte: „Wir haben einstimmig beschlossen, dass die Schuldige Soraya Manoutchehri noch vor Ende dieses Tages gesteinigt werden soll, bis sie tot ist. Alles wird ordnungsgemäß durchgeführt, wie es der Koran gebietet und das Gesetz vorschreibt. Der allmächtige Gott befiehlt uns, Selbstjustiz zu üben, weil wir alle von diesem Weib beleidigt worden sind und weil ihre Angehörigen Rache fordern.“

      Sahebjam protokolliert das barbarische Geschehen. Auszüge:

      „Auf ein Zeichen des Bürgermeisters packten die beiden Männer die junge Frau an den Armen, schleppten sie zu der Grube und ließen sie hineinsteigen. Ein Murmeln erhob sich unter den Zuschauern. Nun würde das Schauspiel, dessentwegen sie hergekommen waren, wahrhaftig beginnen. Aufgeregt blickten sie auf die wehrlose Frau.

      Die Männer mit Schaufeln und Spaten begannen, die Grube, in der Soraya stand, wieder zuzuschütten. Sie war nun bis zu den Schultern eingegraben. Ihre Arme steckten in der Grube. Der Kopf des Opfers, von dem sie nur das auf der Erde ausgebreitete schwarze Haar sahen, war etwa fünfzehn Meter von den Männern entfernt.

       Der Bürgermeister nahm einen Stein und reichte ihn dem Vater: ‚Ihnen, Herr, gebührt die Ehre, den ersten Stein zu werfen … Bitte sehr …‘

       Der Alte legte seinen Stock auf den Boden nieder und ergriff den Stein. Er sagte Gott Dank, streckte den Arm und schleuderte den Stein mit aller Kraft in Richtung auf seine Tochter. Dabei brüllte er: ‚Ya Allah! Da hast du’s, Hure!‘ Er verfehlte sein Ziel. Ebrahim reichte ihm einen anderen Stein, und der Alte warf, seinen Hass hinausschreiend, ein zweites Mal auf seine Tochter. Viermal versuchte er sie zu treffen, ohne Erfolg. Rasend vor Wut, schrie er: ‚Gebt mir noch einen Stein, ich will ihr den Kopf einschlagen, ich schlage ihr den Kopf ein!‘

       Der Bürgermeister gab ihm zu verstehen, dass er die Kreidelinie auf keinen Fall überschreiten dürfe, denn das sei gegen das Gesetz Gottes. Nun kam Ghorban-Ali an die Reihe. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und vier Steine zu seinen Füßen aufgereiht. Er wartete auf das Zeichen des Bürgermeisters. ‚Du bist dran, mein Junge‘, sagte Ebrahim liebevoll. ‚Gott möge dir den Arm führen.‘

      Der ‚betrogene‘ Ehemann straffte seinen Arm und ließ ihn nach vorn schnellen. Der Stein flog zwanzig Zentimeter am Gesicht der Frau vorbei. Sie hatte nicht die geringste Schreckbewegung gemacht, nicht mit den Wimpern gezuckt. ‚Weiter, Ghorban-Ali, nur zu, das war gut … gleich hast du sie, die Hündin …‘, brüllten die Männer in der ersten Reihe.

      Sorayas Mann griff nach dem zweiten Stein, wog ihn in der Hand und blickte auf das Publikum. Er sah aus wie ein Athlet im Stadion, der eine Bestleistung anstrebt. Erneut spannte sich sein Arm, und der Stein streifte den Kopf der Frau. Die Menge stieß ein enttäuschtes ‚Oh‘ aus, doch bevor sie Atem holen konnte, war schon der dritte Stein geworfen und traf die rechte Schulter der Verurteilten. Ein kaum hörbarer Laut entwich ihrem Mund, und für eine Sekunde schwankte ihr zierlicher Oberkörper.

      Das Geschrei schwoll an, und die Männer applaudierten. Ghorban-Ali deutete ein

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