Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 274
Bald darauf sahen sie zur Rechten vor einem niedrigen Hause eine Karre halten, während unter einem Vordache zwei Männer ein Pferd beschlugen. Herr d’Agreval näherte sich ihnen.
»Ist hier das Gehöft von Peter Benedikt?« rief er.
Einer der Leute erwiderte:
»Nehmt den Weg links, ganz bis zum kleinen Kaffeehause und geht dann ganz rechts, es ist das dritte vom Wege nach Poret, ein Tännchen vorm Tore, nicht zu verfehlen.«
Sie wandten sich links. Sie ging jetzt ganz langsam mit wankenden Knien, während ihr Herz zum Zerspringen klopfte.
Bei jedem Schritt murmelte sie wie im Gebet: »Mein Gott! Mein Gott!« Eine furchtbare Aufregung schnürte ihr die Kehle zu, und sie schwankte auf den Füssen, als wären ihre Sehnen zerrissen.
Herr d’Agreval, vor Aufregung gleichfalls bleich, sagte ihr etwas unwirsch:
»Wenn Sie sich jetzt schon nicht mehr beherrschen können, werden Sie alles sofort verraten. Suchen Sie sich doch zu fassen.«
»Ach wie kann ich das?« seufzte sie. »Mein Kind! Wenn ich denke, dass ich mein Kind sehen werde!«
Sie folgten einem jener kleinen Feldwege, wie man sie so viel sieht, zwischen den Feldern der Gehöfte hindurchführend, beschattet von einer Doppelreihe Buchen zu beiden Seiten der Gräben.
Und plötzlich standen sie vor einem hölzernen Schlagbaum, den eine junge Tanne beschattete.
»Hier ist’s«, sagte er.
Sie blieben stehen und schauten.
Der mit Apfelbäumen bepflanzte Hof war ziemlich groß und dehnte sich bis zu dem kleinen strohbedeckten Wohnhause aus. Gegenüber lag der Pferdestall, die Scheune, der Kuhstall, das Hühnerhaus. Unter einem Ziegeldach standen die Ackerwagen, Karren, Schiebkarren, das Cabriolet. Vier Kühe weideten in dem hohen grünen Grase im Schatten der Bäume, während in allen Winkeln des Gehöftes schwarze Hühner herumtrippelten.
Man hörte nichts; die Tür des Hauses stand zwar offen, aber man konnte im Innern niemand erblicken.
Sie traten ein. Sofort stürzte aus einem Fasse am Fusse eines großen Birnbaumes ein schwarzer Hund hervor und begann ein wütendes Gebell.
Als sie näher kamen, sahen sie an der Mauer des Hauses vier Bienenstöcke mit ihren gelben Strohkuppeln gelehnt.
»Ist jemand hier?« rief Herr d’Agreval, als sie an der Tür standen. Alsbald erschien ein Kind, ein kleines Mädchen von ungefähr zehn Jahren, in Hemd und Leinenröckchen, mit blossen schmutzigen Füssen und furchtsamer trotziger Miene. Es blieb im Türrahmen stehen, als wollte es den Eingang wehren.
»Was wollen Sie?« fragte es.
»Ist Dein Vater da?«
»Nein.«
»Wo ist er?«
»Ich weiß nicht.«
»Und Deine Mutter?«
»Bei den Kühen.«
»Kommt sie bald zurück?«
»Weiß nicht.«
Und plötzlich, als ob sie fürchtete, dass man sie mit Gewalt wegführen werde, sagte die alte Dame in energischem Tone:
»Ich gehe nicht fort ohne ihn gesehen zu haben.«
»Wir werden auf ihn warten, liebe Freundin!«
Als sie zurückgingen, bemerkten sie eine Bäuerin, die auf das Haus zukam und in den Händen zwei blanke Blecheimer trug, in denen sich hin und wieder ein Streifen des grellen Sonnenlichts mit plötzlichem Reflex spiegelte.
Sie hinkte auf dem rechten Fusse und sah in ihrem dunkelbraunen, verwaschenen und von der Sonne fuchsig gewordenen Brusttuch wie eine Magd aus, elend und schmutzig.
»Da ist die Mutter«, sagte das Kind.
Näherkommend sah diese die Fremden unfreundlich und misstrauisch an, ging aber ruhig ins Haus, als hätte sie sie gar nicht bemerkt.
Sie schien alt, das Gesicht runzelig, gelb und rau; eine Art Holzgesicht, wie es die Bäuerinnen oft haben.
»Sagt ’mal, gute Frau«, rief Herr d’Agreval sie zurück, »würden Sie uns nicht zwei Glas Milch verkaufen?«
Sie erschien wieder unter der Tür, nachdem sie die Eimer fortgestellt hatte und sagte mürrisch:
»Ich verkaufe keine Milch.«
»Aber wir sind sehr durstig und die alte Dame hier ist sehr erschöpft. Kann man denn nicht für Geld und gute Worte etwas zu trinken haben?«
Die Bäuerin sah sie misstrauisch und verdrossen an.
»Da Sie nun einmal da sind«, entschied sie endlich, »muss ich Ihnen wohl was geben«, und sie verschwand im Hause.
Hierauf kam zunächst das Kind mit zwei Stühlen heraus, die es unter einen Apfelbaum setzte; ihm folgte die Mutter mit zwei Gläsern schäumender Milch, welche sie den Fremden reichte. Sie blieb bei ihnen stehen, als wollte sie sie überwachen und ihre Absichten ergründen.
»Ihr kommt von Fecamp?« fragte sie.
»Ja, wir sind für den Sommer in Fecamp«, antwortete d’Agreval. Dann fuhr er nach einer Pause fort: »Könntet Ihr uns nicht alle Wochen einige Hühner verkaufen?«
Die Bäuerin zögerte, dann sagte sie endlich:
»Nun, ja, wenn es sein muss; wollt Ihr junge?«
»Gewiss, junge.«
»Wie viel zahlt Ihr jetzt auf dem Markte dafür?«
d’Agreval wusste